Im Vergleich zur sich nur allmählich etablierenden
Frauenreiseforschung haben moderne Frauenreiseführer und Neuauflagen
klassischer Reiseberichte von Frauen, von Lady Montagu über Ida
Pfeiffer bis zu Annemarie Schwarzenbach und Martha Gellhorn,
mittlerweile einen festen Platz auf dem Buchmarkt.[2]
Der Gegenstand der Bibliographie ist erstaunlich weit gefaßt: Aus dem
bislang nur vereinzelt erforschten Zeitraum 1700 bis 1810 ist die
hauptsächlich in Buchform erschienene deutschsprachige Reiseliteratur
von Frauen (incl. Übersetzungen ins Deutsche), vom Reisebericht in
Briefen bis zur fiktiven Reise im Roman, aufgenommen, aber auch
entsprechende Veröffentlichungen von Männern, sofern sie von reisenden
Frauen handeln. Wirkliche und erfundene Reisen werden also
gleichberechtigt behandelt, ebenso die vielen verschiedenen Arten und
Anlässe von Reisen und deren Beschreibungen: Gesellschafts- und
Verwandtenreisen adliger Damen in eigenen Kutschen und mit allem
Komfort, Lebensgeschichten, nicht nur von 'AvanturiŠres' wie
Vagantinnen, Hausiererinnen, von 'Frauen in Männerkleidern', seltene
Reisen zum Zwecke des Handels, der Forschung, Bildungsreisen ... und
immer wieder Begebenheiten, Briefe, Denkwürdigkeiten, Tagebücher
reisender Damen mit und ohne Begleitung. Verwunderlich, ja
problematisch erscheint der Rezensentin die Begründung der Bearbeiter
für die (Ver-)Mischung von Faktischem und Fiktivem, von männlicher und
weiblicher Autorschaft: es gehe "grundsätzlich um die Raumerfahrung
von Frauen" - als ob es da keine Unterschiede gäbe. Man kann sich
fragen, ob die Bearbeiter dieses weit über eine normale Bibliographie
hinausgehenden Verzeichnisses nicht eine Systematik hätte wagen
sollen. Die Beigabe eines leider fehlenden chronologischen Registers
hätte hierzu erste Ansätze bieten können.
Das Verzeichnis, ein Auszug aus einer Datenbank zur deutschsprachigen
Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, ist in der Eutiner
Forschungsstelle zur Historischen Reisekultur (Eutiner
Landesbibliothek, Schloßplatz 4, 23701 Eutin) entstanden, dessen
Leiter Wolfgang Griep ist. Die kleine Landesbibliothek besitzt einen
bemerkenswerten Fundus an Reiseliteratur vom 16. bis zum 19.
Jahrhundert und hat bereits zwei Bestandskataloge vorgelegt.[3]
Die Anlage ist übersichtlich: Die alphabetisch geordneten und
durchnumerierten Einträge werden durch Verzeichnisse der ausgewerteten
und annotierten Quellen (darunter viele Antiquariatskataloge) und
zeitgenössischen Rezensionsorgane (leider ohne Standortnachweise,
obwohl doch mitunter entlegen genug), durch ein Titelregister und
durch Register für Personen, Sachen und Orte sowie eine Siglenliste
der Standorte rundherum erschlossen. Im Vorwort wird darauf
hingewiesen, daß die Zeitschriften der Zeit nicht systematisch
ausgewertet werden konnten ("ein eigenes aufwendiges
Forschungsunternehmen"), doch findet man immer wieder unselbständig
erschienene Beiträge z.B. aus dem Journal des Luxus und der Moden, der
Olla Potrida, die unverständlicherweise in keinem der Quellenregister
auftauchen. Alle Titel, sofern zugänglich, wurden inhaltlich
summarisch ausgewertet. Das thematische Register soll erste
Orientierung sein; fiktive Personen (viele!) und Orte (wenige!) sind
mit Sternchen gekennzeichnet. Ein umfangreiches, z.T. kommentiertes
Auswahlverzeichnis von insgesamt 272 Veröffentlichungen der
Sekundärliteratur reflektiert den Forschungsstand.[4] Die Titel incl.
aller nachweisbaren Auflagen, Nach- und Raubdrucke wurden nach
Autopsie diplomatisch aufgenommen, wobei die "notorische
Unzuverlässigkeit" älterer und neuerer Literaturverzeichnisse und die
"zufälligen Trefferquoten" des deutschen Leihverkehrs beklagt werden.
Die Einträge selbst bieten viel: biographische Informationen über die
Verfasser und Verfasserinnen, Erläuterungen zur Druck- und
Überlieferungsgeschichte, zeitgenössische Kommentare, ausgewählte
Illustrationen, Titelblätter, Vignetten, Frontispize, Culs de Lampe
und so manches Lesestück. Selten war es so vergnüglich in einer
Bibliographie zu lesen, aber Vorsicht: unterschiedsloses, nicht
räsonnierendes Goutieren der Titel läßt die Konturen der Realität des
18. Jahrhunderts verschwimmen.
Jutta Bendt
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