Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
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Die Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek


96-2/3-199
Die Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Abt. 1. - Stuttgart-Bad Cannstatt : Frommann-Holzboog. - 29 cm. - ISBN 3-7728-0845-X
[2065]
Bd. 3. Griechische Bibeldrucke / beschrieben von Stefan Strohm. Unter Mitarb. von Peter Amelung ... - 1984. - XLVII, 455 S. - ISBN 3-7728-0848-4 : DM 896.00 (bei Subskr. auf Gesamtwerk), DM 1141.00 (Einzelpr.)
96-2/3-200
Die Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Abt. 2, [Deutsche Bibeln]. - Stuttgart-Bad Cannstatt : Frommann-Holzboog. - 29 cm. - ISBN 3-7728-0845-X
[2066]
Bd. 1. Deutsche Bibeldrucke 1466 - 1600 / beschrieben von Stefan Strohm. Unter Mitarb. von Peter Amelung ... - 1987. - LVI, 480 S. - ISBN 3-7728-0851-4 : DM 829.00 (bei Subskr. auf Gesamtwerk), DM 1040.00 (Einzelpr.)
Bd. 2. Deutsche Bibeldrucke 1601 - 1800 / beschrieben von Stefan Strohm. Unter Mitarb. von Peter Amelung ...
Tl. 1. 1601 - 1700. - 1993. - XXXVI, 338 S. - ISBN 3-7728-1542-1 : DM 731.00 (bei Subskr. auf Gesamtwerk), DM 919.00 (Einzelpr.)
Tl. 2. 1701 - 1800. - 1993. - S. 339 - 880. - ISBN 3-7728-1543-8 : DM 731.00 (bei Subskr. auf Gesamtwerk), DM 919.00 (Einzelpr.)
Tl. 3. Anhang. - 1993. - S. 883 - 1394. - ISBN 3-7728-1544-8 : DM 731.00 (bei Subskr. auf Gesamtwerk), DM 919.00 (Einzelpr.)

Die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart besitzt die bedeutendste Sammlung von Bibeldrucken auf dem europäischen Kontinent. Der durch den Erwerb der Bibelsammlungen der Pfarrer Josias Lorck (Kopenhagen, 1784) und Georg Wolfgang Panzer (Nürnberg, 1786) gelegte Grundstock konnte durch Säkularisationsgut vergrößert und durch kontinuierliche Neuanschaffungen erweitert werden. Mit rund 9000 Ausgaben in über 14.000 Bänden zählt der Stuttgarter Bestand gegenwärtig sogar zu den weltweit größten Bibelsammlungen. Infolge des zeitlich, räumlich, sprachlich und inhaltlich weitgefaßten Sammelprinzips sind Bibeln und Bibelteile von der Inkunabelzeit bis in die Gegenwart in rund dreihundert Sprachen und Dialekten aus aller Welt vertreten. Der eigentliche Wert der Sammlung liegt indes auf den Drucken der frühen Neuzeit: Neben bedeutenden Urtextausgaben, lateinischen Übersetzungen und seltenen Editionen in verschiedenen Sprachen Europas bilden die deutschen Bibelausgaben des 15. bis 18. Jahrhunderts das Herzstück der Sammlung. Hierin ist die Stuttgarter Bibelsammlung einzig in ihrer Art und übertrifft diesbezüglich sogar ihre übermächtigen Konkurrentinnen in London (British Library), Cambridge (British and Foreign Bible Society) und New York (American Bible Society).

