Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Katalog der Inkunabeln in Bibliotheken der Diözese


97-1/2-038
Katalog der Inkunabeln in Bibliotheken der Diözese Rottenburg-Stuttgart / bearb. von Heribert Hummel und Thomas Wilhelmi unter Mitw. von Gerd Brinkhus und Ewa Dubowik-Belka. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1993. - 341 S. ; 25 cm. - (Inkunabeln in Baden-Württemberg ; 1). - ISBN 3-447-03402-5 : DM 98.00
[1849]

1 Vorbemerkung ; Beigaben

Bei der weiter unten abgedruckten Besprechung des Paderborner Inkunabelkatalogs wird darauf hingewiesen, daß im Gegensatz zum Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW), der weiterhin nur sehr langsam voranschreitet, in aller Welt immer mehr lokale und regionale Inkunabelkataloge erscheinen, für deren Beurteilung das an besagter Stelle aus einer früheren Rezension Zitierte gilt. Der vorliegende Inkunabelkatalog, mit dem eine von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg geförderte neue Reihe von Bestandskatalogen in Baden-Württemberg eröffnet wird, ist in vielerlei Hinsicht mustergültig. Er hätte zum Beispiel dem gleichzeitig erschienenen Paderborner Inkunabelkatalog (s.u. IFB 97-1/2-043), der ähnlich geartete Bestände umfaßt, ohne weiteres als Vorbild dienen können. Der erste Satz der Einleitung (S. 13) lautet: "Mit dem hier vorgelegten Katalog wird erstmals versucht, alle Inkunabeln zu erfassen und nach heutigen Grundsätzen zu beschreiben, die sich im Besitz kirchlicher Einrichtungen im Raum der Diözese Rottenburg-Stuttgart befinden". In insgesamt 21 der Katholischen Kirche unterstehenden Bibliotheken dieser Diözese konnten Inkunabeln ermittelt und hier beschrieben werden, darunter in 15 der ehemaligen oder noch bestehenden Landkapitelsbibliotheken. Wirklich von Bedeutung für diesen Katalog sind jedoch nur die Bestände des Tübinger Theologenkonvikts, das sich nach seinem großen Wohltäter König Wilhelm I. von Württemberg den Namen Wilhelmsstift zulegen durfte, und der Rottenburger Seminarbibliothek. Von den 617 im Katalog beschriebenen Inkunabeln, zu denen noch 24 Fragmente (Nr. 618 - 641) in oder aus Einbandspiegeln kommen, stammen allein 505 aus diesen beiden Bibliotheken (Rottenburg: 146 Ink., Tübingen: 359 Ink.). Da der Altbestand des Wilhelmsstifts und des Rottenburger Priesterseminars fast ausschließlich aus Säkularisationsgut gebildet wurde, beginnt die Einleitung mit einer präzisen Darstellung der württembergischen Bibliothekspolitik im Zeitalter der Säkularisation (S. 14 - 18). Darauf folgt eine ebenso präzise Geschichte der erfaßten Bibliotheken (S. 19 - 24). Neben den beiden schon erwähnten Bibliotheken sind noch die erst 1916 gegründete Rottenburger Diözesanbibliothek mit 27 Inkunabeln und das Katholische Bibelwerk e.V. in Stuttgart mit 10 Inkunabeln (darunter allein 8 Bibeln) zu nennen. Auf die Einleitung folgt die Schilderung der Anlage des Katalogs durch Thomas Wilhelmi, den endgültigen Bearbeiter der Druckfassung des Katalogs. Sie läßt nichts zu wünschen übrig, ebensowenig wie das anschließende Literaturverzeichnis, das nur die abgekürzt zitierte Literatur enthält, wobei man verschmerzen kann, daß der italienische Gesamtkatalog IGI[1] hier weggelassen wurde, weil er - wie S. 32 erklärt wird - nur ganz selten zitiert wurde.

