Bei der weiter unten abgedruckten Besprechung des Paderborner Inkunabelkatalogs wird darauf hingewiesen, daß im Gegensatz zum Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW), der weiterhin nur sehr langsam voranschreitet, in aller Welt immer mehr lokale und regionale Inkunabelkataloge erscheinen, für deren Beurteilung das an besagter Stelle aus einer früheren Rezension Zitierte gilt. Der vorliegende Inkunabelkatalog, mit dem eine von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg geförderte neue Reihe von Bestandskatalogen in Baden-Württemberg eröffnet wird, ist in vielerlei Hinsicht mustergültig. Er hätte zum Beispiel dem gleichzeitig erschienenen Paderborner Inkunabelkatalog (s.u. IFB 97-1/2-043), der ähnlich geartete Bestände umfaßt, ohne weiteres als Vorbild dienen können. Der erste Satz der Einleitung (S. 13) lautet: "Mit dem hier vorgelegten Katalog wird erstmals versucht, alle Inkunabeln zu erfassen und nach heutigen Grundsätzen zu beschreiben, die sich im Besitz kirchlicher Einrichtungen im Raum der Diözese Rottenburg-Stuttgart befinden". In insgesamt 21 der Katholischen Kirche unterstehenden Bibliotheken dieser Diözese konnten Inkunabeln ermittelt und hier beschrieben werden, darunter in 15 der ehemaligen oder noch bestehenden Landkapitelsbibliotheken. Wirklich von Bedeutung für diesen Katalog sind jedoch nur die Bestände des Tübinger Theologenkonvikts, das sich nach seinem großen Wohltäter König Wilhelm I. von Württemberg den Namen Wilhelmsstift zulegen durfte, und der Rottenburger Seminarbibliothek. Von den 617 im Katalog beschriebenen Inkunabeln, zu denen noch 24 Fragmente (Nr. 618 - 641) in oder aus Einbandspiegeln kommen, stammen allein 505 aus diesen beiden Bibliotheken (Rottenburg: 146 Ink., Tübingen: 359 Ink.). Da der Altbestand des Wilhelmsstifts und des Rottenburger Priesterseminars fast ausschließlich aus Säkularisationsgut gebildet wurde, beginnt die Einleitung mit einer präzisen Darstellung der württembergischen Bibliothekspolitik im Zeitalter der Säkularisation (S. 14 - 18). Darauf folgt eine ebenso präzise Geschichte der erfaßten Bibliotheken (S. 19 - 24). Neben den beiden schon erwähnten Bibliotheken sind noch die erst 1916 gegründete Rottenburger Diözesanbibliothek mit 27 Inkunabeln und das Katholische Bibelwerk e.V. in Stuttgart mit 10 Inkunabeln (darunter allein 8 Bibeln) zu nennen. Auf die Einleitung folgt die Schilderung der Anlage des Katalogs durch Thomas Wilhelmi, den endgültigen Bearbeiter der Druckfassung des Katalogs. Sie läßt nichts zu wünschen übrig, ebensowenig wie das anschließende Literaturverzeichnis, das nur die abgekürzt zitierte Literatur enthält, wobei man verschmerzen kann, daß der italienische Gesamtkatalog IGI[1] hier weggelassen wurde, weil er - wie S. 32 erklärt wird - nur ganz selten zitiert wurde.
2 Anlage
Der eigentliche Katalog ist nach dem Alphabet der Verfasser und
Sachtitel angelegt. Er folgt in der Ansetzung der Namen, Titel und
Drucker den bewährten Mustern und dabei vor allem dem Freiburger
Inkunabelkatalog von Vera Sack.[2] Abweichend von den meisten Katalogen
einschließlich GW haben die Bearbeiter die Drucke unter den Namen
gelassen, die in den Drucken selbst als Verfasser angegeben sind, auch
wenn die moderne Forschung sie anderen Verfassern zuweist. In einigen
Fällen haben sie diesen alten Namen ein Pseudo- hinzugefügt, um den
Zweifel anzudeuten. Selbstverständlich wird von den neuermittelten
Verfassernamen verwiesen. Diese Praxis ist sehr löblich, da die
Verbreitung und Rezeption der betreffenden Schriften im ausgehenden
Mittelalter ja unter den in den Drucken angegebenen Namen erfolgte.
