Guide to French literature
Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
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Guide to French literature
Siehe auch die Vorbemerkungen
- 96-2/3-244
-
Guide to French literature : beginnings to 1789 / Anthony
Levi. - Detroit ; London [u.a.] : St. James Press, 1994.
- XLVI, 1111 S. ; 29 cm. - ISBN 1-55862-159-8 : $ 120.00,
œ 80.00
- [1916]
- 96-2/3-245
-
Guide to French literature : 1789 to the present / Anthony
Levi. - Chicago ; London : St. James Press, 1992. - XIII,
884 S. ; 29 cm. - ISBN 1-55862-086-9 : $ 115.00, œ 80.00
- [1879]
einen völlig anderen Ansatz vertritt Anthony Levi in seinem
zweibändigen, 1992 und 1994 erschienenen Guide to French literature,
einem Werk, das ebenfalls den Anspruch erhebt, zur gesamten
französischsprachigen Literatur von den "beginnings to 1789" und von
"1789 to the present" hinzuführen. Einen wesentlichen, zunächst
formalen, dann aber doch auch inhaltlich relevanten Unterschied zu den
beiden bisher besprochenen Titeln stellt bereits die Tatsache dar, daß
dieses seinem Anspruch nach umfassende und über 2000 Seiten starke
Werk von einem einzigen Verfasser stammt, der so natürlich eine
größere Homogenität seines Werkes garantieren kann, als es etwa beim
Dictionnaire des littératures de langue fran‡aise mit seinen drei
Herausgebern und 288 Mitarbeitern möglich ist, das sich vom Umfang,
vom Anspruch und von den Artikeltypen her - Autoren, in geringerem
Ausmaß Sachbegriffe sowie einige Literaturzeitschriften und ähnliche
Publikationen - am ehesten mit dem Guide vergleichen läßt. Die
Einheitlichkeit des Ansatzes jedoch wird erkauft einerseits mit einem
zwangsläufig eingeschränkteren Blickwinkel, verglichen mit dem von
nahezu 300 Spezialisten, und andererseits mit einer sehr viel
stärkeren Beschränkung, was die Zahl der Artikel anbelangt: Den über
2330 Einträgen im Dictionnaire stehen im Guide laut Einleitung gerade
326 Einträge gegenüber, von denen über 300 einzelnen Autoren gewidmet
sind. Scheint damit für einen ersten, oberflächlichen Blick dieselbe
Gewichtung vorzuliegen wie im Dictionnaire - eindeutige Präferenz der
Autorenartikel -, machen die Zahlenverhältnisse doch auch
diesbezüglich einen erheblichen Unterschied deutlich, denn während im
zuvor besprochenen Werk das Verhältnis von Sach- und Autorenartikeln
etwa 1:5 ist, liegt es im Guide bei etwa 1:13. Und wenn ein Führer zur
gesamten französischen Literatur für sich in Anspruch nimmt, auch
Sachbegriffe zu erläutern, stellt sich die Frage, nach welchen
Kriterien die Einträge ausgewählt wurden, wenn für einen Zeitraum von
mehreren Jahrhunderten die doch sehr niedrige Zahl von 21 Begriffen
ausreichend erscheint, zumal sich darunter sogar noch einige finden,
die, wie etwa Cartesian(ism) oder Jansenism, Port-Royal oder
Phenomenology, gewiß im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit
französischer Literatur von sehr großem Interesse und keineswegs
vernachlässigbar sind, aber in bezug auf diese Literatur doch
Randgebiete darstellen, zu deren Gunsten wesentliche Teilgebiete
unberücksichtigt bleiben.
