Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 1
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Bibliographie der deutschsprachigen Frauenliteratur


96-1-065
Bibliographie der deutschsprachigen Frauenliteratur : Belletristik, Sachbuch, gender studies / Renate Kroll ; Silke Wehmer. - Pfaffenweiler : Centaurus-Verlagsgesellschaft. - 21 cm. - ISSN 0949-0124
[3145]
1. 1994 (1995). - 130 S. - DM 19.80
96-1-066
Virginia : Frauenbuchkritik / [Hrsg.: Anke Schäfer. Red.: Renate Kroll]. - Wiesbaden : Schäfer. - 31 cm. - Zusatz im Impressum: Zeitung für Frauenbuchkritik. - (Anke Schäfer, Postfach 5266, 65042 Wiesbaden)
[3246]
9 (1995),Okt. = Nr. 19. - 48 S.

Der Begriff "Frauenliteratur" ist in den 70er Jahren geprägt worden; es herrscht wohl Übereinstimmung, darunter belletristische Texte von Frauen zu verstehen, deren Thema, allzu verkürzt gesagt, weibliche Perspektive, weibliche Lebenswelt ist. Aus Titel und Untertitel der neuen fortlaufenden Bibliographie hat die Rezensentin geschlossen, sie habe es mit einem Verzeichnis der im Jahre 1994 erschienenen deutschsprachigen, also in der Bundesrepublik, in der Schweiz und in Österreich veröffentlichten Titel dieser Gattung einschließlich der dazu gehörenden Forschungsliteratur zu tun: endlich eine am Bedarf orientierte, über Ergebnisse aus Frauenforschung und feministischer Literaturwissenschaft kontinuierlich Bericht erstattende Bibliographie. Nach Lektüre des knappen Vorworts (38 Zeilen; Einleitung und Benutzungshinweise wurden ganz eingespart) regte sich allerdings Unmut. "In dieser Bibliographie verstehen wir unter Frauenliteratur Bücher, die von Frauen verfaßt oder herausgegeben sind." Dieses mechanistische Prinzip kann eigentlich nur zu unsinnigen Ergebnissen führen; so gilt als Frauenliteratur, wenn Maria Breunlich eine Auswahl aus den Tagebüchern des Grafen Karl von Zinzendorf und Pottendorf herausgibt oder Barbara Finster über Frühe iranische Moscheen schreibt. In der Gruppe Belletristik wird der Roman eines in England lebenden Japaners, Kazuo Ishiguro, aufgeführt, weil ihn Margarete Längsfeld ins Deutsche übersetzt hat. Übersetzerinnen sind zwar aufgenommen, aber weder im Vorwort, noch im Register erwähnt. Hätte der ideologische Anspruch nicht verlangt, auch die Arbeit von Übersetzerinnen sichtbar zu machen? Dies ist weniger ein Versehen, als die Folge mangelnder Reflexion über den Gegenstand und über die Methode. Wenn es heißt: "Theoretischer Hintergrund dieser weitgefaßten Definition sind die internationale Differenz- und Poststrukturalismus-Debatte und die Forschungsergebnisse der Women's und Gender Studies", bleibt die nicht Eingeweihte ratlos und sucht den Zusammenhang zu einem 'harmlosen' Gegenstand wie einer Bibliographie. Ist es diesen Debatten oder der "Frauenfrage" allgemein wirklich dienlich, Titel wie Nr. 1025 (DeDijn, Rosine / Mick Joseph: Köln in Sack und Asche. Bräuche und Speisen in der Fastenzeit. Bergisch Gladbach: Gustav Lübbe) zu verzeichnen?

Ihr Ziel, den "quantitativen und qualitativen Anteil der Frauen an der literarischen und wissenschaftlichen Textproduktion aufzuzeigen", kann diese Bibliographie nicht erreichen. Um wirklich repräsentativ-statistische Schlußfolgerungen im Sinne der Herausgeberinnen ziehen zu können, wird zu wenig bibliographisches Material geboten: Neben Titeln belletristischer Gattungen sind solche aus den Bereichen der "Geistes-, Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften" aufgeführt; Kinder- und Jugendliteratur, Technik, Naturwissenschaften und etliche andere Sachgebiete, in welche beispielsweise die Deutsche Nationalbibliographie Veröffentlichungen gliedert, fehlen gänzlich. Welche Quellen wurden überhaupt für das Verzeichnis ausgewertet? Wußte man, daß es beispielsweise für den belletristischen Bereich in Bremen die Datenbank Schriftstellerinnen in Deutschland 1945 ff.[1] gibt? Beruhen die 1733 Einträge gar auf Autopsie? Diese grundsätzlichen Fragen werden nicht beantwortet. Zu dem bereits erwähnten Eindruck mangelnder Reflexion kommt der der Unprofessionalität: Allein die Behauptung, die Angaben gingen "mit der Nennung von Seitenzahl, Preis und ISBN-Nummer über die Informationen einer normalen Bibliographie hinaus" zeigt, daß die Bearbeiterinnen die bibliographische Landschaft um sie herum ignoriert haben.

