Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 4
[ Bestand in K10plus ]

Die Zürcher Bibel bis zum Tode Zwinglis (1531)


96-4-440
Die Zürcher Bibel bis zum Tode Zwinglis (1531) : Darstellung und Bibliographie / von Traudel Himmighöfer. - Mainz : Zabern, 1995. - XIV, 500 S. : Ill. ; 25 cm. - (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz ; 154 : Abteilung Religionsgeschichte). - S. 437 - 471 Bibliographie der Bibelausgaben (16. Jahrhundert) in chronologischer Reihenfolge. - Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1992/93. - ISBN 3-8053-1535-X : DM 98.00
[3427]

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Bibel, ihren (Druck-)Ausgaben und volkssprachigen Übersetzungen ist, wenn ich es richtig sehe, mit der Nürnberger Ausstellung zum Luther-Jubiläum[1] 1983 neu belebt worden. Davon künden in den folgenden Jahren zahlreiche weitere Ausstellungen[2] sowie eine Reihe hervorragender Untersuchungen.[3] Die Erforschung der Zürcher Bibel[4] ist hingegen, ungeachtet einiger Veröffentlichungen, als Desiderat anzusehen. Mit der vorliegenden detaillierten und umfassenden Darstellung, eine von Prof. Dr. Gustav Adolf Benrath betreute Dissertation, schließt Traudel Himmighöfer diese Lücke. In mehreren Schritten beschreibt sie die Entwicklung der Zürcher Bibel nach anfänglicher Abhängigkeit von Luthers Übersetzung zu einem eigenständigen Schweizer Bibelwerk. Dabei geht Himmighöfer äußerst umsichtig und kenntnisreich vor. Die Zürcher Editionen, zwischen 1524 und 1531 erschienen, vergleicht sie mit entsprechenden Übersetzungen des Wittenberger Reformators und mit Bibeldrucken aus Basel; Ausgangsbasis ihrer Interpretation ist aber auch das gesamte OEuvre Zwinglis sowie das entsprechende Schrifttum seiner Zeitgenossen. Aufgrund ihrer überwiegend theologisch und philologisch orientierten, teilweise synoptisch angelegten Untersuchung gelingt ihr der überzeugende Nachweis, daß - mehr als bislang angenommen - Huldrych Zwingli als Glossator und Übersetzer der Bibel(teil)ausgaben verantwortlich zeichnet, während Leo Jud die Bibelvorrede von 1531 und die Übersetzung der Apokryphen zuzuschreiben ist. Traudel Himmighöfer hat dank ihrer interdisziplinär ausgerichteten Studie zur Zürcher Bibel Bahnbrechendes geleistet; der Wert ihrer ausgesprochen lesenswerten und fundierten Arbeit liegt jedoch nicht nur in der Beantwortung der theologischen, philologischen, geistes- und kirchengeschichtlichen, sondern auch der buch- und druckgeschichtlichen Fragestellung. Der Zürcher Bibel(teil)edition (als Sedez-, Oktav- oder Folioausgabe) wird jeweils eine kurze Druckbeschreibung (Titel, Kolophon, Seitenangaben, Titelrahmen, Illustrationen) vorangestellt, die dann in die weitgehend auf Autopsie beruhende Bibliographie der Bibelausgaben (16. Jahrhundert) in chronologischer Reihenfolge (S. 437 - 471) einfließt.[5] Vollständigkeit wird dabei, wie Himmighöfer (S. 437, Anm. 1) einräumt, vor allem für die Zürcher Bibeln von 1524 bis 1556 - dem Jahr der Confessio Helvetica Posterior - angestrebt. In Auswahl werden dagegen erfaßt: Wittenberger, Basler, süddeutsche und sächsische Bibelausgaben sowie polyglotte Ausgaben des Erasmus von Rotterdam, nicht hingegen etwa die vorlutherischen Bibeln[6] oder die Ausgaben von Hieronymus Emser, Johannes Eck oder Johann Dietenberger. Die Zusammenstellung Sonstige Bibelausgaben (15. - 20. Jahrhundert) (S. 471) führt lediglich 6 [sic] Titel an. Der bibliographischen Beschreibung folgt, mit Angabe der Bibliothekssignatur, der Besitzernachweis sowie ein Hinweis auf entsprechende Sekundärliteratur. Das Verdienst Himmighöfers, die Bibliographie zur Zürcher Bibel erstellt zu haben, kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden. So sind einige Anmerkungen auch nur marginal zu verstehen: In Göttingen gibt es keine Staatsbibliothek (SB), sondern die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek (NSUB); die Dezemberausgabe Petris (S. 68 - 69) ist offensichtlich nicht als Unikat in München überliefert, wenn die Bibliographie als weitere besitzende Bibliothek die StB in Dessau anführt. Dem dezidierten Verzeichnis der Primär- und Sekundärliteratur fehlt bedauerlicherweise ein Abkürzungsverzeichnis; so können insbesondere die abbreviiert zitierten Zeitschriften nur mit Mühe bibliographisch ermittelt werden. Ein sorgfältig erstelltes Personenregister, in dem gelegentlich die Namensansetzung von der im Text abweicht (z.B. Rhenanus/Rhenan; Ceporin/Ceporinus) verdeutlicht einmal mehr den Gehalt der vorliegenden Studie. Ungeachtet einiger kritischer Einwände hat Traudel Himmighöfer mit ihrer Studie ein wertvolles Instrumentarium vorgelegt, das zukünftig bei der Erforschung der (Schweizer) Reformationsgeschichte, aber auch der frühneuzeitlichen Buchkunde stets heranzuziehen ist.

