Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 4
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Bildlexikon der Architektur


96-4-458
Bildlexikon der Architektur / Francis D. K. Ching. Aus dem Engl. von Herbert Allgeier. - Frankfurt [u.a.] : Campus-Verlag, 1996. - 319 S. : überw. Ill. ; 31 cm. - Einheitssacht.: A visual dictionary of architecture <dt.>. - ISBN 3-593-35579-5 : DM 128.00, DM 98.00 (Subskr.-Pr. bis 31.12.1996)
[3616]
96-4-459
Der grosse Bildatlas der Architektur / Red. der deutschen Ausg.: Dieter Struss. - [Gütersloh] : Bertelsmann-Lexikon-Verlag, 1994. - 408 S. : zahlr. Ill. ; 37 cm. - [Der große Bildatlas der Architektur ist die deutsche Ausg. von: The world history of architecture, 1984, die ihrerseits beruht auf: Le grand atlas de l'architecture mondiale, 1981, die wiederum abgeleitet ist von: Great architecture of the world, 1975]. - ISBN 3-570-10570-9 : DM 99.00
[2610]

Hinter diesen Titeln verbergen sich zwei "Bilderbücher", die die Architektur auf unterschiedliche Weise darstellen. Das Bildlexikon bringt eine "Bildlich-zeichnerische, vor allem klare, wirkungsvolle und leicht verständliche Darstellung"[1] von Begriffen und Sachverhalten der Architektur mit beigefügten kurzen Texten. Ca. 7000 Begriffe werden in 69 alphabetisch geordneten Sachgruppen erklärt. Innerhalb jeder Sachgruppe wird zunächst der Oberbegriff definiert, die zugehörigen Unterbegriffe und Sachverhalte werden anschaulich im Zusammenhang dargestellt. Das Seitenlayout folgt keinem strengen Schema. Manchmal überlagern sich die Zeichnungen ohne jedoch unübersichtlich zu werden. Das sieht leicht und mühelos aus, locker skizziert wie die Reiseskizzen von Architekten,[2] jedoch schlicht und auf das Wesentliche beschränkt, wo es geboten ist, z.B. bei konstruktiven Zusammenhängen. Dennoch ist alles "eine Handschrift" und es wird deutlich, wieviel lebendiger doch solche Zeichnungen sind als das perfekte CAD. Die Phantasie des Verfassers Francis Ching muß erwähnt werden, mit der er architektonische Gestaltungsbegriffe wie Nähe (S. 108) oder Richtung (S. 109) bildlich darstellt, und manches, auf den ersten Blick Merkwürdige, hat durchaus seinen Sinn.[3] Die Verbindungen zu den textlichen Erläuterungen erfolgen durch Linien und Pfeile. Den amerikanischen Ursprung des Buches bemerkt man an den Maßeinheiten und Richtlinien. Ein redaktioneller Vermerk besagt, daß man - wo immer möglich - amerikanische Normen durch DIN-Normen ersetzt hat. Bei den ca. 7000 Begriffen fallen aber die bei nur etwa 20 Begriffen genannten deutschen Normen nicht ins Gewicht. Auf der Suche nach Normen würde allerdings auch niemand dieses Buch benutzen, so daß man sie ohne Qualitätsverlust getrost hätte weglassen und das amerikanische Original bei allen übernehmen können. Evtl. hätte man für die deutschen Begriffe das DIN-Glossar[4] zugrunde legen oder in das Register, das zum schnellen Auffinden alle vorkommenden Begriffe alphabetisch aufführt, eine Konkordanz einarbeiten können. Für den praktischen Entwurf oder in der Ausbildung wird man aber wohl auf die bewährte BEL[5] oder ähnliche Standardwerke zurückgreifen, oder im Alltagsgeschäft bei der Ermittlung der Bauleistungen die VOB im Bild[6] konsultieren, da diese weitaus ausführlicher sind als Ching und generell von den bei uns geltenden Normen und Richtlinien ausgehen. Das sind jedoch keine Negativa, die man Chings Werk anlasten könnte, da dieses sich ja an einen anderen Benutzerkreis wendet. Für die Texte wurde eine moderne serifenlose Schrift gewählt, die Zeichnungen sind konsequent in Grautönen ausgeführt, es gibt keine farbigen Abbildungen. Dazu bildet der Einband in grauem Leinen mit bordeauxroter Schrift und dem Vorsatz im selben Rot den sehr gelungenen Rahmen.