2 Anlage

Der eigentliche Katalog ist nach dem Alphabet der Verfasser und Sachtitel angelegt. Er folgt in der Ansetzung der Namen, Titel und Drucker den bewährten Mustern und dabei vor allem dem Freiburger Inkunabelkatalog von Vera Sack.[2] Abweichend von den meisten Katalogen einschließlich GW haben die Bearbeiter die Drucke unter den Namen gelassen, die in den Drucken selbst als Verfasser angegeben sind, auch wenn die moderne Forschung sie anderen Verfassern zuweist. In einigen Fällen haben sie diesen alten Namen ein Pseudo- hinzugefügt, um den Zweifel anzudeuten. Selbstverständlich wird von den neuermittelten Verfassernamen verwiesen. Diese Praxis ist sehr löblich, da die Verbreitung und Rezeption der betreffenden Schriften im ausgehenden Mittelalter ja unter den in den Drucken angegebenen Namen erfolgte. Der Johannes Gritsch, der in den Drucken als Verfasser eines Quadragesimale (hier Nr. 271 - 273) angegeben ist, wurde vom GW inzwischen (s. GW 11538 - 11561) gegen seinen Bruder (?) Conrad Gritsch vertauscht. Die Bayerische Staatsbibliothek hat sich sogar für die Namensform Grütsch, Conradus entschieden. In diesem Fall fehlen im vorliegenden Katalog die Verweisungen. Auffällig ist, daß Guilelmus Duranti im Gegensatz zu allen anderen zitierten Katalogen (von GW bis Sack) unter Durantis aufgeführt ist. Bei der Ansetzung der Namen italienischer Autoren wird eine gewisse Unsicherheit spürbar, gepaart mit Inkonsequenz. Obwohl alle Schriften dieser Autoren, um die es hier geht, im Original Lateinisch sind, werden ihre Namen mal in lateinischer Fassung (z.B. Ficinus, Philelphus, Vegius, etc.) mal in italienischer (z.B. Bruni, Poggio Bracciolini, Pico della Mirandola, etc.) aufgeführt und zwar immer ohne Verweisung von der anderen Fassung (Filelfo - Philelphus). Bei Robertus Caracciolus, den auch die Italiener nur so ansetzen (s. IGI 2447 - 2507), wurde statt der korrekten italienischen Version Caracciolo, Roberto die nirgendwo gebräuchliche Form Caraccioli, Roberto (Nr. 185 - 188) gewählt.

3 Anmerkungen zu einzelnen Drucken

Nr.155

Trotz aller Autoritäten (GW 4652; BMC I, 77; BSB-Ink B-654) handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit nicht um einen Straßburger, sondern um einen Reutlinger Druck Michael Greyffs, der 'um 1475' anzusetzen ist und somit zu seinen frühesten Drucken gehören dürfte. Diese Ausgabe ist zum überwiegenden Teil auf Reutlinger Papier gedruckt, das in Straßburg nicht verwendet wurde.

Nr.181

Von diesem Nürnberger Deutschordensbrevier wurde dem GW erst nachträglich ein offensichtlich nicht ganz vollständiges Exemplar im Wiener Schottenstift bekannt, das erst als Ergänzung (GW 5234/10) zu Band 5 beschrieben werden konnte. Das Exemplar des Wilhelmsstifts scheint absolut vollständig zu sein. Es weicht auch in der Kollation von Kalendarium und Psalterium von der Beschreibung des GW ab. Hier wäre eine ausführliche Beschreibung aller Abweichungen und Zusätze angebracht gewesen. Auf Tafel VI wird zwar eine Seite (welche?) aus diesem Brevier abgebildet, aber nicht die, die im GW nicht beschrieben werden konnte (nämlich Anfang des Psalterium).

Nr. 215

Wie Nr. 172 und das Fragment Nr. 620 ist dieses Directorium Constantiense einer der wenigen Drucke des in Konstanz ansässigen 'Druckers des Remigius'. Im Druckerregister ist folglich der Eintrag unter 'Schweiz: Drucker der Diözese Konstanz' zu tilgen.

Nr. 217

Der Titel muß lauten Diurnale Moguntinum.