Der Johannes Gritsch, der in den Drucken als Verfasser eines
Quadragesimale (hier Nr. 271 - 273) angegeben ist, wurde vom GW
inzwischen (s. GW 11538 - 11561) gegen seinen Bruder (?) Conrad
Gritsch vertauscht. Die Bayerische Staatsbibliothek hat sich sogar für
die Namensform Grütsch, Conradus entschieden. In diesem Fall fehlen im
vorliegenden Katalog die Verweisungen. Auffällig ist, daß Guilelmus
Duranti im Gegensatz zu allen anderen zitierten Katalogen (von GW bis
Sack) unter Durantis aufgeführt ist. Bei der Ansetzung der Namen
italienischer Autoren wird eine gewisse Unsicherheit spürbar, gepaart
mit Inkonsequenz. Obwohl alle Schriften dieser Autoren, um die es hier
geht, im Original Lateinisch sind, werden ihre Namen mal in
lateinischer Fassung (z.B. Ficinus, Philelphus, Vegius, etc.) mal in
italienischer (z.B. Bruni, Poggio Bracciolini, Pico della Mirandola,
etc.) aufgeführt und zwar immer ohne Verweisung von der anderen
Fassung (Filelfo - Philelphus). Bei Robertus Caracciolus, den auch die
Italiener nur so ansetzen (s. IGI 2447 - 2507), wurde statt der
korrekten italienischen Version Caracciolo, Roberto die nirgendwo
gebräuchliche Form Caraccioli, Roberto (Nr. 185 - 188) gewählt.
3 Anmerkungen zu einzelnen Drucken
Nr.155
Trotz aller Autoritäten (GW 4652; BMC I, 77; BSB-Ink B-654) handelt es
sich mit ziemlicher Sicherheit nicht um einen Straßburger, sondern um
einen Reutlinger Druck Michael Greyffs, der 'um 1475' anzusetzen ist
und somit zu seinen frühesten Drucken gehören dürfte. Diese Ausgabe
ist zum überwiegenden Teil auf Reutlinger Papier gedruckt, das in
Straßburg nicht verwendet wurde.
Nr.181
Von diesem Nürnberger Deutschordensbrevier wurde dem GW erst
nachträglich ein offensichtlich nicht ganz vollständiges Exemplar im
Wiener Schottenstift bekannt, das erst als Ergänzung (GW 5234/10) zu
Band 5 beschrieben werden konnte. Das Exemplar des Wilhelmsstifts
scheint absolut vollständig zu sein. Es weicht auch in der Kollation
von Kalendarium und Psalterium von der Beschreibung des GW ab. Hier
wäre eine ausführliche Beschreibung aller Abweichungen und Zusätze
angebracht gewesen. Auf Tafel VI wird zwar eine Seite (welche?) aus
diesem Brevier abgebildet, aber nicht die, die im GW nicht beschrieben
werden konnte (nämlich Anfang des Psalterium).
Nr. 215
Wie Nr. 172 und das Fragment Nr. 620 ist dieses Directorium
Constantiense einer der wenigen Drucke des in Konstanz ansässigen
'Druckers des Remigius'. Im Druckerregister ist folglich der Eintrag
unter 'Schweiz: Drucker der Diözese Konstanz' zu tilgen.
Nr. 217
Der Titel muß lauten Diurnale Moguntinum.
Nr. 381
Diese Leipziger Inkunabel steckt mit einer weiteren Inkunabel (Nr.
203) in einem Sammelband des 16. Jahrhunderts, dessen Inhalt mit
bibliographischen Nachweisen kurz aufgeführt ist. Bei zwei Drucken war
kein bibliographischer Nachweis möglich. Der zweite (Nr. 7 des
Sammelbandes), ein Nördlinger Türkendruck von 1542 ist verzeichnet bei
Göllner.[3]
Nr. 526
Dieser Druck wird hier einem venezianischen Drucker 'um 1499'
zugewiesen. Der zweite bibliographische Nachweis (neben Copinger 4800)
'Polain 9633' existiert überhaupt nicht. Es handelt sich
offensichtlich um einen Druck von 1513/1514 aus Perugia (s. dazu IGI
Bd. 4, S. 303). Der Sammelband, in dem dieser Druck steckt, enthält
außer einer echten Inkunabel (Nr. 25) nur Drucke des 16. Jahrhunderts
zwischen 1513 und 1535. Bei einem römischen Druck von 1521 (Nr. 7 des
Sammelbandes) wird die Weimarer Luther-Ausgabe als bibliographischer
Nachweis angegeben. Hier hätten italienische Fachbibliographien
(Ascarelli, Barberi) zitiert werden können. Der aus Frankreich
stammende römische Drucker heißt übrigens Guilleretus (franz.