Die DFG fördert seit Anfang der 80er Jahre im Rahmen des Programms zur Erschließung von Spezialbeständen die Erarbeitung eines gedruckten Katalogs, der die Bibeleditionen - über eine detaillierte Formalerfassung hinaus - für die internationale Forschung unter vielerlei Aspekten erschließt. Der Editionsplan des Katalogprojekts Die Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart sieht ca. 17 Bände in 5 Abteilungen vor.[1] Bislang erschienen sind die oben aufgeführten Bände. Dem Bearbeiter Dr. theol. S. Strohm ist es mit Unterstützung von Dr. phil. P. Amelung, I. Schauffler und Dr. phil. E. Zwink gelungen, 840 griechischsprachige und über 1490 deutschsprachige Bibeldrucke auf geradezu vorbildliche Weise bibliographisch zu beschreiben und sachkundig zu erschließen. In den Katalog aufgenommen sind außer Gesamt- und Teilausgaben der Bibel (Altes Testament, Neues Testament, Apokryphen) auch Evangeliensynopsen und -harmonien, Perikopen und einzelne biblische Schriften, die zum kanonischen und apokryphen Bestand gehören; Bibelkommentare fanden dagegen keine Aufnahme.

Die bibliographische Beschreibung erfolgt bei allen Bibeldrucken normiert und in fünf typographisch voneinander unterschiedenen Abschnitten übersichtlich unterteilt, wobei der Umfang, je nach Relevanz der vorliegenden Ausgabe, zwischen wenigen Zeilen und mehr als einer Seite variieren kann:

(I) Die beiden Kopfzeilen, Identifikationszeilen genannt, sind Gliederungselement und Kurzinformation zugleich. Sie setzen sich zusammen aus der Katalognummer, der über Format, Sprache und Erscheinungsjahr Auskunft gebenden, sprechenden Signatur, der Kurzangabe des Inhalts und dem Erscheinungsort, Drucker und Erscheinungsjahr.[2]

(II) Die Titelaufnahmen beruhen auf Autopsie. Während sie bei den nach 1800 edierten Bibelausgaben nach RAK-WB erfolgen, werden bei den bis 1800 erschienenen Drucken Haupttitelseite, Zwischentitel und Kolophon diplomatisch getreu wiedergegeben unter Beibehaltung von Orthographie, Groß- und Kleinschreibung, vieler zeitgenössischer Sonderzeichen und Abbreviaturen. Zeilenbrechung wird ebenso angezeigt wie Rotdruck und xylographische Titel. Die Umfangsbeschreibung nennt auch künstlerische Beigaben, Druckermarken, Format und Buchschmuck. Zudem wird bei den bis 1700 erschienenen Drucken die Kollationsformel mitgeteilt.

(III) Die ausführliche Inhaltsbeschreibung eines jeden einzelnen Bibeldrucks sucht ihresgleichen. Der Katalog unterscheidet, je nach Bedarf, bis zu 19 "Beiträgermerkmale", die normiert in Form von Siglen und weitgehend in einer festen Reihenfolge vorgestellt werden, nämlich: Verleger (Vl), Drucker (Dr), Herausgeber (Hg), Veranlasser (Va), Übersetzer (Üs), Widmungsvorreden (Wv), Vorreden und Nachworte (Vr), Bearbeiter (Ba), die Reihenfolge der biblischen Bücher (Rf), Argumenta (Ag), Summarien (Su), Kommentare (Ko), Marginalien und Glossen (Ma), Bearbeiter des textkritischen Apparats (Tk), Indices (In), Privilegien (Pv), Sondernamen (Sn), Illustratoren (Il) und abgebildete (nichtbiblische) Personen (Ag). Oftmals finden sich innerhalb eines Beiträgermerkmals Hinweise auf literarische Quellen oder weiterführende Sekundärliteratur. Ist ein und derselbe Autor mit verschiedenen Beiträgen vertreten, können mehrere Beiträgermerkmale hintereinander aufgelistet sein (z.B.: Vr, Ar, Ma: Martin Luther). Noch stärker verkürzt wird die Inhaltsbeschreibung durch Rückverweisungen auf vorausgegangene Ausgaben (z.B.: Vr, Ba, Rf, Ar, Su, Ko, Ma, In: wie Bb deutsch 1529 02). Durch diese Verweisungen wird die Genealogie einzelner Überlieferungsstränge sichtbar: Indirekt schreibt der Katalog hiermit eine umfassende Geschichte der Bibeleditionen.