Nr. 381

Diese Leipziger Inkunabel steckt mit einer weiteren Inkunabel (Nr. 203) in einem Sammelband des 16. Jahrhunderts, dessen Inhalt mit bibliographischen Nachweisen kurz aufgeführt ist. Bei zwei Drucken war kein bibliographischer Nachweis möglich. Der zweite (Nr. 7 des Sammelbandes), ein Nördlinger Türkendruck von 1542 ist verzeichnet bei Göllner.[3] Nr. 526

Dieser Druck wird hier einem venezianischen Drucker 'um 1499' zugewiesen. Der zweite bibliographische Nachweis (neben Copinger 4800) 'Polain 9633' existiert überhaupt nicht. Es handelt sich offensichtlich um einen Druck von 1513/1514 aus Perugia (s. dazu IGI Bd. 4, S. 303). Der Sammelband, in dem dieser Druck steckt, enthält außer einer echten Inkunabel (Nr. 25) nur Drucke des 16. Jahrhunderts zwischen 1513 und 1535. Bei einem römischen Druck von 1521 (Nr. 7 des Sammelbandes) wird die Weimarer Luther-Ausgabe als bibliographischer Nachweis angegeben. Hier hätten italienische Fachbibliographien (Ascarelli, Barberi) zitiert werden können. Der aus Frankreich stammende römische Drucker heißt übrigens Guilleretus (franz. Guillery) und nicht 'Guilleren'. Nach den Regeln des vorliegenden Katalogs (s. S. 32), die in diesem Punkt denen des Freiburger Katalogs von Vera Sack entsprechen, hätte die Nr. 526 als (525a) der Nr. 525 folgen sollen. So wurde ansonsten bei den Drucken verfahren, "die in älteren Katalogen und Verzeichnissen (z.B. Hain) als Inkunabeln beschrieben wurden, nach heutiger Erkenntnis aber nicht mehr als Inkunabeln gelten können" (S. 32). Siehe Nr. (146a, 184a, 219a, 40la, 414a, 491a, 530a).

4 Inhaltliche Zusammensetzung der Bestände

Da es sich ausnahmslos um die Bestände kirchlicher Bibliotheken handelt, begegnen wir vorwiegend theologischer und kirchenrechtlicher Literatur. Klassikerausgaben und Schriften humanistischer Autoren sind dünn gesät. Fast aus dem Rahmen fällt in der Bibliothek des Wilhelmsstifts die italienische Übersetzung von De re militari des Roberto Valturio (Nr. 600). Unter den mindestens 15 deutschsprachigen Drucken sind einige von großer Seltenheit. Auf die Rara und Unica unter den im Katalog beschriebenen Inkunabeln wird am Ende der Einleitung (S. 28 - 29) eigens hingewiesen. Das gilt auch für die undatierten Drucke, die durch hier beschriebene Exemplare mit datierten Rubrikatorenvermerken zeitlich besser eingegrenzt werden können (S.29).

5 Konkordanzen

Nun zu den Konkordanzen und Registern des Katalogs, denen die gleiche Sorgfalt zuteil wurde wie schon der Beschreibung der individuellen Merkmale der Drucke im Katalog selbst (vgl. die Erläuterungen dazu auf S. 32 - 34). Obwohl die insgesamt 10 Konkordanzen ganz am Schluß des Bandes stehen, zuerst ein Wort zu ihnen.[4]

Zunächst gibt es die üblichen Konkordanzen zu GW, Hain, Copinger, Reichling und Goff. Etwas ungewöhnlich ist die Konkordanz zum Freiburger Inkunabelkatalog von Sack, die jedoch zeigt, in welch hohem Maße dieser Katalog den Bearbeitern des vorliegenden Katalogs als Vorbild gedient hat. Unerwartet aber nützlich ist die nur 9 Nummern umfassende Zusammenstellung der in dem einst von der GW-Kommission herausgegebenen Verzeichnis der Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts (Halle a.S., 1914) beschriebenen Einblattdrucke. Hier hätten vielleicht die noch wichtigeren Einblattdrucke in irgendeiner Form angehängt werden sollen, die bisher nirgendwo beschrieben waren (s. Nr. 33, 562, 563), die aber im Tafelteil ganz oder im Ausschnitt abgebildet wurden (s. Taf. I, VII und VIII). Während in angelsächsischen Inkunabelkatalogen auf die einzigartige Sammlung der British Library in London fast ausschließlich durch Proctor-Konkordanzen hingewiesen wird, die den Vorzug einer eindeutigen numerischen Zitierbarkeit haben und gleichzeitig die Bestände der Bodleian Library in Oxford mit einschließen, haben sich die Bearbeiter des vorliegenden Katalogs entschieden, den großen Inkunabelkatalog der British Library (BMC) für eine Konkordanz zu benutzen. Das führte zu sehr unbefriedigenden und nicht eindeutigen Ergebnissen, da die eigentlichen Signaturen, durch die ein BMC-Zitat erst eindeutig wird, weggelassen wurden. In den großformatigen Bänden des BMC sind immer mehrere Inkunabeln auf einer Seite beschrieben, so daß allein die Seitenzahlen für eine Konkordanz nicht ausreichen. Deshalb verzichten die Angelsachsen auf solche Konkordanzen. Den bibliographischen Konkordanzen voraus geht die Signaturenkonkordanz nach Bibliotheken, die nach dem Ortsalphabet der Bibliotheksstandorte angelegt ist und die z.B. auf Anhieb zeigt, in welcher Bibliothek heute Inkunabeln aus einer bestimmten Kapitelsbibliothek als Dauerleihgabe aufbewahrt werden. Die Einbände des 15. und 16. Jahrhunderts betreffende Konkordanz zu Kyriss und Haebler steht unmittelbar nach dem Einbandregister und wird mit diesem zusammen betrachtet werden.