Guillery) und nicht 'Guilleren'. Nach den Regeln des vorliegenden
Katalogs (s. S. 32), die in diesem Punkt denen des Freiburger Katalogs
von Vera Sack entsprechen, hätte die Nr. 526 als (525a) der Nr. 525
folgen sollen. So wurde ansonsten bei den Drucken verfahren, "die in
älteren Katalogen und Verzeichnissen (z.B. Hain) als Inkunabeln
beschrieben wurden, nach heutiger Erkenntnis aber nicht mehr als
Inkunabeln gelten können" (S. 32). Siehe Nr. (146a, 184a, 219a, 40la,
414a, 491a, 530a).
4 Inhaltliche Zusammensetzung der Bestände
Da es sich ausnahmslos um die Bestände kirchlicher Bibliotheken
handelt, begegnen wir vorwiegend theologischer und kirchenrechtlicher
Literatur. Klassikerausgaben und Schriften humanistischer Autoren sind
dünn gesät. Fast aus dem Rahmen fällt in der Bibliothek des
Wilhelmsstifts die italienische Übersetzung von De re militari des
Roberto Valturio (Nr. 600). Unter den mindestens 15 deutschsprachigen
Drucken sind einige von großer Seltenheit. Auf die Rara und Unica
unter den im Katalog beschriebenen Inkunabeln wird am Ende der
Einleitung (S. 28 - 29) eigens hingewiesen. Das gilt auch für die
undatierten Drucke, die durch hier beschriebene Exemplare mit
datierten Rubrikatorenvermerken zeitlich besser eingegrenzt werden
können (S.29).
5 Konkordanzen
Nun zu den Konkordanzen und Registern des Katalogs, denen die gleiche
Sorgfalt zuteil wurde wie schon der Beschreibung der individuellen
Merkmale der Drucke im Katalog selbst (vgl. die Erläuterungen dazu auf
S. 32 - 34). Obwohl die insgesamt 10 Konkordanzen ganz am Schluß des
Bandes stehen, zuerst ein Wort zu ihnen.[4]
Zunächst gibt es die üblichen Konkordanzen zu GW, Hain, Copinger,
Reichling und Goff. Etwas ungewöhnlich ist die Konkordanz zum
Freiburger Inkunabelkatalog von Sack, die jedoch zeigt, in welch hohem
Maße dieser Katalog den Bearbeitern des vorliegenden Katalogs als
Vorbild gedient hat. Unerwartet aber nützlich ist die nur 9 Nummern
umfassende Zusammenstellung der in dem einst von der GW-Kommission
herausgegebenen Verzeichnis der Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts
(Halle a.S., 1914) beschriebenen Einblattdrucke. Hier hätten
vielleicht die noch wichtigeren Einblattdrucke in irgendeiner Form
angehängt werden sollen, die bisher nirgendwo beschrieben waren (s.
Nr. 33, 562, 563), die aber im Tafelteil ganz oder im Ausschnitt
abgebildet wurden (s. Taf. I, VII und VIII). Während in
angelsächsischen Inkunabelkatalogen auf die einzigartige Sammlung der
British Library in London fast ausschließlich durch
Proctor-Konkordanzen hingewiesen wird, die den Vorzug einer
eindeutigen numerischen Zitierbarkeit haben und gleichzeitig die
Bestände der Bodleian Library in Oxford mit einschließen, haben sich
die Bearbeiter des vorliegenden Katalogs entschieden, den großen
Inkunabelkatalog der British Library (BMC) für eine Konkordanz zu
benutzen. Das führte zu sehr unbefriedigenden und nicht eindeutigen
Ergebnissen, da die eigentlichen Signaturen, durch die ein BMC-Zitat
erst eindeutig wird, weggelassen wurden. In den großformatigen Bänden
des BMC sind immer mehrere Inkunabeln auf einer Seite beschrieben, so
daß allein die Seitenzahlen für eine Konkordanz nicht ausreichen.