Das Eingeständnis der Unvollständigkeit ist Topos fast jeder Bibliographie. Hier ist es jedoch so formuliert, als sei Vollständigkeit bereits erreicht: "... es können einzelne Titel übersehen worden sein." Ein solcher Satz fordert zur Überprüfung heraus. Die ebenfalls jährlich erscheinende, schlicht hektographierte Bibliographie des Center for Contemporary German Literature an der University of Washington, St. Louis führt 55 belletristische Titel von Frauen auf, die bei Kroll und Wehmer fehlen, obwohl auf der gleichen, hier allerdings nicht genannten Grundlage, nämlich der Auswertung von Verlagsprospekten, gearbeitet wurde.

Seit 1986 erscheint nach dem Vorbild der amerikanischen Zeitschrift The women's review of books[2] in Deutschland die nach Virginia Woolf benannte "Zeitung für Frauenbuchkritik" mit dem Titel Virginia. Renate Kroll, habilitierte Romanistin leitet seit Nr. 9 (1990) die Redaktion, Silke Wehmer, ebenfalls Romanistin, bearbeitet die Rubrik Neuerscheinungen, Neuauflagen. Im Editorial des letzten Heftes, Nr. 19 (1995), war zu lesen: "Zum Schluß noch ein Hinweis auf unsere Neuerscheinungsliste, die aus Platzmangel leider nie vollständig ist und in die viele interessante Titel nicht aufgenommen werden können. Eine repräsentative Auswahl zu treffen, ist nicht leicht. Abhilfe wird hier in Zukunft die jährlich erscheinende, von Silke Wehmer und Renate Kroll besorgte Bibliographie der deutschsprachigen Frauenliteratur (Belletristik, Sachbuch, Gender Studies) schaffen; ..." Obwohl die verdienstvolle Virginia zuverlässig jeweils zur Leipziger und zur Frankfurter Buchmessse herauskommt und in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert, ist sie aufgrund ihrer Vertriebsform bis jetzt leider ein Geheimtip geblieben. Man kann sie nicht abonnieren, nicht kaufen, aber kostenlos mitnehmen - falls sie ausliegt. Erhältlich ist sie in Frauenbuchläden, die sich lt. Impressum der zweiten Nummer mit einem Druckkostenzuschuß beteiligen, und sie könnte, bei Abnahme in bestimmter Höhe, auch in anderen Buchhandlungen ausliegen, tut es aber so gut wie nie. Wo die amerikanische Schwester überwiegend wissenschaftliche Literatur annotiert, sind in Virginia mehr Besprechungen belletristischer Veröffentlichungen von Frauen, darunter viele Übersetzungen, enthalten, insgesamt 46 relativ ausführliche in der vorgestellten Nr. 19; dazu kommt ein Beitrag über Österreichische Literatur von Frauen seit 1945 sowie die erwähnte Rubrik Neuerscheinungen, Neuauflagen. Deren Einteilung in Romane/Essays/Erzählungen, Sachbuch/Wissenschaft, Biographien/Briefe/Tagebücher, Krimi, Reisen, Kunst/Theater/Film, Lyrik findet man mit gewissen Differenzierungen in der neuen Bibliographie wieder.

Hier die Wünsche der Rezensentin: 1. keine neue Bibliographie, Virginia bietet alle Möglichkeiten zur Entfaltung, aber dazu muß sie heraus aus ihrer Klandestinität; 2. eine Fortsetzung der 1980 von Ulla Bock und Barbara Witych vorgelegten Bibliographie Thema Frau.[3]

Jutta Bendt


[1]
Vgl. Die Datenbank "Schriftstellerinnen in Deutschland 1945 ff." / von Marion Schulz. - IFB 94-3/4-574. (zurück)
[2]
The women's review of books. - Wellesley, Mass. : Wellesley College Center for Research on Women. - 1 (1983) - (zurück)
[3]
Thema Frau : Bibliographie der deutschsprachigen Literatur zur Frauenfrage ; 1949 - 1979 / Ulla Bock ; Barbara Witych. - Bielefeld : AJZ-Druck und Verlag, 1980. - XXXX, 293 S. - ISBN 3-921680-22-0. (zurück)

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