Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
[ Bestand in K10plus ]

Dictionnaire des oeuvres du XXe siŠcle


Siehe auch die Vorbemerkungen

96-2/3-251
Dictionnaire des oeuvres du XXe siŠcle : littérature fran‡aise et francophone / sous la direction de Henri Mitterand. - Paris : Dictionnaires Le Robert, 1995. - 621 S. ; 24 cm. - ISBN 2-85036-262-X : FF 240.00
[3048]

Das Lexikon bespricht mehr als 1500 literarische Werke französischer Sprache sowie über 50 Literaturzeitschriften des 20. Jahrhunderts und enthält außerdem, was sein Titel nicht unbedingt erwarten läßt, aber das Werklexikon sinnvoll ergänzt, 73 Überblicksartikel zu Bewegungen und Strömungen, literarischen Gattungen sowie einzelnen Bereichen der französischen und frankophonen Literatur wie etwa Littérature engagée, Littérature francophone des Antilles, Etat et littérature etc., sofern sie für das 20. Jahrhundert von besonderer Relevanz sind.

Wie der Herausgeber im Vorwort präzisiert, ist "oeuvres littéraires" hier in einem weiten Sinne zu verstehen, d.h. das Lexikon berücksichtigt nicht nur alle literarischen Gattungen, sondern zudem Werke der Literaturwissenschaft bzw. der Humanwissenschaften, wenn diese durch ihre "écriture", durch Schreibweise, Stil, Intention etc., mit dem "Literarischen" in Verbindung stehen und nicht ausschließlich oder primär der Vermittlung irgendwelchen Wissens dienen[1] (in diesem Falle erhalten sie keinen eigenen Eintrag, sondern finden allenfalls Aufnahme in die Überblicksartikel). Die Bezeichnung Werke "de langue fran‡aise" schließt Werke von Autoren aus Frankreich, Belgien und der Schweiz ebenso ein wie die von Autoren aus Québec, dem Maghreb, Schwarzafrika, dem Libanon etc., und Werke "du XXe siŠcle" ist rein chronologisch in dem Sinne zu verstehen, daß sämtliche analysierten Werke zwischen dem 1. Januar 1901 und 1994 veröffentlicht wurden, also beispielsweise frühe Werke von Claudel oder Gide nicht mehr aufgenommen sind, dagegen aber späte Werke etwa von Zola, den der Leser, anders als die beiden zuvor genannten Autoren, üblicherweise eher dem 19. als dem 20. Jahrhundert zurechnet - ein gewiß diskutierbares Kriterium, das jedoch zum einen den Vorteil klarer Abgrenzung bietet, zum anderen zumindest teilweise dadurch ausgeglichen wird, daß frühere Werke gelegentlich Eingang in die Besprechung späterer finden, daß also etwa die Analyse von Gides Faux-monnayeurs nicht umhin kann, die Paludes von 1895 zumindest noch zu erwähnen.

Dieselben Grenzen besitzt die sich an das Werkalphabet anschließende Chronologie, die ebenfalls von 1901 bis 1994 führt, indem sie jeweils zunächst einzelne Zeitabschnitte summarisch darstellt und dann nach Jahren geordnet sowohl die wichtigsten Ereignisse der "politique fran‡aise et étrangŠre" als auch die wichtigsten Titel der französisch- und, in geringerem Ausmaß, fremdsprachigen Literatur aufzählt, ebenso wie eine Auswahl bedeutender Werke aus den Bereichen Architektur, Bildhauerei, Malerei, Musik und Film sowie epochemachende Erfindungen oder Ereignisse aus Wissenschaft und Technik.

Daneben wird das Lexikon ergänzt durch je ein Autoren- und Titelregister, die beide nicht nur die im Hauptteil mit einem eigenen Eintrag berücksichtigten Werke bzw. deren Verfasser aufnehmen, sondern darüber hinaus zahlreiche lediglich erwähnte Autoren und Titel. Bei den Schriftstellern, die mit mindestens einem Werkeintrag im Alphabet vertreten sind, fügt das Register knappe biographische Angaben hinzu und verweist nicht allein auf die besprochenen Titel, sondern wiederum auch auf oft zahlreiche andere Stellen, an denen ein Bezug zum betreffenden Autor hergestellt wird.