Auswahl und Behandlung der Sachbegriffe zeigen denn auch in erster
Linie die Blickrichtung bzw. die Vorlieben ihres Verfassers an, der
beispielsweise für das 20. Jahrhundert, abgesehen von drei Artikeln zu
den historischen Avantgarde-Bewegungen Cubism, Dada und Surrealism,
genau drei weitere Begriffe aufnimmt, und zwar Existentialism,
Phenomenology und Structuralism, wobei der Artikel über die
Phänomenologie bis zu Sartre führt, obwohl doch deren nicht zu
unterschätzender Einfluß auf spätere Romanciers mehr als bekannt ist;
der Strukturalismus wird im wesentlichen als eine Auseinandersetzung
zwischen Sartre und Lévi-Strauss dargestellt, während wichtige
Vertreter oder vom Strukturalismus beeinflußte Wissenschaften kaum
oder gar nicht erwähnt werden. Ein Artikel etwa zum Nouveau roman
findet sich ebensowenig wie einer zu Oulipo: Beide lassen sich
allenfalls über den General index am Ende des Bandes aufstöbern, doch
auch hier bleiben die Überraschungen nicht aus, wenn der Leser unter
Nouveau roman lediglich auf Robbe-Grillet und Simon als Autoren sowie
auf Sarraute als Theoretikerin verwiesen wird, weder auf Butor noch
auf Pinget noch auf Ricardou etc., dafür aber auf Beauvoir, die dieser
Romanform ablehnend gegenübergestanden, auf Camus, der sie
"technically initiated" habe, auf Mallet-Joris, deren Romane "no doubt
more important" seien, da sie einen "definable content" besäßen, und
auf Perec, der den Nouveau roman "avoided" habe.
Ziel dieses General index[1] ist zum einen, über nicht ins Alphabet des
Guide Aufgenommenes zu informieren, zum anderen, durch Querverweise
aus dem alphabetischen Lexikon mit seiner Beschränkung auf Autoren,
Gruppierungen und Zeitschriften eine "selective encyclopedia of French
literary culture" zu machen. Warum allerdings zur Verwirklichung
dieses Zieles beispielsweise der Registereintrag "Asthma" samt je
einem Verweis auf Proust und Queneau vonnöten sein soll, läßt sich
freilich nicht ohne weiteres erkennen. Schlägt der neugierige Leser
unter beiden Stellen nach, erfährt er über Proust, daß dieser mit neun
Jahren an schwerem Asthma und gelegentlich an Magenverstimmungen litt,
aber "already intellectually precocious and socially rather priggish"
war. Noch skurriler wirkt die Folge der Informationen im
Queneau-Artikel: "His reading includes Joyce, Husserl, Heidegger,
Marx, and Engels. He suffered from asthma from 1923. His interests
were wide, although references to them in the works are generally
smothered in frivolousness or absurdity."
Allein ein Satz wie der zuletzt zitierte könnte ausreichen, die in der
Introduction des 1. Bd. wortreich[2] gerechtfertigte
"life-and-works"-Konzeption
des Guide zumindest in Frage zu stellen; die Lektüre vieler
Artikel tut ein übriges, um eventuelle Zweifel zu erhärten. Erstens
scheint schon fraglich, ob sich selbst oder gerade in einer
,life-and-works"-Konzeption "life" und "works" überhaupt konsequent
trennen lassen, wenn sich etwa die komplizierte
Veröffentlichungsgeschichte von Madame Bovary im Flaubert-Artikel
unter "Life", die Beschreibung von Becketts Ausblick aus dem Fenster
seiner Pariser Wohnung hingegen unter "Works" findet. Zweitens ist
noch fraglicher, inwiefern es für das Verständnis der jeweiligen Texte
hilfreich oder gar notwendig ist, zu wissen, daß Ronsards Großvater in
20 Jahren zweiundzwanzigmal die Alpen überquerte, daß Flauberts Nichte
in England Deutschstunden nahm oder daß Beckett ebenso wie sein Bruder
ein guter Schwimmer und Tennisspieler war.
Trotz dieser Konzeption und trotz aller Vorbehalte lassen sich in den
Interpretationen der einzelnen Texte neben den vielen inhaltlichen
Elementen doch auch recht häufig interessante Bemerkungen zu zentralen
Verfahren und Charakteristika finden, so z.B., um bei Madame Bovary zu
bleiben, zur Ironie, zur Beschreibungstechnik, zur Form der erlebten
Rede etc. Dennoch stellen natürlich gerade solche Bemerkungen wiederum
den in aller Regel wesentlich ausführlicheren biographischen Teil in
Frage, weil sie gut auf ihn verzichten könnten, ohne im geringsten
unverständlich zu werden.