Angesichts einer solchen Gesamtleistung nimmt man kleine Unwegsamkeiten gerne in Kauf:

(a) Da die Verweisungen mittels Signatur und nicht, wie in den Registern, durch die schnell aufzufindenden Katalognummern der Bibeldrucke erfolgen, ist es ratsam, sich mit der internen, für die Vergabe der Katalognummern maßgeblichen Gliederungshierarchie vertraut zu machen: Nach der Sprachgruppe ordnet die Jahreszahl der Signatur, innerhalb dieser der Druckort (in alphabetischer Reihenfolge), sodann der Drucker oder Verleger (in alphabetischer Reihenfolge), bei gleichem Drucker oder Verleger das Format (Bb, Ba, B) und zuletzt der Inhalt (Gesamtausgaben vor Teilausgaben).

(b) Bei umfangreichen Überlieferungssträngen muß man sich jeweils über zahlreiche Zwischenstufen zum "Urtyp" zurückhangeln, um die Beiträgermerkmale mit Inhalt füllen zu können, und nicht immer ist man sich über den Grad der Identität von vorliegender Edition und "Urtyp" sicher. Der Bearbeiter selbst schafft im 2. Bd. der Deutschen Bibeldrucke Abhilfe: Er erweitert die bloße Auflistung der Beiträgermerkmale, indem er hinter deren Nennung in Klammern jeweils den Autor und/oder Titel des Beitrags hinzusetzt, bevor er summarisch auf die vorausgegangene Ausgabe verweist.[3] Der Benutzer kann jetzt selbst entscheiden, ob ihm diese punktuelle Information ausreicht oder ob er sich auch über die Vorgängerausgaben ein Bild machen will.

(c) Da sich der Katalog auf die Sammlung der Württembergischen Landesbibliothek beschränkt, können einzelne Glieder eines Editionsstranges fehlen. Ein Hinweis auf derartige Lücken erfolgt leider nicht.

(d) Will sich der Leser über spätere abhängige Editionen informieren, bleibt ihm die intensive Lektüre aller nachfolgend beschriebenen Bibeln kaum erspart, da diesbezügliche Verweisungen fehlen; hier müssen die Register weiterhelfen.

(IV) Sogenannte Bibliographische Zitate ziehen Verbindungslinien zu jeweils rund 20 großen Universal- und Spezialbibliographien, die der Bearbeiter für die Griechischen und die Deutschen Bibeldrucke komplett ausgewertet hat:[4] Sind von den im Katalog beschriebenen Bibeldrucken weitere Exemplare in diesen Verzeichnissen nachgewiesen, werden die genauen Fundstellen zitiert. Die Anzahl dieser sogenannten Bibliographischen Zitate läßt Rückschlüsse auf die Seltenheit des gerade vorliegenden Stuttgarter Exemplars zu.

(V) Mit der detaillierten Darstellung individueller Buchmerkmale wie Einband, Provenienz, Exlibris, Vorbesitzer, Kaufvermerke, besondere Annotierungen etc. schließt die bibliographische Beschreibung.

Die den Griechischen Bibeldrucken (S. XI - XLVII) wie auch den Deutschen Bibeldrucken (Bd. 1, S. IX - LVI) in fast identischem Wortlaut vorangestellte anspruchsvolle Einleitung des Bearbeiters führt in die Benutzung des Katalogs ein. Sie informiert über die Editionskriterien und erläutert detailliert die bibliographische Beschreibung und die in jedem der fünf Abschnitte verwendeten Abkürzungen und Siglen. Wer mit den Bibeldrucken wissenschaftlich arbeitet und den Bibelkatalog in seiner ganzen Informationsvielfalt kennenlernen und nutzen möchte, dem sei eine gründliche Lektüre der Einleitung angeraten. Doch auch der "eilige Leser" findet sich schnell in den Bibelkatalogen zurecht: Eine in ihrem Aufbau der bibliographischen Beschreibung folgende Kurzübersicht, die die wesentlichen Inhalte der Einleitung auf engstem Raum bündelt, liegt den Griechischen und den Deutschen Bibeldrucken (Bd. 1 und 2) als Begleitmaterial bei. Durch dieses praktische Hilfsmittel entfällt ein ständiges Nachschlagen nach der Auflösung der Siglen und Abkürzungen, so daß die Benutzung des Katalogs wesentlich erleichtert wird.