Die Werkartikel selbst geben nach dem Titel des zu besprechenden Werkes zunächst dessen Verfasser, die Gattung sowie Verlag, Ort und Jahr der Erstveröffentlichung an, bei Theatertexten zusätzlich Ort und Jahr der Uraufführung, falls diese von denen der Erstveröffentlichung abweichen. Diesen Informationen folgt, sofern der Text es erlaubt, als erstes eine kurze Inhaltsangabe und anschließend eine - in Anbetracht der Vielzahl der berücksichtigten Titel und der Beschränkung des Werkalphabets auf gut 500 Seiten - zwangsläufig ebenfalls kurze, aber oft erstaunlich prägnante und treffende Analyse des Textes, die sowohl auf dessen Struktur, Verfahren und eventuelle Besonderheiten eingeht als auch den Text im Kontext der übrigen Werke desselben Autors und allgemein der jeweiligen Zeit oder literarischen Strömung situiert. Die abschließende Bibliographie nennt regelmäßig eine Auswahl derzeit lieferbarer Ausgaben und häufig eine Auswahl von Titeln aus der Sekundärliteratur, wobei in seltenen Fällen auch unselbständig Erschienenes aufgenommen ist. Um Wiederholungen möglichst zu vermeiden, werden die Artikel ergänzt durch Verweisungen auf andere im Lexikon besprochene Texte, auf Begriffe, die mit einem Autor oder Werk in Zusammenhang stehen oder auf Bereiche, die in Überblicksartikeln dargestellt werden.

Diese Überblicksartikel sind zwar in das Alphabet der Titel mit aufgenommen, zugleich jedoch von diesem durch grau umrahmte Kästchen abgesetzt. Fast immer, außer bei sehr kurzen Einträgen wie denen zu Populisme oder Postmodernisme, weisen diese Artikel weitere Untergliederungen auf, indem zunächst eine Art Definition oder Kurzbeschreibung des jeweiligen Begriffs, Bereichs etc. gegeben wird, der detailliertere Informationen zur Entwicklung, zu Untergebieten, speziellen Ausformungen, Hauptvertretern o.ä. sowie in der Regel recht aktuelle Literaturhinweise folgen (im Artikel Nouveau roman beispielsweise noch ein Aufsatz von 1993; an anderen Stellen, etwa unter Structuralisme, werden nicht Sekundärtitel aufgezählt, sondern die gleichsam kanonisch gewordenen Texte des Strukturalismus von Saussure und Jakobson, Lévi-Strauss, Foucault, Barthes und anderen), so daß diese über die engen Grenzen einzelner Texte hinausgehenden Sachartikel eine schnelle erste Information und zugleich die in der gebotenen Kürze mögliche Detailgenauigkeit bieten.

Ein weiteres Werklexikon zum 20. Jahrhundert, allerdings beschränkt auf die französischsprachige Literatur Schwarzafrikas, stammt von dem zairischen Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Pius Ngandu Nkashama und erschien bereits ein Jahr vor dem von Mitterand herausgegebenen Werk, das weit umfassender ist, dafür aber natürlich längst nicht so viele schwarzafrikanische Texte aufnehmen kann wie Ngandu Nkashama:


[1]
Tendenziell ist dies in allen hier besprochenen Lexika der Fall - selbst der Guide enthält, wie alle übrigen in Frage kommenden Titel auch, einen Artikel zu Roland Barthes -, aber natürlich in unterschiedlichem Ausmaß: So werden beispielsweise Deleuze, Derrida oder Kristeva, die bei Mitterand alle nicht nur mit Verweisungen, sondern mit einem oder sogar mehreren Werkeinträgen vertreten sind, von Engler verschwiegen, aber vom New Oxford companion mit Artikeln von jeweils mindestens einer Spalte Länge gewürdigt. (zurück)

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