Deshalb verzichten die Angelsachsen auf solche Konkordanzen. Den
bibliographischen Konkordanzen voraus geht die Signaturenkonkordanz
nach Bibliotheken, die nach dem Ortsalphabet der Bibliotheksstandorte
angelegt ist und die z.B. auf Anhieb zeigt, in welcher Bibliothek
heute Inkunabeln aus einer bestimmten Kapitelsbibliothek als
Dauerleihgabe aufbewahrt werden. Die Einbände des 15. und 16.
Jahrhunderts betreffende Konkordanz zu Kyriss und Haebler steht
unmittelbar nach dem Einbandregister und wird mit diesem zusammen
betrachtet werden.
6 Register
6.1 Hauptregister
Damit sind wir bei den vier Registern. Zunächst wundert man sich etwas
über die Beschaffenheit des Hauptregisters, in dem neben zusätzlichen
Namen und Sachbegriffen nochmals alle Personennamen und Orte aus den
drei folgenden Registern aufgeführt sind, was natürlich dazu führt,
daß dieses Register am umfangreichsten ist (S. 271 - 286). Bei
genauerem Zusehen entdeckt man dann aber auch die Vorzüge eines
solchen Registers, die darin liegen, daß vor allem unter den Ortsnamen
aber auch bei bestimmten Personen verschiedenartige Dinge
zusammengebracht werden (wie z.B. Buchbinder und Provenienzen, Drucker
und Buchbinder), die sonst getrennt wären. Zu beachten ist lediglich,
daß bestimmte Sachbegriffe nur im Hauptregister vorkommen. Dazu
gehören Exlibris, die unter Bucheignerzeichen (mit Verweisung vom
Provenienzen- aufs Hauptregister) zusammengestellt sind, oder
beigebundene Handschriften und Handschriftenfragmente - während
Druckfragmente ja im Katalog selbst (= Nr. 618 - 641) erfaßt sind
- sowie Rubrikatoren und Rubrikatorenvermerke (ohne Verweisung im
Provenienzenregister). Kaufvermerke wurden leider nicht im Register
erfaßt.
6.2 Druckerregister; vertretene Druckorte
Das nach dem Alphabet der Druckorte angelegte knappe Register der
Drucker und Verleger führt diese ebenfalls alphabetisch bei ihren
jeweiligen Orten auf. Oben wurde schon darauf hingewiesen, daß der
Eintrag Schweiz: Drucker der Diözese Konstanz ganz zu tilgen und die
Nr. 215 beim Eintrag Süddeutschland (Konstanz?) nachzutragen ist.
Außerdem hätte zumindest von Konstanz, das ganz fehlt, auf
Süddeutschland (Konstanz?) verwiesen werden sollen.
Die Betrachtung des Druckerregisters gibt Anlaß, auch einen Blick auf
die geographisch-typographische Zusammensetzung dieser ausschließlich
aus süddeutschen Provenienzen gespeisten Sammlungen zu werfen.
Einschließlich Konstanz sind hier 40 Druckorte vertreten, von denen
aber einer (= Krakau) nur mit einem Druck (Nr. 401a) des frühen 16.
Jahrhunderts präsent ist. Etwas mehr als die Hälfte dieser Druckorte
liegt in Süddeutschland. Die meisten Drucke stammen aus Straßburg
gefolgt von Basel, Augsburg und Nürnberg. Aber auch Reutlingen, Speyer
und Ulm sind gut repräsentiert. Außerhalb des süddeutschen Raums
liegen von den deutschen Druckorten nur Köln (24 Drucke) und Leipzig
(4 Drucke) sowie die beiden ephemeren Klosterdruckereien in Marienthal
und Zinna, von denen je ein Druck (Nr. 217 und 474) im Tübinger
Wilhelmsstift vorhanden ist. Aus dem nordwestlichen Teil Mitteleuropas
kommen dann nur noch zwei Drucke aus Löwen. Auch Frankreich ist mit 8
Lyoner Drucken und nur je einem Druck aus Paris, Toulouse und Vienne[5]
ausgesprochen kümmerlich vertreten. Italien stellt die restlichen 9
Druckorte, aus denen mit Ausnahme von Venedig jeweils nur ein Druck
(und bei Turin zwei) stammt. Venedig steuert mit etwa 60 Drucken nicht
einmal halb soviel Ausgaben bei wie Straßburg.