An die Textanalysen schließt sich eine - zumindest der Intention nach
- vollständige Liste der Publikationen eines Autors samt dem Jahr der
Erstveröffentlichung an, geordnet nach den jeweils zuerst aufgeführten
"Collections" (Gesamtausgaben und Teilsammlungen) und nach den
verschiedenen Gattungen, sowie eine nicht sehr ausführliche Liste von
Titeln aus der Sekundärliteratur und gelegentlich Bibliographien. Zu
den Sachartikeln hingegen nennt der Guide überhaupt keine Literatur;
allenfalls innerhalb dieser zum Teil sehr umfangreichen Einträge
werden relevante Primärtitel mit Entstehungsjahr genannt, jedoch ohne
einen Hinweis darauf, wo solche manchmal recht entlegenen, z.B. im
Umkreis und Verlauf der Querelle des anciens et des modernes
entstandenen Schriften zu finden oder gar, ob sie heute noch bzw.
wieder erhältlich sind.[3]
Leider weist der Guide to French literature noch weitere Lücken auf,
die seinen Anspruch eines Führers zur französischen Literatur
relativieren müssen. Nicht nur, daß die Introduction des 1. Bd. mit
einem Kapitel The chronology of French literary culture und dessen
drei Unterkapiteln zum 16., 17. und 18. Jahrhundert schließt, deren
Fortsetzung, das 19. und 20. Jahrhundert, der Leser im zweiten Band
vergeblich sucht; auch der Untertitel des 1. Bd., beginnings to 1789,
weckt falsche Erwartungen, insbesondere, wenn in der Introduction zum
2. Bd. zu lesen steht: "The inception of French literature dates from
what we call ®the early middle ages,¯ shortly after a recognizable
vernacular emerged from a series of variants of low Latin." Entgegen
solcher Erkenntnis und anders als alle übrigen hier zu besprechenden
Lexika, sofern sie sich nicht auf das 20. Jahrhundert beschränken,
setzt der Guide keineswegs mit dem frühen Mittelalter bzw. der
altfranzösischen Literatur und auch nicht mit der mittelfranzösischen
ein, sondern erst mit dem 16. Jahrhundert.[4] Statt nun diese
bedauerliche Lücke durch desto intensivere Berücksichtigung der
neueren und neuesten Literatur auszugleichen, behandelt der Guide auch
das 20. Jahrhundert eher stiefmütterlich, wobei einmal mehr die
Auswahlkriterien nicht sehr durchsichtig sind.[5] Ohnehin werden
offenbar lediglich die bekanntesten Autoren aufgenommen,[6] doch vor
allem französischsprachige Autoren, die nicht aus Frankreich stammen,
finden nur äußerst selten Eingang.[7] So enthält das Lexikon zwar
Artikel etwa zu Léopold Sédar Senghor aus dem Senegal, zu Anne Hébert
aus Kanada oder - natürlich - zu Henri Michaux aus Belgien, nicht
jedoch zu vielen anderen ebenfalls längst bekannten und anerkannten
Autoren wie, um nur einige zu nennen, auf die weiter unten noch
einzugehen ist, Tahar Ben Jelloun aus Marokko, Kateb Yacine aus
Algerien oder Mongo Béti aus Kamerun, die nicht nur in so umfassenden
Nachschlagewerken wie den beiden oben genannten Dictionnaires
enthalten sind, sondern auch in den drei im folgenden vorgestellten
einbändigen Nachschlagewerken.
- [1]
- Zusätzlich zum General index, der sowohl die mit eigenen Einträgen
versehenen Namen und Begriffe als auch zahlreiche andere verzeichnet
(darunter Herausgeber, Mäzene, Politiker), findet sich ebenfalls in
beiden Bänden ein Titelregister, im ersten darüber hinaus ein
Glossary, das schnell und kurz über historische, juristische,
literarische und andere Begriffe aus dieser den heutigen Lesern
ferneren Zeit informieren will.
(zurück)
- [2]
- Unter anderem durch den Hinweis auf die unüberschätzbare Bedeutung
der "letzten Worte" eines Autors für das richtige Verständnis seines
Werks und auf die Unverständlichkeit der Texte etwa von Stendhal oder
Beckett, wenn dem Leser die "biographischen Schlüssel" fehlten.