6 Register

6.1 Hauptregister

Damit sind wir bei den vier Registern. Zunächst wundert man sich etwas über die Beschaffenheit des Hauptregisters, in dem neben zusätzlichen Namen und Sachbegriffen nochmals alle Personennamen und Orte aus den drei folgenden Registern aufgeführt sind, was natürlich dazu führt, daß dieses Register am umfangreichsten ist (S. 271 - 286). Bei genauerem Zusehen entdeckt man dann aber auch die Vorzüge eines solchen Registers, die darin liegen, daß vor allem unter den Ortsnamen aber auch bei bestimmten Personen verschiedenartige Dinge zusammengebracht werden (wie z.B. Buchbinder und Provenienzen, Drucker und Buchbinder), die sonst getrennt wären. Zu beachten ist lediglich, daß bestimmte Sachbegriffe nur im Hauptregister vorkommen. Dazu gehören Exlibris, die unter Bucheignerzeichen (mit Verweisung vom Provenienzen- aufs Hauptregister) zusammengestellt sind, oder beigebundene Handschriften und Handschriftenfragmente - während Druckfragmente ja im Katalog selbst (= Nr. 618 - 641) erfaßt sind - sowie Rubrikatoren und Rubrikatorenvermerke (ohne Verweisung im Provenienzenregister). Kaufvermerke wurden leider nicht im Register erfaßt.

6.2 Druckerregister; vertretene Druckorte

Das nach dem Alphabet der Druckorte angelegte knappe Register der Drucker und Verleger führt diese ebenfalls alphabetisch bei ihren jeweiligen Orten auf. Oben wurde schon darauf hingewiesen, daß der Eintrag Schweiz: Drucker der Diözese Konstanz ganz zu tilgen und die Nr. 215 beim Eintrag Süddeutschland (Konstanz?) nachzutragen ist. Außerdem hätte zumindest von Konstanz, das ganz fehlt, auf Süddeutschland (Konstanz?) verwiesen werden sollen.

Die Betrachtung des Druckerregisters gibt Anlaß, auch einen Blick auf die geographisch-typographische Zusammensetzung dieser ausschließlich aus süddeutschen Provenienzen gespeisten Sammlungen zu werfen. Einschließlich Konstanz sind hier 40 Druckorte vertreten, von denen aber einer (= Krakau) nur mit einem Druck (Nr. 401a) des frühen 16. Jahrhunderts präsent ist. Etwas mehr als die Hälfte dieser Druckorte liegt in Süddeutschland. Die meisten Drucke stammen aus Straßburg gefolgt von Basel, Augsburg und Nürnberg. Aber auch Reutlingen, Speyer und Ulm sind gut repräsentiert. Außerhalb des süddeutschen Raums liegen von den deutschen Druckorten nur Köln (24 Drucke) und Leipzig (4 Drucke) sowie die beiden ephemeren Klosterdruckereien in Marienthal und Zinna, von denen je ein Druck (Nr. 217 und 474) im Tübinger Wilhelmsstift vorhanden ist. Aus dem nordwestlichen Teil Mitteleuropas kommen dann nur noch zwei Drucke aus Löwen. Auch Frankreich ist mit 8 Lyoner Drucken und nur je einem Druck aus Paris, Toulouse und Vienne[5] ausgesprochen kümmerlich vertreten. Italien stellt die restlichen 9 Druckorte, aus denen mit Ausnahme von Venedig jeweils nur ein Druck (und bei Turin zwei) stammt. Venedig steuert mit etwa 60 Drucken nicht einmal halb soviel Ausgaben bei wie Straßburg.

