Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 4
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Slavica Gottingensia


96-4-380
Slavica Gottingensia : ältere Slavica in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen / hrsg. von Reinhard Lauer. Bearb. von einer Projektgruppe unter der Leitung von Ulrike Jekutsch. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1995. - Teil 1 - 3. - XLVI, 2288 S. ; 25 cm. - (Opera Slavica ; N.F., 30). - ISBN 3-447-03205-7 : DM 424.00
[3134]

Obwohl bei Slawisten wohl bekannt, sind auch Kenner der deutschen Altdrucke-"Landschaft" mit dem Reichtum (nach Zahl und Qualität) der älteren Bestände an Drucken in slawischen und anderen Sprachen aus den und über die slawischen Länder in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen nicht unbedingt vertraut, zumal der Niedersachsen gewidmete Band des Handbuchs der historischen Buchbestände in Deutschland noch immer nicht erschienen ist. Dieser Reichtum wird dank des vorliegenden Katalogs jetzt für alle offensichtlich. Er verdankt sein Entstehen der Volkswagen-Stiftung, die in den Jahren 1980 - 1984 sowohl die Recherche nach einschlägigen Titeln in den konventionellen Katalogen der NSuUB und des Slawischen Instituts als auch die Katalogisierung (ggf. unter Annotierung) der Titel nach Autopsie (unerhört in Zeiten der auf die Schnelle konvertierten Altkatalogisate) im digitalen Niedersächsischen Monographien-Nachweis finanzierte, aus dem der vorliegende Katalog abgezogen und, durch Register vermehrt, typographisch anspruchsvoll ausgedruckt wurde. Insgesamt handelt es sich um 8987 durchnumerierte Titel, die in den Jahren 1450 - 1830 erschienen sind und zwar aus allen Fachgebieten, die die Gelehrten der jungen, 1737 eröffneten Universität Göttingen interessierten. Darunter waren gerade auch Gebiete, die bis dahin wenig oder gar nicht erforscht waren. Die Bestände wurden auch überwiegend in den ersten hundert Jahren der Göttinger Bibliotheksgeschichte erworben, darunter auch die nach Zahl und Wert bedeutenden Bücher, die dem in russischen Diensten stehenden Baron Thomas Georg von Asch (1729 - 1807) zu danken sind; die in einem besonderen Register am Schluß von Bd. 3 zusammengestellten Nummern der ca. 1250 Titel umfassenden "Bibliotheca Aschiana" machen immerhin ca. 14 % der hier beschriebenen Titel aus. Über diese Stiftung sowie über die Geschichte der älteren slawischen Bestände und deren Nutzung durch die Göttinger Gelehrten informiert der durch zahlreiche einschlägige Publikationen ausgewiesene Herausgeber in seinem einleitenden Beitrag (S. XI - XXX).

Der Katalog selbst ordnet die Werke im Verfasser- bzw. Sachtitelalphabet bzw. unter Formaltiteln (Ukaz Pauls I) nach der transliterierten Form; Buchstaben mit Diakritica werden wie üblich als Grundbuchstaben geordnet, mit der gewöhnungsbedürftigen Besonderheit freilich, daß Anfangsbuchstaben mit diakritischen Zeichen nach dem Grundbuchstaben ordnen. Die Titelbeschreibung folgt ohne Berücksichtigung von Deskriptionszeichen der Vorlage. Selbst lange Titel sind (bis auf wenige glgtl. Kürzungen) in voller Länge wiedergegeben. Die Bände mehrbändiger Werke und der Zeitschriften sind aufgeführt, z.T. mit Inhalt, nämlich dann, wenn sich erst dadurch der Bezug zum Gegenstand des Katalogs ergibt. Zahlreiche knappe Annotationen geben Auskunft über die Umstände der Erwerbung (z.B. durch den genannten Asch), über exemplarspezifische Besonderheiten bzw. dienen Erläuterungen zum Inhalt. Angabe ferner der Signatur sowie einer (einzigen) Fundstelle in einer der einschlägigen Bibliographien.

Die Register in Bd. 3 enthalten: 1. Verfasser und sonstige beteiligte Personen sowie die im Titel genannten behandelten und die in den Annotationen erwähnten Personen; es schließt auch Namensverweisungen ein; 2. alle Sachtitel, auch die von Verfasserwerken (hier ohne Beachtung der oben genannten Besonderheiten bei den Anfangsbuchstaben mit Diakritica); 3. der Druckorte (leider nur in einem Alphabet statt zunächst nach - der heutigen - Staatszugehörigkeit); Sankt-Petersburg übertrifft alle anderen nach Nummernzahl bei weitem, und Leipzig ist der Druckort außerhalb der slawischen Länder mit den meisten Eintragungen; 4. chronologisch nach Erscheinungsjahr; 5. das vorzügliche, nach Großgruppen und innerhalb systematisch angelegte Sachregister ist als besonderer Gewinn dieses Katalogs zu bezeichnen; wegen der relativ feinen Untergliederung vermeidet es zudem - im Gegensatz zum Register der Druckorte - lange Zahlenkolonnen. Um so mehr vermißt man eine weitergehende sachliche Erschließung, etwa der Übersetzungen nach Sprachen, was um so mehr verwundert, als der Herausgeber im selben Jahr wie diesen Katalog seine große Bibliographie der Übersetzungen serbokroatischer Autoren ins Deutsche vorgelegt hat.[1]

Begrüßenswerter Spezialkatalog, bei dem man nur bedauern kann, daß er (ohne wirklich einleuchtende Begründung) mit dem Erscheinungsjahr 1830 abbricht. Er könnte als Nukleus eines Gesamtkatalogs der älteren Slavica in Deutschland dienen, wobei die beachtlichen Bestände an älteren Rossica in den nicht wenigen deutschen Bibliotheken, in die fürstliche Bestände inkorporiert wurden, die auf Grund von dynastischen Beziehungen zum Zarenhaus dorthin gelangten, z.T. bereits (allerdings ohne Autopsie) in EDV-Katalogen nachgewiesen sind, soweit diese Bibliotheken am DFG-Programm zur Konvertierung der Titel vor 1850 teilgenommen haben.[2] Daß dies ohne sachliche Erschließung geschah, ist bekannt, so daß eine Ermittlung der Slavica allein über Verfasser, Titel, Sprachbezeichnung und Druckort möglich ist.

sh


[1]
Serbokroatische Autoren in deutscher Übersetzung : bibliographische Materialien (1776 - 1993) / hrsg. von Reinhard Lauer. - Wiesbaden : Harrassowitz. 1995. - 25 cm. - (Opera Slavica ; N.F., 27). - Teil 1 - 2. - ISBN 3-447-03592-7 : DM 296.00 [3207] - Vgl. unten IFB 96-4-401. (zurück)
[2]
Das trifft z.B. auf die Württembergische Landesbibliothek zu. Deren besonders reicher Sonderbestand an Bibeln wird freilich erst nach und nach eingebracht, wobei die Bibeln in slawischen Sprachen gerade bearbeitet werden. Ein Vergleich mit den konventionellen Katalogen ergab erwartungsgemäß gegenüber Göttingen eine größere Zahl an Bibeln und zudem ganz andere Schwerpunkte bei den Sprachen, wobei man natürlich in Rechnung stellen muß, daß Bibelübersetzungen vermutlich nicht zu den primären Studienobjekten der Göttinger Professorenschaft im Zeitalter der Aufklärung gehörten. (zurück)

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