1. Abteilung, Bd. 3. Griechische Bibeldrucke

Der Katalogteil beschreibt insgesamt 840 griechischsprachige Bibeln und Bibelteile. Auf drei Inkunabeln folgen 172 Drucke des 16. Jh., 160 des 17. Jh., 180 des 18. Jh., 149 des 19. Jh. und schließlich 171 Drucke von 1901 bis 1981. Das Alte Testament in seiner griechischen Übersetzung (Septuaginta) und das Neue Testament in seiner griechischen Ursprache sind aus allen Jahrhunderten in bedeutenden, epochemachenden Editionen vertreten. Als wertvolle Unikate weist der Katalog die knapp 30 Handexemplare von Eberhard und Erwin Nestle aus, die seit 1970 im Besitz der Württembergischen Landesbibliothek sind. Darüber hinaus werden 16 neugriechische Bibeleditionen der Jahre 1703 bis 1979 vorgestellt. Den Band beschließen drei zuverlässig recherchierte Register: Personen-, Körperschafts- und Sachregister; Textzeugen und Textidentifikationen nach Siglen und Register der [rund 100] Erscheinungsorte. Der Band enthält wertvolles Material sowohl für die Erarbeitung einer beinahe lückenlosen Editionsgeschichte griechischer Bibeldrucke im allgemeinen als auch für eine Geschichte der Textkritik des griechischen Alten und Neuen Testaments im besonderen. Seine Leser dürfte der Band Griechische Bibeldrucke zuvorderst in der theologischen Fachwelt finden.

2. Abteilung, Bd. 1. Deutsche Bibeldrucke 1466-1600

Der 1. Bd. der 2. Abt. beschreibt über 600 deutschsprachige Bibeln und Bibelteilausgaben, die zwischen 1466 und 1600 erschienen sind. Weltweit einmalig ist die komplette Folge der 14 frühneuhochdeutschen (einschließlich der vier niederdeutschen) vorlutherischen Bibeldrucke. Im Mittelpunkt des Bandes stehen jedoch die Gestaltwerdung der Lutherbibel und ihre Rezeption im 16. Jahrhundert. Wittenberger Originalausgaben - für die Jahre 1522 - 1534 den Editionen anderer Orte bei gleichem Erscheinungsjahr jeweils vorangestellt - dokumentieren die maßgeblichen Stationen. Die vielfachen Nachdrucke der Lutherübersetzung (Augsburg, Basel, Straßburg usw.) sind ebenso vertreten wie die mit der Lutherbibel konkurrierenden katholischen und reformierten Bibelübersetzungen (Zürcher Bibel)[5], die in Stuttgart allerdings weniger systematisch gesammelt wurden. Durch eine genaue Untersuchung der Textstufen von Übersetzung und Beigaben vermag der Katalog Wesentliches zur Entwirrung der höchst komplizierten Überlieferungsgeschichte der Lutherbibel nach 1546 beizutragen. Illustriert wird der Katalogteil durch 40 Abbildungen. Gleichsam als Nachtrag zu den "Bibliographischen Zitaten" ermöglicht eine im Anhang publizierte Konkordanz den Vergleich aller bislang in den Katalogbänden erfaßten Stuttgarter Bibeldrucke mit den im VD 16, Bd. 2 (1984) katalogisierten Bibelausgaben. Eine umfangreiche Textedition schwer zugänglicher Summarien des 15. und 16. Jh. rundet den Band ab (S. 411 - 477).

