Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 1
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USA-Lexikon


96-1-107
USA-Lexikon : Schlüsselbegriffe zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Geschichte und zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen / hrsg. von Rüdiger B. Wersich. Wiss. Berater: Martin Christadler. - Berlin : E. Schmidt, 1995. - 982 S. ; 23 cm. - ISBN 3-503-03086-7 : DM 248.00, DM 198.00 (Subskr.-Pr.)
[3077]
96-1-108
Kleines USA-Lexikon : Wissenswertes über Land und Leute / Julius Redling. - Orig.-Ausg., 2., neubearb. und erw. Aufl. - München : Beck, 1995. - 254 S. ; 18 cm. - (Beck'sche Reihe ; 826 : Länder). - ISBN 3-406-39953-3 : DM 24.00
[3108]

Jeder kennt Amerika. Insbesondere unter den Nachkriegsgenerationen, die mit Jeans, Coca Cola und Rock'n Roll aufwuchsen, ist jedermann Experte. Über kein Land berichten Auslandskorrespondenten mehr als über die USA. Auch auf dem Gebiet der Sozial- und Geisteswissenschaften kommt heute ein Gutteil der Forschungsergebnisse und neuerer Denkanstöße aus den Vereinigten Staaten, und auch hier herrscht der Eindruck vor, man sei über das Land bestens informiert. Davon ist man jedoch in der Bundesrepublik weit entfernt. Zu Recht wird immer wieder der mangelhafte Stand der Informationen über die Vereinigten Staaten beklagt.[1] Die Wissensdefizite sind um so verwunderlicher, als die Bedeutung der westlichen Führungsmacht für Deutschland und Europa unbestritten ist. Vielleicht gerade weil die USA nicht nur ein ganz normales Land sind, sondern seit ihren Anfängen auch ein Mythos, der oft entweder kritiklos angebetet oder abgrundtief verachtet wird, gibt es wohl über kaum eine andere Gesellschaft so viele Klischees und Ressentiments.[2]

Um Licht in dieses Dunkel zu bringen, entstand vor rund zehn Jahren am Zentrum für Nordamerika-Forschung der Universität Frankfurt das Projekt eines umfassenden USA-Lexikons, das sich sowohl an Spezialisten als auch an allgemein Interessierte wenden soll. Das dicke Nachschlagewerk mit seinen knapp 1000 Seiten schließt eine Lücke in der deutschen Nordamerika-Forschung und löst den selbstgestellten Anspruch, auf dem neuesten Stand der Forschung "eine informierte Beschäftigung mit und vertieften Zugang zu den USA (zu) erleichtern", auf überzeugende Weise ein. 108 zumeist deutsche Amerikanisten behandeln in (lt. Waschzettel) mehr als 500 namentlich gezeichneten Artikeln - als Lemmata dienen grundsätzlich englischsprachige Begriffe und Namensformen - Schlüsselbegriffe aus "Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Geschichte und ... den deutsch-amerikanischen Beziehungen" wie es im Zusatz zum Sachtitel heißt. Während das englischsprachige Register lediglich einen Überblick über das Vorkommen von Artikeln gibt sowie Verweisungen von nicht benutzten Formen auf die benutzten enthält und das Namenregister die innerhalb der Artikel behandelten Personen nachweist, bietet das Register der deutschsprachigen Begriffe einen Eindruck von den sachlichen Schwerpunkten: es dient nämlich nicht nur der Hinführung zu den englischsprachigen Lemmata, sondern führt unter weiten Schlagwörtern auch zugehörige weitere Lemmata auf. So wird von Kalter Krieg (außer auf das Lemma Cold war) auch auf Antikommunism, Marshall Plan, Truman Doctrine, Vietnam War und Voice of America verwiesen. Auch am Schluß der Artikel findet man Verweisungen auf verwandte Artikel, so z.B. beim selben Artikel Cold war auf Central Intelligence Agency, High tech industry, Intelligence, Strategic Arms Limitation Treaty und Vietnam War.[3] Die beiden Beispiele lassen also eine mangelnde Stringenz in der Verweisungspraxis erahnen, zumal sich im Text des Artikels selbst noch Verweisungen auf Truman doctrine, Marshall plan, Korean war, Monroe doctrine, Cuban missile crisis, Détente, McCarthyism und Iran-Contra affair finden. Die Artikel schließen häufig mit weiterführenden Literaturangaben und bei Artikeln über Institutionen werden auch Adressen angegeben. Die Literaturangaben, insbesondere auch die in der merkwürdigerweise überwiegend auf deutschsprachige, zusammenfassende Werke beschränkten Auswahlbibliographie am Schluß des Bandes, entsprechen jedoch nicht immer dem neuesten Forschungsstand.[4]