(zurück)
- [3]
- Das Beispiel eignet sich dazu, einen weiteren, beträchtlichen
Unterschied zum Dictionnaire des littératures de langue fran‡aise zu
verdeutlichen: Nicht nur die annotierte Bibliographie, die Titel von
1856 bis 1987 einschließlich der Neuausgaben von einschlägigen Texten
der Zeit verzeichnet, macht den mit etwa fünf Spalten gegenüber den
etwa 18,5 gänzlich ungegliederten Spalten im Guide erheblich knapperen
Artikel informativer; auch die Unterteilung in kleinere Kapitel mit
eigenen Überschriften und die bereits erwähnte Tabelle, die "Oeuvres
modernes" und "Oeuvres anciennes" nebeneinander stellt, sorgen für
rascheren Zugriff und größere Informationsdichte, ebenso wie die
völlig andere Schwerpunktsetzung: die Analyse der "Querelle" vorrangig
als eines Literaturstreits und nicht, wie in der Darstellung des
Guide, als eines fast unabhängig von der Literatur entstandenen
Phänomens, innerhalb dessen der literarischen "Querelle" lediglich der
Status von "surface disturbances, almost as epiphenomena" zukomme -
zumal diese Interpretation einmal mehr die Frage aufwerfen muß,
weshalb ein Lexikon, das sich mit 21 Sachartikeln begnügt,
ausgerechnet ein angebliches Oberflächenphänomen in sein Alphabet
aufnimmt.
(zurück)
- [4]
- So gehören für Levi beispielsweise weder Chrétien de Troyes noch
Fran‡ois Villon zur französischen Literatur seit ihren Anfängen:
Während letzterer immerhin noch mit einem - allerdings überaus mageren
und gar nicht enzyklopädischen - Registereintrag bedacht ist ("Villon,
Fran‡ois (1431-c1465), poet. Marot publishes verse of"), fehlt
jegliche Verweisung auf ersteren.
(zurück)
- [5]
- Vgl. die in der Rezension des 1992 erschienenen Bandes (in: French
studies. - 47 (1993), S. 365 - 366) formulierten Zweifel von F. W. J.
Hemmings an Levis Auswahlkriterien, insbesondere dem des angeblich
meßbaren "imaginative power" eines Autors.
(zurück)
- [6]
- Stellenweise wirkt die Auswahl allzusehr am traditionellen Kanon
orientiert und damit schon heute überholt, etwa wenn der Leser unter
Bataille lediglich einen - immerhin beinahe eine Spalte langen -
Eintrag zu Henri Bataille entdecken kann, während Georges Bataille
wiederum nur über den Umweg des General index in einigen mehr oder
weniger belanglosen Nebensätzen aufzustöbern ist. Alle anderen hier
aufgeführten Lexika (außer natürlich dem zum Mittelalter und dem zur
Literatur Schwarzafrikas) nennen nicht nur beide Autoren, sondern
gewichten auch geradezu entgegengesetzt; die oben besprochenen
Dictionnaires etwa berücksichtigen Henri mit einem, Georges mit fünf
Titeln (Mitterand sogar mit sieben) bzw. Henri mit etwa einer halben
Spalte, Georges Bataille mit beinahe zwei ganzen Seiten. Lediglich die
1. Ausg. des unten zu besprechenden Oxford companion, die aber
immerhin von 1959 und nicht von 1992 stammt, hatte ebenfalls nur Henri
und nicht Georges Bataille in ihr Alphabet aufgenommen - was der New
Oxford compnaion dahingehend korrigiert, daß er ersterem nicht einmal
mehr acht Zeilen, letzterem hingegen eine ganze Spalte widmet.
(zurück)
- [7]
- Ebenso wie Frauen, was nicht nur die oben erwähnte Rezension von
Hemmings bemängelt ("only eleven women rate inclusion, nine of them
writing in the present century"), sondern auch die Rezension des 1.
Bd. durch E. Sartori (in: Choice 31 (1993/94), S. 1273): "The Guide is
weak in its treatment of women writers, many of whom are relegated to
the index, including such important figures as Louise Labé, Marie de
Gournay, Mme. de Villedieu, and Mme. de Graffigny."
(zurück)
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