2. Abteilung, Bd. 2. Deutsche Bibeldrucke 1601 - 1800, Teil 1: 1601 - 1700

In der Einleitung konfrontiert der Bearbeiter seine Erkenntnisse über den Wandel der Lutherbibel, insbesondere im 17. und 18. Jh., mit der aktuellen Forschungssituation und verwirft dabei die letzte Revision der Lutherbibel von 1984: Wäre der um 1700 bestehende hermeneutische Ansatz, einerseits an Luthers Text festhalten und ihn andererseits am Urtext korrigieren zu wollen, geklärt, wären die philologischen Bedingungen dafür genannt worden, "dann sähe Luthers Bibel heute anders aus" (S. XVI). Um Aufschluß über den Textwandel der Lutherbibel zu erhalten, seien einzelne Passagen anhand der vier Kriterien Urtextbezug, unverstandene Wörter aus Luthers Deutsch, Distinktheit und Normalisierung und orthographischer Wandel zu untersuchen, wie im Bibelkatalog geschehen und im "Variantenverzeichnis" des 3. Teilbandes offensichtlich gemacht.

Der Hauptteil des 1. Teilbandes beschreibt 405 deutschsprachige Bibeln und Bibelteile des 17. Jh. Obgleich mehr als 60 Druckorte vorkommen, liegt der Schwerpunkt bei den Städten Lüneburg (Stern), Nürnberg (Endter) und Frankfurt. Die sich im wesentlichen in der Rezeption der Lutherbibel erschöpfende, an Neuübersetzungen rare und letztlich unspektakulär erscheinende Geschichte der deutschen Bibelübersetzungen des 17. Jh. stieß in der theologischen Forschung bislang auf wenig Interesse. Der Bibelkatalog verzeichnet und analysiert erstmals umfassend die für die weitere Entwicklung der Lutherbibel durchaus bedeutsamen Revisionen des 17. Jh. und erschließt damit in einem erheblichen Umfang wissenschaftliches Neuland.

2. Abteilung, Bd. 2. Deutsche Bibeldrucke 1601 - 1800, Teil 2. 1701 - 1800

Der 2. Teilband, ein reiner Katalogband, beschreibt 485 deutschsprachige Bibeldrucke des 18. Jh. Unter den 110 im Katalog vertretenen Druckorten ragt Halle als Zentrum des Pietismus hervor. Die rund 65 Lutherbibeln aus dem Waisenhaus zu Halle (Cansteinsche Bibelanstalt) zeigen, wie der Canstein-Text durch die einfache Drucktechnik, die schlichte Ausstattung, die Masse und die Dauer der Verbreitung im 18. und 19. Jh. gewissermaßen zum textus receptus wurde. Daneben entstand eine Fülle neuer Bibelübersetzungen, die das Wort der Schrift nicht nur modernisieren, sondern auch mystifizieren oder rationalisieren wollten. Erste Auswirkungen der neutestamentlichen Textkritik auf die deutschsprachigen Übersetzungen werden nachgewiesen.

2. Abteilung, Bd. 2. Deutsche Bibeldrucke 1601 - 1800, Teil 3. Anhang

Nach der Edition der maßgeblichen Summarien der Bibeln des 17. und 18. Jh. (S. 885 - 1036) werden unter der Überschrift Variantenverzeichnis. Lesarten der Lutherbibel 1546 - 1800 die im Laufe von mehr als 250 Jahren vollzogenen Änderungen am Übersetzungstext und an den kommentierenden Passagen der Lutherbibel an 1001 Bibelstellen exemplarisch dokumentiert (S. 1037 - 1394). Mit den äußerst präzise gestalteten Variantenverzeichnissen wird der textkritische Apparat der Weimarana nicht nur aufgegriffen, sondern über Luthers Tod hinaus gleichsam exemplarisch fortgeschrieben. Der Forschung wird reiches Material für eine Rezeptionsgeschichte der Lutherbibel bis ins Jahr 1800 an die Hand gegeben. Ein Verzeichnis der Illustrationen rundet den 3. Teilband ab, in dem sich auch sämtliche 16 Abbildungen zum 2. Band der Deutschen Bibeldrucke finden. Ein Gesamtregister, das E. Zwink zur Zeit erarbeitet, wird als letzter Band der 2. Abteilung alle vorangegangenen Einzelbände erschließen.