In dem Bildatlas wird die Geschichte der Architektur in einzelnen Regionen und Kulturbereichen beschrieben. Nach einer kurzen Einleitung, in der es um das Wesen eines Bauwerks geht, beginnt der Hauptteil mit dem Abschnitt Außereuropäische Zivilisationen. Die Architektur der asiatischen Länder, Schwarzafrikas, des präkolumbianischen Amerika und Ozeaniens nehmen etwa ein Viertel des Bandes ein. Unter der Überschrift Das Altertum werden auch der Nahe Osten und Ägypten einbezogen, dann folgt die europäische Architektur als Schwerpunkt. Hier sind die weiteren Abschnitte chronologisch geordnet, u.a. erscheint unter Mittelalter ein Exkurs über die Architektur des Islam. Die nordamerikanische Architektur wird weniger ausführlich behandelt, sie erscheint nur am Rande als Stimme Amerikas, die Einfluß auf den europäischen Baustil ausübt. Für die meisten Gebiete ist jeweils eine Landkarte vorangestellt, auf der die für die Architektur bedeutsamen Einflüsse oder Standorte verzeichnet sind. Zu jedem Land gibt es einen kurzen Abriß der Architekturgeschichte, 2 bis 4 Unterkapitel werden den typischen Erscheinungen oder einem Gebäude gewidmet, so z.B. für Japan dem Shinto-Schrein aber auch dem japanischen Wohnhaus, das schon vor 100 Jahren die westliche Architektur beeinflußte. Eine sachlich geordnete Bibliographie nennt über 250 Monographien, davon knapp 30 Titel in französischer Sprache, 5 japanische und nur einen deutschen,[7] alle übrigen Titel sind englischsprachig. Wer den Wunsch hat, von diesem Buch ausgehend die Materie zu vertiefen und auf deutschsprachige Literaturhinweise hofft, wird daher enttäuscht sein: da es sich bei dieser Bibliographie offensichtlich um empfehlende Literaturhinweise und nicht um den Nachweis benutzter Veröffentlichungen handelt, hätte man vom Verlag der deutschen Ausgabe billigerweise erwarten können, daß er deutschsprachige Literaturhinweise hinzufügt. Da der Band auch deutsche Architekten und die Architektur in Deutschland behandelt, wäre zumindest hier die Nennung deutschsprachiger Titel zwingend gewesen. Daß auf die Verbesserung der Bibliographie seit langem keine Mühe mehr aufgewendet wurde, kann man auch daran ablesen, daß der neueste Titel aus dem Jahr 1983 stammt, die meisten erschienen sogar bereits in den 70er Jahren. Den Abschluß bilden Register und Glossar in einem gemeinsamen Alphabet. Definiert werden Fachausdrücke, nicht Begriffe, deren Kenntnis vorausgesetzt werden kann (Kirche, Theater) oder sehr seltene Begriffe, die im Text bereits erklärt wurden. Unter dem Stichwort Bibliothek findet man immerhin deren acht.[8] Bauwerke sind meistens unter den Orten aufgeführt in der Reihenfolge ihrer Nennung im Text, bei Architekten und Künstlern sind ihre Lebensdaten hinzugefügt. Zahlreiche Photos, Grundrißzeichnungen und perspektivische Darstellungen, überwiegend farbig, illustrieren den Text. Merkwürdigerweise weisen einzelne Kapitel unterschiedliche Schriftarten, Schriftgrößen (große serifenlose Type und kleine Antiqua) und Zeilenabstände auf, so als ob sie im Nachhinein eingefügt worden seien. Schaut man auf das Impressum, und sieht, wieviel Ausgaben dieser deutschsprachigen zugrunde liegen (3) und wieviel Verlage mit Copyright beteiligt waren (5), könnte das die Erklärung sein.[9]

Zielgruppe des Bildlexikons sind Architekten, Architekturstudenten und interessierte Laien, die diesen Band nicht nur als Nachschlagewerk nutzen, sondern darin auch gerne lesen und dabei die Zeichnungen betrachten und über den Einfallsreichtum des Verfassers staunen werden. Der Bildatlas ist dagegen eher ein Buch für die breite Öffentlichkeit, für denjenigen der sich einen visuellen Überblick über die Architekturgeschichte verschaffen möchte. Mit dem viele Menschen ansprechenden Thema Weltarchitektur, dem Großformat und dem gut gestalteten Umschlag (weißgrundig mit grauer Schrift, Schwarzweißabbildung eines römischen Palazzo, Untertitel rot unterlegt) eignete sich das Buch vorzüglich als repräsentatives Geschenk, das uneinheitliche Textbild läßt jedoch eher an eine preiswerte Sonderausgabe denken.[10]

