Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 4
[ Bestand in K10plus ]
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Geschichte der russischen Literatur


96-4-555
Geschichte der russischen Literatur / Adolf Stender-Petersen. [Ins Deutsche übertragen von Wilhelm Krämer]. - 5. Aufl. - München : Beck, 1993. - XIV, 623 S. ; 23 cm. - EST: Den russiske litteraturs historie <dt.> - 1. Aufl. der dt. Übers. in 2 Bd., 1957; 2., durchges. Aufl. in 1 Bd., 1974. - ISBN 3-406-31557-7 : DM 68.00
[3703]

Adolf Stender-Petersens (1893 - 1963) aus dem Dänischen übersetzte Literaturgeschichte von 1957 ist die umfangreichste und - wie wiederholte Auflagen zeigen - wohl bekannteste in Deutschland. Der erste Band behandelt die "altrussische" und die "moskowitische" Zeit, die ihn besonders interessierten, sowie den Klassizismus. Auch im zweiten Band mit dem Schwerpunkt im 19. Jahrhundert ist die Rückführung der literarischen Entwicklung auf die politisch-soziologische Geschichte typisch für den Autor. Trotz des umfassenden Titels schließt er die Literatur seiner Gegenwart aus und geht über den Symbolismus nicht hinaus. In dem 35 Jahre nach dem großen Umbruch von 1917 erschienenen Original und in den von ihm überarbeiteten späteren Übersetzungen erklärt er dies trotz der zahlreichen Literaturgeschichten der Gegenwart mit der verwundernden Behauptung: "Ihre Geschichte ist noch nicht geschrieben". Die Anlage des Ganzen ist nicht übersichtlich, der Umfang, der den einzelnen Autoren zugemessen ist, könnte ausgewogener sein. So hat Leskow mit fünf Seiten kein eigenes Kapitel, wohl aber Nekrassow mit zwölf, wird Tschechow nur unter den "großen Novellisten" geführt, dort aber auch mit seinen Dramen. Stender-Petersens Beziehung zu Dostojewski ist so gering, daß er ihn "einen der verfänglichsten Ironiker der Weltliteratur" nennt, er ihm christliche Überzeugung abspricht und als Beweis Äußerungen der Teufelsfigur aus den Brüdern Karamasow anführt. Seine großen Romane werden nicht jeweils für sich betrachtet. Zu diesem Mangel an metaphysischem Verständnis gehört es, daß Stender-Petersen insgesamt das Verstandesmäßige beim künstlerischen Schaffen erheblich zu stark unterstellt und in verwandten Elementen der Werke mehrerer Autoren gern Einflüsse und bewußte Entlehnungen sieht. Weitgehend überholt sind die Literaturhinweise, unumgänglich ist das Namenregister.
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