Der Katalog gewinnt durch den umfangreichen Bestand der Stuttgarter Bibelsammlung weithin den Charakter einer umfassenden Bibliographie der Bibeldrucke von der Inkunabelzeit bis in die Gegenwart. Endlich fallen zeitaufwendige Suchaktionen in diversen Universal- und Spezialbibliographien zur Bibel fort. Zugleich setzt der Katalog neue Maßstäbe mit seiner vorbildlichen Formal- und Inhaltserschließung:

Durch ihre Genauigkeit, Ausführlichkeit und den weitgehenden Verzicht auf Auslassungen werden die Katalogisate erstmals in vollem Umfang den besonderen Anforderungen gerecht, die die Gattung "Bibel" mit ihren allesamt sehr ähnlichen Titeln (Biblia, das ist ...) an die Titelaufnahme stellt. Sie übertreffen nicht nur die auf diesem Gebiet völlig unzulänglichen Kurzaufnahmen großer Universalbibliographien wie NUC oder BLC, sondern z.B. auch die mit vielen Auslassungen durchsetzten, oftmals aus sekundären Quellen übernommenen Katalogisate des VD 16 um ein Vielfaches.

Über die hervorragende Formalerfassung und bibliographische Beschreibung der Bibeln hinaus enthalten die vorliegenden Bände der Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek durch eine bislang einzigartige, vorbildliche Inhaltserschließung eines jeden einzelnen Bibeldrucks, daneben aber auch durch ergänzende Texteditionen und reiches Bildmaterial grundlegende, in weiten Teilen bislang unbekannte Informationen für eine umfassende Geschichte der Bibeldrucke in griechischer und in deutscher Sprache. Entsprechend groß ist der wissenschaftliche und auch praktische Wert dieses schon jetzt als Standardwerk anzusprechenden Katalogs: Die bislang viel zu wenig beachtete Erforschung der für die gesamte Christenheit, insbesondere aber für den Protestantismus grundlegenden Rezeptionsgeschichte der Hl. Schrift von den Anfängen des Buchdrucks bis in unsere Gegenwart wird durch ihn mit Sicherheit neue Impulse erhalten.

Dieser vorzügliche Katalog ist eine Fundgrube nicht nur für Theologen und ihre primär kirchen- und theologiegeschichtlichen Fragen, sondern auch für Historiker, Sprachwissenschaftler, Kunsthistoriker, Biographen und an Buchkunde und Buchkunst Interessierte. Bibliothekare identifizieren Bibelausgaben (etwa mit Textverlust auf den Titelblättern) anhand der exakten Titelaufnahmen, die ihnen zudem für die Katalogisierung des eigenen Altbestands von großem Nutzen sind. Antiquare ziehen zur Beurteilung des Wertes einer Bibel die Stuttgarter Bände heran und zitieren in ihren Antiquariatskatalogen die entsprechenden "WLB"-Nummern. Doch nicht nur Fachleute, sondern auch interessierte Büchersammler und Besitzer von Familienbibeln können den Katalog mit Gewinn zu Rate ziehen.

Dem Verlag Frommann-Holzboog gebührt Dank für die sorgfältig lektorierten Bände, in denen sich trotz des schwierigen Satzes erfreulich wenige Versehen oder Druckfehler finden. Der hohen Qualität des Inhalts entspricht die aufwendige Gestaltung des Katalogs durch soliden Leineneinband, großes Format, festes Papier, große, gut lesbare Schrift, großzügigen, breitrandigen Druck und klare Abbildungen. Einziger Wermutstropfen ist der stolze Preis, der die Bände für Privatleute, aber auch für kleinere Bibliotheken fast unerschwinglich werden läßt. Dennoch werden nicht nur Bibliotheken mit einem breiten Benutzerkreis, sondern auch theologische Spezialbibliotheken auf die Anschaffung dieses Nachschlagewerks kaum verzichten können. Ein Angebot des Katalogs in digitalisierter Form (z.B. CD-ROM, Internet) würde außer einem sehr komfortablen Zugriff auf die Daten eine erweiterte Nutzung, z.B. bei der EDV-gestützten Retrokatalogisierung, ermöglichen. Zudem wünscht man sich eine Fortschreibung des Katalogs über den Stuttgarter Bestand hinaus mit dem Fernziel eines "Gesamtkatalogs der Bibeldrucke".[6]