6.3 Provenienzenregister

Wie immer bei lokalen und regionalen Inkunabelkatalogen erweist sich die Qualität des betreffenden Katalogs an der Erfassung und Bestimmung der Provenienzen und Einbände sowie ihrer Erschließung durch entsprechende Register. In dieser Hinsicht ist der vorliegende Katalog mustergültig. Zunächst zum Provenienzenregister, das sich vom erwähnten Hauptregister vor allem dadurch unterscheidet, daß nach Möglichkeit bei den einzelnen Einträgen zusätzliche biographische oder historische Informationen zu den Personen und Institutionen gegeben werden. Für denjenigen, der mit der älteren Bibliotheksgeschichte des deutschen Südwestens nicht so vertraut ist, stecken in diesem Register auf engstem Raum zahlreiche wertvolle Informationen und bibliographische Hinweise. Auch bei vielen individuellen Vorbesitzern ist es den Bearbeitern gelungen, etwas über deren Leben bzw. beruflichen Werdegang in Erfahrung zu bringen. Wer jemals selbst mit solchen Ermittlungen befaßt war, weiß, wie zeitraubend und mühsam Recherchen nach Vorbesitzern des ausgehenden Mittelalters sein können, die eben nicht immer in der gewünschten Form in Universitätsmatrikeln oder in Annatenregistern und Investiturprotokollen der Geistlichkeit auftauchen.

Bevor wir auf einige Einträge im einzelnen eingehen, die generelle Bemerkung, daß die meisten hier vertretenen Provenienzen auch in den beiden größten württembergischen Inkunabelsammlungen in Stuttgart (WLB) und Tübingen (UB) vorkommen, was damit zusammenhängt, daß vor allem die beiden größeren Sammlungen in Rottenburg (Seminarbibliothek) und Tübingen (Wilhelmsstift) aus demselben Säkularisationsgut gespeist wurden wie die Stuttgarter Landesbibliothek und - in wesentlich geringerem Umfang - die Tübinger Universitätsbibliothek. Im übrigen fanden zwischen den beiden Tübinger Bibliotheken und der Stuttgarter Bibliothek mehrfach Tauschaktionen statt. Die Vertrautheit mit den meisten Provenienzen durch den Stuttgarter Bestand erleichterte dem Rezensenten natürlich die Überprüfung und Beurteilung des vorliegenden Provenienzenregisters. Zu folgenden Einträgen ist etwas anzumerken:

Farner, Benedikt

Mit dieser Provenienz ist eine lange und verzwickte Geschichte verknüpft, die den Bearbeitern ebenso verborgen blieb wie die vielfältige Literatur, die es dazu seit langem gibt. Über Farners Exlibrisstempel, der übrigens in mindestens zwei Fassungen vorliegt, und sein handschriftliches Monogramm: :B. f. P: (= Benedictus Farner praepositus) ist viel gerätselt worden. Nach einem der Stuttgarter Exemplare wurden sie bereits 1913 von Wilhelm Ludwig Schreiber beschrieben und erstmals abgebildet.[6] Später hat Schreiber das in Holz geschnittene Exlibris als 'Unbekanntes Bücherzeichen' auch in sein Handbuch aufgenommen.[7] Beide Literaturstellen blieben den Exlibrisforschern offensichtlich unbekannt. Durch eine 1959 in eine amerikanische Bibliothek gelangte Inkunabel mit diesem Exlibrisstempel wurde dieses Exlibris in die eigentliche Exlibris-Literatur eingeführt, wo es durch einige Mißverständnisse zum ältesten französischen Exlibris avancierte. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Der Rezensent, der seit vielen Jahren - ausgehend von den Stuttgarter Exemplaren dieses Exlibris - das Material über diese Geschichte gesammelt hat, wird zu gegebener Zeit ausführlich über die Irrungen und Wirrungen im Zusammenhang mit diesem Bücherzeichen berichten.