Bemerkenswert sind vor allem die Bemühungen des USA-Lexikons, auf den Erkenntnissen der US-Forschung aufbauend, bei der Betrachtung von Vergangenheit und Gegenwart der USA den Reichtum an Quellen und Methoden zu berücksichtigen. Dabei beschränkt es sich keineswegs auf eine traditionell politiklastige Perspektive. Vielmehr finden sich neben Informationen über ethnische Minderheiten, Frauen und die Arbeiterbewegung auch Einträge über Coca Cola, Football, Hollywood und Political correctness.[5] Im Anhang findet sich ein mit 117 Seiten etwas zu üppig geratenes Verzeichnis gebräuchlicher Abkürzungen und Kurzwörter von A für Adult bis ZS für Zoological Society, bei Körperschaften immer mit Angabe der Adresse. Die allerwenigsten davon sind auch mit Artikeln im Lexikon vertreten und dann mit einem Asteriskus markiert. Außer diesen wichtigeren und anderen nützlichen, finden sich auch modische Zeitgeistbezeichnungen wie DINKY (Double income, no kids yet) für ein noch kinderloses Paar mit zwei Einkommen oder SKIPPIES (School kids with income and purchasing power) für Schulkinder mit Einkommen und Kaufkraft. Weitere Beigaben: Die Texte der Unabhängigkeitserklärung und der amerikanischen Verfassung (in deutscher Übersetzung); zwei Seiten mit zusammen vier Schaubildern und Karten, die man sich in ihrer Dürftigkeit hätte sparen können; Maße und Gewichte; aktuelle Anschriften (einschließlich der im Sommer 1995 geschlossenen Amerika-Häuser in Hannover und Stuttgart).

Nachteil des Nachschlagewerkes, das "den Wissensstand über den für uns so wichtigen Partner USA wesentlich (zu) verbessern" vermag, ist das weitgehende Fehlen von Artikeln über wichtige Persönlichkeiten, wenn man von Henry Kissinger und Friedrich Wilhelm von Steuben einmal absieht. Das hätte allerdings auch den Rahmen eines einbändigen Kompendiums gesprengt. Zudem ist der Hinweis im Untertitel auf die "deutsch-amerikanischen Beziehungen" nicht ganz zutreffend, fehlen doch wichtige Beiträge zur deutschen Teilung und zu deren Überwindung, an der die USA ja nicht ganz unbeteiligt waren, oder auch zur symbolträchtigen Berlin-Frage.

Julius Redlings Kleines USA-Lexikon ist ein Nachschlagewerk mit einer ganz anderen Funktion und für einen etwas anderen Benutzerkreis, was sich allein schon an der wesentlich höheren Zahl der Artikel ablesen läßt, die sich bei rund 250 Seiten Umfang im Taschenbuchformat auf ca. 2100 beläuft und die Fakten aus Geographie, Geschichte, Politik, Wirtschaft und Kultur der USA erläutern. Wer hier vertiefende Informationen, etwa auch weiterführende Literatur, wünscht, sucht vergebens. Auch das Kleine USA-Lexikon verfügt über ein Verweisungssystem, mit dessen Hilfe man themenverwandte Einträge aufspüren kann. Neben der Glossar-Funktion, dem Leser typisch amerikanische Begriffe wie Dixie, homesteader, Rip van Winkle oder Tammany Hall zu erläutern, liegt eine besondere Stärke des Lexikons in seiner Nähe zum Alltag. So kann sich ein USA-Reisender über amerikanische Feiertage, Zeitzonen und Nationalparks ebenso kundig machen wie über das Trinkgeld, American breakfast und das Telephonieren. Daneben informieren aber auch Einträge wie etwa Gewerkschaften, Religionen, Schulsystem oder Waffentragen kurz und prägnant und geben Anregungen zu weiteren Nachforschungen. Fazit: Der Student, Lehrer, Zeitungsleser, Journalist und Reisende findet hier vor allem viel praktische Informationen über Amerika, die er sonst in dieser Dichte wohl kaum irgendwo vorfindet.

Michael Weißenborn


[1]
Z.B. in: USA - ein maroder Gigant / Erwin K. und Ute Scheuch ... - Freiburg : Herder, 1992, S. 9. (zurück)
[2]
"Die amerikanische Nation hat keine Ideologie, sie ist eine", schreibt der Historiker Detlef Junker über das auch für Außenstehende attraktive Sendungsbewußtsein Amerikas: Von der Weltmacht zur Supermacht : amerikanische Außenpolitik im 20. Jahrhundert / Detlef Junker ... - Mannheim : Meyer, 1995, S. 13. (zurück)
[3]
Allerdings läßt der Artikel über den Kalten Krieg jeden Hinweis auf die verschiedenen, einander widersprechenden Interpretationsrichtungen, von der Orthodoxie über die Revisionisten bis zu den Postrevisionisten vermissen. Die gerade in einer Überblicksdarstellung pädagogisch sinnvolle Gegenüberstellung unterschiedlicher Standpunkte findet man jedoch in anderen Artikeln, so z.B. in American Revolution. (zurück)
[4]
So fehlen beispielsweise in den Literaturangaben zum Kalten Krieg sowohl Melvyn Lefflers preisgekröntes und unentbehrliches Werk A preponderance of power : national security, the Truman administration, and the cold war (1992), als auch die neueren Werke von John Lewis Gaddis. (zurück)
[5]
Die im ganzen etwas unfair geratene Kritik des US-Historikers Dirk Philipsen an einer fast durchweg überholten, methodenarmen und "trockenen" deutschsprachigen US-Geschichtsforschung trifft auf das USA-Lexikon, abgesehen von der mitunter etwas sperrig geratenen Wissenschaftsprosa gewiß nicht zu: Test the West : American history through the lens of German survey texts / Dirk Philipsen. // In: Journal of American history. - 82 (1995),2, S. 651 - 657. (zurück)

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