6.3 Provenienzenregister
Wie immer bei lokalen und regionalen Inkunabelkatalogen erweist sich
die Qualität des betreffenden Katalogs an der Erfassung und Bestimmung
der Provenienzen und Einbände sowie ihrer Erschließung durch
entsprechende Register. In dieser Hinsicht ist der vorliegende Katalog
mustergültig. Zunächst zum Provenienzenregister, das sich vom
erwähnten Hauptregister vor allem dadurch unterscheidet, daß nach
Möglichkeit bei den einzelnen Einträgen zusätzliche biographische oder
historische Informationen zu den Personen und Institutionen gegeben
werden. Für denjenigen, der mit der älteren Bibliotheksgeschichte des
deutschen Südwestens nicht so vertraut ist, stecken in diesem Register
auf engstem Raum zahlreiche wertvolle Informationen und
bibliographische Hinweise. Auch bei vielen individuellen Vorbesitzern
ist es den Bearbeitern gelungen, etwas über deren Leben bzw.
beruflichen Werdegang in Erfahrung zu bringen. Wer jemals selbst mit
solchen Ermittlungen befaßt war, weiß, wie zeitraubend und mühsam
Recherchen nach Vorbesitzern des ausgehenden Mittelalters sein können,
die eben nicht immer in der gewünschten Form in Universitätsmatrikeln
oder in Annatenregistern und Investiturprotokollen der Geistlichkeit
auftauchen.
Bevor wir auf einige Einträge im einzelnen eingehen, die generelle
Bemerkung, daß die meisten hier vertretenen Provenienzen auch in den
beiden größten württembergischen Inkunabelsammlungen in Stuttgart
(WLB) und Tübingen (UB) vorkommen, was damit zusammenhängt, daß vor
allem die beiden größeren Sammlungen in Rottenburg (Seminarbibliothek)
und Tübingen (Wilhelmsstift) aus demselben Säkularisationsgut gespeist
wurden wie die Stuttgarter Landesbibliothek und - in wesentlich
geringerem Umfang - die Tübinger Universitätsbibliothek. Im übrigen
fanden zwischen den beiden Tübinger Bibliotheken und der Stuttgarter
Bibliothek mehrfach Tauschaktionen statt. Die Vertrautheit mit den
meisten Provenienzen durch den Stuttgarter Bestand erleichterte dem
Rezensenten natürlich die Überprüfung und Beurteilung des vorliegenden
Provenienzenregisters. Zu folgenden Einträgen ist etwas anzumerken:
Farner, Benedikt
Mit dieser Provenienz ist eine lange und verzwickte Geschichte
verknüpft, die den Bearbeitern ebenso verborgen blieb wie die
vielfältige Literatur, die es dazu seit langem gibt. Über Farners
Exlibrisstempel, der übrigens in mindestens zwei Fassungen vorliegt,
und sein handschriftliches Monogramm: :B. f. P: (= Benedictus Farner
praepositus) ist viel gerätselt worden. Nach einem der Stuttgarter
Exemplare wurden sie bereits 1913 von Wilhelm Ludwig Schreiber
beschrieben und erstmals abgebildet.[6] Später hat Schreiber das in Holz
geschnittene Exlibris als 'Unbekanntes Bücherzeichen' auch in sein
Handbuch aufgenommen.[7] Beide Literaturstellen blieben den
Exlibrisforschern offensichtlich unbekannt. Durch eine 1959 in eine
amerikanische Bibliothek gelangte Inkunabel mit diesem Exlibrisstempel
wurde dieses Exlibris in die eigentliche Exlibris-Literatur
eingeführt, wo es durch einige Mißverständnisse zum ältesten
französischen Exlibris avancierte. Mehr sei an dieser Stelle nicht
verraten. Der Rezensent, der seit vielen Jahren - ausgehend von den
Stuttgarter Exemplaren dieses Exlibris - das Material über diese
Geschichte gesammelt hat, wird zu gegebener Zeit ausführlich über die
Irrungen und Wirrungen im Zusammenhang mit diesem Bücherzeichen
berichten.
Galter a Verma
Bei diesem von den Bearbeitern überhaupt nicht identifizierten
Vorbesitzer einer Inkunabel (in Bd. 2 von Nr. 29), die später in den
Besitz Benedikt Farners überging, handelt es sich um den Niederländer
Walter van Werve, der in Paris studiert hatte und Anfang 1480 nach
Tübingen kam, wo er Professor der Theologie wurde.[8]
Nicolaus Colonus
Dieser ist sicher identisch mit Nicolaus Mayer, der sich im selben
Band (Nr. 107) 1599 ein zweitesmal mit seiner deutschen Namensform
eintrug. Colonus dürfte der Versuch einer lateinischen Übersetzung des
Namens Mayer sein.