Galter a Verma

Bei diesem von den Bearbeitern überhaupt nicht identifizierten Vorbesitzer einer Inkunabel (in Bd. 2 von Nr. 29), die später in den Besitz Benedikt Farners überging, handelt es sich um den Niederländer Walter van Werve, der in Paris studiert hatte und Anfang 1480 nach Tübingen kam, wo er Professor der Theologie wurde.[8]

Nicolaus Colonus

Dieser ist sicher identisch mit Nicolaus Mayer, der sich im selben Band (Nr. 107) 1599 ein zweitesmal mit seiner deutschen Namensform eintrug. Colonus dürfte der Versuch einer lateinischen Übersetzung des Namens Mayer sein.

Schneph, Johannes

Die normalisierte Form lautet Schnepf oder Schnepff.

6.4 Einbandregister

Schon aus der Einleitung (S. 25 - 28) geht hervor, daß sich die Bearbeiter - und da vor allem Heribert Hummel - mit der Bestimmung der Einbände des 15./16. Jahrhunderts größte Mühe gegeben haben, was sich auch im Register der Buchbinder und Einbandgruppen und der sich anschließenden Konkordanz zu Kyriss und Haebler widerspiegelt. Bevor ich auf einige Einzelheiten eingehe, muß etwas klargestellt werden. In zwei Fußnoten der Einleitung (S. 23, Anm. 17 und S. 27, Anm. 28) ist vom 'Nachlaß' des Einbandforschers Ernst Kyriss die Rede, der in der Württembergischen Landesbibliothek liege, aber "noch nicht zugänglich" sei. In der zweiten Anmerkung (Anm. 28) heißt es noch expliziter: "Der Nachlaß ... ist, weil noch ungeordnet, der Forschung nicht zugänglich". Dazu ist folgendes zu sagen: Die Württembergische Landesbibliothek besitzt nicht den 'Nachlaß' von Ernst Kyriss, sondern nur seine einbandkundliche Handbibliothek, die in die "Handbibliothek Buchgeschichte" der WLB eingegliedert und dort frei zugänglich ist, sowie seine Einbanddurchreibungen. Diese sind lose in über 350 Mappen untergebracht, die von Kyriss selbst nach dem Alphabet der Durchreibeorte angeordnet und von ihm Ort für Ort bzw. Bibliothek für Bibliothek durchnumeriert wurden. Auch dieses wohlgeordnete, aber schwierig zu benutzende Material ist der Forschung zugänglich. Allerdings können die Mappen nur im Sonderlesesaal für alte und wertvolle Drucke unter Aufsicht benutzt werden, was eigentlich selbstverständlich ist. Nun einige Bemerkungen direkt zum Einbandregister.

Während einige von Kyriss[9] noch nicht lokalisierte Werkstätten hier aufgrund neuer Erkenntnisse in der Literatur zumindest versuchsweise bestimmten Orten zugewiesen wurden (siehe S. 27 und 305), gibt es im Register immer noch eine Liste 'nicht lokalisierter' Buchbinderwerkstätten. Davon können zwei gestrichen werden. Die von Kyriss (Nr. 160) als Werkstatt 'M mit Krone I' charakterisierte Buchbinderei war in Mainz beheimatet, wie man seit 1971 durch die Forschungen von Vera Sack weiß. Bei der Werkstatt 'Sternblume' (= Kyriss Nr. 171) nimmt der Rezensent an, daß sie im Kloster Weingarten saß, während die von Kyriss (Nr. 34) als Weingartner Klosterbuchbinderei betrachtete Werkstatt höchstwahrscheinlich in Konstanz ansässig war. Eine von Kyriss (Nr. 143) nicht lokalisierte Werkstatt wird hier (S. 27 und 307) als Ulmer Werkstatt vorgeführt. Diese Werkstatt war jedoch mit ziemlicher Sicherheit in Tübingen tätig. Dafür spricht übrigens auch die sehr frühe Tübinger Provenienz des betreffenden Bandes (Nr. 29), die oben schon erwähnt wurde.