Reinhard Tenberg


[1]
Martin Luther und die Reformation in Deutschland : Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers / veranstaltet vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Verein für Reformationsgeschichte. - 1. Aufl. - Frankfurt am Main : Insel-Verlag, 1983. - 491 S. : Ill. - (Kataloge des Germanischen Nationalmuseums). - ISBN 3-458-14081-6.
Biblia deutsch : Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition ; [Ausstellung in der ... Herzog-August-Bibliothek ...] / Heimo Reinitzer. Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. - Hamburg : Wittig, 1983. - 333 S. : zahlr. Ill. - (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek ; 40). - ISBN 3-8048-4268-2 - ISBN 3-88373-037-8 und z.B. zuletzt: Biblia sacra : illustrierte Bibeln des 15. bis 19. Jahrhunderts aus dem Besitz der Stadtbibliothek Worms ; Begleitheft zur Ausstellung / Busso Diekamp. - Worms, 1996. - 69 S. : Ill. - DM 10.00. (zurück)
[2]
Exemplarisch: Eine volkssprachige Laienbibel des 15. Jahrhunderts : Untersuchung und Teiledition der Handschrift Nürnberg, Stadtbibliothek, Ms. Solg. 16,2ø / von Christine Wulf. - München [u.a.] : Artemis-Verlag, 1991. - XII, 264 S. : Ill. - (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters ; 98). (zurück)
[3]
Der Bibeldruck in Zürich begann mit der Ausgabe des Neuen Testaments aus der Offizin Christoph Froschauers. Drei Teile des Alten Testaments erschienen ein Jahr später, ebenfalls bei Froschauer, 1530, also vier Jahre vor Luthers "Vollbibel", folgte die erste in der Schweiz gedruckte deutschsprachige Bibel der Reformationszeit, ein Jahr später die wegen ihrer typographischen Gestaltung berühmte 'Froschauerbibel' mit Illustrationen, z.T. von Hans Holbein. - "Zürcher Bibel" meint somit Bibelteilausgaben und Vollbibeln. (zurück)
[4]
Das nach Abschluß ihrer Bibliographie zur Zürcher Bibel veröffentlichte Werk Bibliographie der Zürcher Druckschriften des 15. und 16. Jahrhunderts / Manfred Vischer. - Baden-Baden : Koerner, 1991. - 558 S. : Ill. - (Bibliotheca bibliographica Aureliana ; 124) konnte Himmighöfer verständlicherweise nicht im nachhinein einarbeiten. (zurück)
[5]
Insofern ist es konsequent, daß Himmighöfer im Anhang Bibliographien und Verzeichnisse (insbesondere zu Bibeldrucken) die Zusammenstellung Gedruckte deutschsprachige Bibeln vor Luther : eine Bibliographie der wissenschaftlichen Literatur / Reinhard Tenberg. // In: Vestigia Bibliae. - 4 (1982), S. 209 - 228, nicht aufnimmt. (zurück)

Zurück an den Bildanfang