Schneph, Johannes
Die normalisierte Form lautet Schnepf oder Schnepff.
6.4 Einbandregister
Schon aus der Einleitung (S. 25 - 28) geht hervor, daß sich die
Bearbeiter - und da vor allem Heribert Hummel - mit der Bestimmung der
Einbände des 15./16. Jahrhunderts größte Mühe gegeben haben, was sich
auch im Register der Buchbinder und Einbandgruppen und der sich
anschließenden Konkordanz zu Kyriss und Haebler widerspiegelt. Bevor
ich auf einige Einzelheiten eingehe, muß etwas klargestellt werden. In
zwei Fußnoten der Einleitung (S. 23, Anm. 17 und S. 27, Anm. 28) ist
vom 'Nachlaß' des Einbandforschers Ernst Kyriss die Rede, der in der
Württembergischen Landesbibliothek liege, aber "noch nicht zugänglich"
sei. In der zweiten Anmerkung (Anm. 28) heißt es noch expliziter: "Der
Nachlaß ... ist, weil noch ungeordnet, der Forschung nicht
zugänglich". Dazu ist folgendes zu sagen: Die Württembergische
Landesbibliothek besitzt nicht den 'Nachlaß' von Ernst Kyriss, sondern
nur seine einbandkundliche Handbibliothek, die in die "Handbibliothek
Buchgeschichte" der WLB eingegliedert und dort frei zugänglich ist,
sowie seine Einbanddurchreibungen. Diese sind lose in über 350 Mappen
untergebracht, die von Kyriss selbst nach dem Alphabet der
Durchreibeorte angeordnet und von ihm Ort für Ort bzw. Bibliothek für
Bibliothek durchnumeriert wurden. Auch dieses wohlgeordnete, aber
schwierig zu benutzende Material ist der Forschung zugänglich.
Allerdings können die Mappen nur im Sonderlesesaal für alte und
wertvolle Drucke unter Aufsicht benutzt werden, was eigentlich
selbstverständlich ist. Nun einige Bemerkungen direkt zum
Einbandregister.
Während einige von Kyriss[9] noch nicht lokalisierte Werkstätten hier
aufgrund neuer Erkenntnisse in der Literatur zumindest versuchsweise
bestimmten Orten zugewiesen wurden (siehe S. 27 und 305), gibt es im
Register immer noch eine Liste 'nicht lokalisierter'
Buchbinderwerkstätten. Davon können zwei gestrichen werden. Die von
Kyriss (Nr. 160) als Werkstatt 'M mit Krone I' charakterisierte
Buchbinderei war in Mainz beheimatet, wie man seit 1971 durch die
Forschungen von Vera Sack weiß. Bei der Werkstatt 'Sternblume' (=
Kyriss Nr. 171) nimmt der Rezensent an, daß sie im Kloster Weingarten
saß, während die von Kyriss (Nr. 34) als Weingartner
Klosterbuchbinderei betrachtete Werkstatt höchstwahrscheinlich in
Konstanz ansässig war. Eine von Kyriss (Nr. 143) nicht lokalisierte
Werkstatt wird hier (S. 27 und 307) als Ulmer Werkstatt vorgeführt.
Diese Werkstatt war jedoch mit ziemlicher Sicherheit in Tübingen
tätig. Dafür spricht übrigens auch die sehr frühe Tübinger Provenienz
des betreffenden Bandes (Nr. 29), die oben schon erwähnt wurde.
7 Abbildungen
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß dieser Katalog mit 32
Abbildungen auf 16 Tafeln versehen ist, die - mit Ausnahme von Taf. VI
(s.o.) - mit großer Umsicht ausgewählt wurden. Besonders anzuerkennen
ist, daß einige ältere Besitzvermerke (Abb. l6 - 24) und
Bibliotheksstempel (Abb. 25 - 32) im Bild vorgeführt werden.
Dieser Band, dessen Qualität für die weiteren Bände der Reihe einen
hohen Maßstab setzt, sollte in keiner größeren Bibliothek fehlen und
schon gar nicht in einer Bibliothek mit Inkunabelbesitz.
Peter Amelung
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