7 Abbildungen

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß dieser Katalog mit 32 Abbildungen auf 16 Tafeln versehen ist, die - mit Ausnahme von Taf. VI (s.o.) - mit großer Umsicht ausgewählt wurden. Besonders anzuerkennen ist, daß einige ältere Besitzvermerke (Abb. l6 - 24) und Bibliotheksstempel (Abb. 25 - 32) im Bild vorgeführt werden.

Dieser Band, dessen Qualität für die weiteren Bände der Reihe einen hohen Maßstab setzt, sollte in keiner größeren Bibliothek fehlen und schon gar nicht in einer Bibliothek mit Inkunabelbesitz.

Peter Amelung


[1]
Indice generale degli incunaboli delle biblioteche d'Italia. - Roma. - Vol. 1 (1943) - 6 (1981). Zwei Druckfehler im Literaturverzeichnis seien hier korrigiert. Die Abkürzung Moraeu, Inventaire muß natürlich lauten Moreau, Inventaire. - Im Untertitel von Proctor's Index (Abkürzung Pr) erscheint hier die Bodleian Library als Bodeleian Library.
Bei dieser Gelegenheit möchte der Rezensent auf einige weitere Druck- und Flüchtigkeitsfehler aufmerksam machen, die ihm bei der Durchsicht des Bandes auf Anhieb auffielen: S. 15, Anm. 6: Radspieler nicht Ratspieler; im Literaturverzeichnis (S. 42) erscheint der Name korrekt. - Auf S. 17 wird der Oberbibliotheksrat Schott erwähnt, der in der Königlich-Öffentlichen Bibliothek in Stuttgart die Übernahme des säkularisierten Bibliotheksguts abzuwickeln hatte. Johann Gottlieb Schott (1751 - 1813) führte als Leiter der Bibliothek den Titel Oberbibliothekar. Die moderne Amtsbezeichnung Oberbibliotheksrat gab es damals noch nicht. - In den Registern ist folgendes zu verbessern: Im Eintrag Heilbronn (S. 292) steht ein unvollständiger Satz: "Die zu Unrecht als unbedeutende Bibliothek blieb ..." Es sollte wohl heißen: "Die zu Unrecht als unbedeutend eingestufte Bibliothek ...". - Auf derselben Seite muß es im Eintrag Herrenberg Propstes statt Probstes lauten. - Der im Eintrag Bebenhausen (S. 305) zitierte Autor Schreiner heißt mit Vornamen Klaus statt Kalus. (zurück)
[2]
Die Inkunabeln der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung / beschrieben von Vera Sack. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1985. - 1 - 3. - (Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau ; 2) (zurück)
[3]
Turcica : die europäischen Türkendrucke des XVI. Jahrhunderts / Carl Göllner. - Bucuresti ; Berlin. - Bd. l (1961), Nr. 773. (zurück)
[4]
Zwei Konkordanzen (Konkordanz zu Kyriss und Haebler sowie Signaturenkonkordanz nach Bibliotheken) sind im Inhaltsverzeichnis (S. 7) wohl aus Versehen bei den Registern aufgeführt. (zurück)
[5]
Im Druckerregister steht der betreffende Druck noch unter Wien, während bei den Corrigenda (S. 12) wenigstens der Druckort in der Druckbeschreibung (Nr. 386) zu Vienne korrigiert wird. (zurück)
[6]
Formschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in der Königlichen Landesbibliothek und Königlichen Hofbibliothek zu Stuttgart / W. L. Schreiber. - Strassburg, 1913 (Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts ; 39), S. 10, Nr. 11 und Abb. 11. (zurück)
[7]
Handbuch der Holz- und Metallschnitte des XV. Jahrhunderts / W. L. Schreiber. - Leipzig, 1927, - Bd. 4, S. 150, Nr. 2040a. (zurück)
[8]
Die Studenten der Universität Tübingen zwischen 1477 und 1534 / Werner Kuhn. - Göppingen, 1971. - 1 - 2. - (Göppinger akademische Beiträge ; 37/38), Bd. 2, S. 544, Nr. 3722. (zurück)
[9]
Verzierte gotische Einbände im alten deutschen Sprachgebiet / Ernst Kyriss. - Stuttgart, 1951 - 1958. - Textband und 3 Tafelbände. (zurück)

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