Angelika Weber


[1]
S. 281, Erklärung des Begriffs Grafik. (zurück)
[2]
S. 190, Strohdach, Darstellung eines kleinen strohgedeckten Häuschens, oder S. 228, eine Moschee in ihrer Umgebung. (zurück)
[3]
S. 280 - 281, bei der Illustration der Perspektive werden die betrachtenden Personen in mittelalterlicher Kleidung dargestellt, ein Hinweis darauf, daß man erst im 15. Jahrhundert begann, sich mit der perspektivischen Darstellung zu befassen. (zurück)
[4]
Glossar zur Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) : deutsch-englisch ; mit alphabetischem Register in Englisch = German construction contract procedures (VOB) / Wolfgang Hagemann. Hrsg.: DIN, Deutsches Institut für Normung e.V. - 1. Aufl. - Berlin [u.a.] : Beuth, 1994. - 256 S. - (DIN-Glossar). - ISBN 3-410-13064-0 : DM 68.00. (zurück)
[5]
Bauentwurfslehre : Grundlagen, Normen, Vorschriften über Anlage, Bau, Gestaltung, Raumbedarf, Raumbeziehungen, ... ; Handbuch für den Baufachmann, Bauherrn, Lehrenden und Lernenden / Ernst Neufert. - 34., erw. Aufl. / weitergef. von Peter Neufert und der Planungs-AG Neufert Mittmann Graf Partner. - Braunschweig [u.a.] : Vieweg, 1996. - XIV, 598 S. : Ill., zahlr. graph. Darst., Kt. - ISBN 3-528-68651-0 : DM 188.00. (zurück)
[6]
VOB im Bild : Abrechnung nach der VOB / von der Damerau ; Tauterat. - Köln : Müller [u.a.]. - Hochbau- und Ausbauarbeiten / bearb. und hrsg. von Rainer Franz ; Waldemar Stern. - 14. Aufl. zum VOB-Erg.-Bd. 1996. - 1996. - 311 S. : zahlr. Ill. - ISBN 3-481-01134-2 : DM 168.00. (zurück)
[7]
Der sich ausgerechnet nicht mit deutscher Architektur befaßt: Architektur Kleinasiens von ihren Anfängen bis zum Ende der hethitischen Zeit / R. Naumann. - 1971. (zurück)
[8]
Hadrians Bibliothek in Athen, die Biblioteca Laurenziana in Florenz, die Markus-Bibliothek in Venedig, die Nationalbibliothek in Wien, die Radcliffe Camera (der Lesesaal der Bodleian Library) in Oxford, die Bibliothèque Ste. Geneviève in Paris, die Nationalbibliothek in Athen und die Universitätsbibliothek in Mexiko City. (zurück)
[9]
c1973 International Visual Resource für einige Illustrationen; c1975 Verlag Mitchell Beazley, London, für Great architecture of the world; c1981 Verlag Encyclopaedia Universalis, Paris, für Le grand atlas de l'architecture mondiale; c1984 Verlag Mitchell Beazley, London für eine (ungenannte) englische Ausgabe (möglicherweise der an anderer Stelle genannte World atlas of architecture von 1988) und Übersetzung; c1990 Orbis Verlag für Publizistik, München, für die deutsche Ausgabe; c1994 Bertelsmann Lexikon Verlag. (zurück)
[10]
Wegen seines Faktenreichtums und des günstigen Preises empfiehlt sich - nicht nur für Studenten - weiterhin:
Dtv-Atlas zur Baukunst : Tafeln und Texte / Text: Werner Müller ; Tafeln: Entwurf Gunther Vogel. - Orig.-Ausg. - München : Deutscher Taschenbuch-Verlag. - 18 cm. - (dtv ; ...). - Bd. 1. Allgemeiner Teil, Baugeschichte von Mesopotamien bis Byzanz. - 10. Aufl. - 1994. - 288 S. : Ill., graph. Darst., Kt. - (... ; 3020). - ISBN 3-423-03020-8 : DM 19.90. - Bd. 2. Baugeschichte von der Romanik bis zur Gegenwart. - 9. Aufl. - 1996. - S. 297 - 600 : Ill., graph. Darst., Kt. - (... ; 3021). - 3-423-03021-6 : DM 22.90. (zurück)

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