Traudel Himmighöfer


[1]
Abt. 1, Bd. 1. Polyglotte Bibeln; Bd. 2. Hebräische Bibeln; Bd. 3. Griechische Bibeln; Bd. 4. Lateinische Bibeln.
Abt. 2. Deutsche Bibeln, Bd. 1. 1466 - 1600; Bd. 2. 1601 - 1800, Teil 1 - 3; Bd. 3. 1801 - ca. 1988; Bd. 4. Niederdeutsche und judendeutsche Bibeln, Register.
Abt. 3. Bibeln in anderen Sprachen.
Abt. 4. Buchausgaben, Biblische Illustrationen.
Abt. 5. Gesamtregister. (zurück)
[2]
Z.B. C 4 [für: Griechische Bibeldrucke, viertes Buch dieses Katalogs], Bb griech. 1516 01 [für: Foliobibel, in griechischer Sprache, 1. Buch dieses Formats aus dem Jahr 1516], B [für: Bibel], Basel: Johannes Froben, Februar 1516 [für: Druckort Basel, Drucker Johannes Froben, Februar 1516]. (zurück)
[3]
Z.B. E 767: Üs (Mart[in] Luther), Wv (Joh[ann] Saubert an Landgraf Georg von Hessen), Vr und Ar und Su und Ko (J. Saubert), In (Perikopenverzeichnis), Pv (Kursächsisch), Il (G[eorg] Coler; Ag: (Landgraf Georg von Hessen), Beigefügt (Johannes Avenarius; Martin Luther etc.): wie B deutsch 1629 03, seiten- und zeilengleicher Druck. (zurück)
[4]
Zu den zitierten Bibliographien zählen z.B.: der sprach- und zeitübergreifende Bibelkatalog Historical catalogue of the printed editions of Holy Scripture / T. H. Darlow ; H. F. Moule. - London, 1903 - 1911 [zit.: DM]; die sachlich auf die Lutherbibel begrenzte Bibliographie der deutschen Bibel Luthers / Paul Pietsch. - Weimar, 1909 [zit.: Pietsch]; die zeitlich auf das 16. Jh. begrenzten, nach Erscheinungsländern untergliederten Short-Title Catalogues der British Library [zit.: STCD, STCE, STCF, STCG, STCI]; der Katalog der Lorckschen Sammlung als früher Teilkatalog der Stuttgarter Bibelsammlung: Bibliotheca Biblica ... olim Lorckiana / J. G. Chr. Adler. - Altona, 1787 [zit.: AL]; der die Bibeln betreffende Auszug aus dem amerikanischen NUC: The Bible : ... from the National union catalog, pre-1956 imprints. - London, 1980 [zit.: NBi] (zu letzterem vgl. ZfBB 29 (1982),5, S. 389 - 394. (zurück)
[5]
Vgl. Die Zürcher Bibel bis zum Tode Zwinglis (1531) : Darstellung und Bibliographie / von Traudel Himmighöfer. - Mainz : Zabern, 1995. - XIV, 500 S. : Ill. ; 25 cm. - (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz ; 154 : Abteilung Religionsgeschichte). - S. 437 - 471 Bibliographie der Bibelausgaben (16. Jahrhundert) in chronologischer Reihenfolge. - ISBN 3-8053-1535-X : DM 98.00 [3427].
Eine ausführliche Fassung dieser Rezension ist für die Blätter für württembergische Kirchengeschichte. - 95. 1995 (1996) vorgesehen. (zurück)

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