Trotz mancher berechtigter Kritik in Einzelpunkten[2] werden die ersten
beiden Bände der Hauptaufgabe einer Literaturgeschichte, nämlich der
Darstellung der historischen Entfaltung einer Nationalliteratur
einerseits und ihrer Funktion als Nachschlagewerk zur eher punktuellen
Information andererseits in vielerlei Hinsicht und in so hohem Maße
gerecht, daß die Bände für den philologischen Lesesaal und den
fortgeschrittenen Studenten unverzichtbar erscheinen. Die Werke sind,
soweit zu sehen ist, frei von Datierungsfehlern und sachlichen
Mängeln. Sie bringen eine nach traditionellen Epochen und Autoren
ausgewogene, wenn auch gelegentlich weitausladende Darstellung der
amerikanischen Literatur auf der Basis der dominierenden
literaturtheoretischen und multidisziplinären Ansätze der achtziger
und neunziger Jahre. Es gelingt den Autoren unter Einbezug der
gesellschaftlichen, geistesgeschichtlichen und ästhetischen Grundlagen
der Epochen eine Zusammenschau der Entwicklung einer eigenständigen
amerikanischen Literatur, die auch den Namen einer Literaturgeschichte
verdient.
Die Beiträge sind in der Regel gut lesbar, bringen sinnvolle neue
Ansätze zur weiteren Forschung und haben trotz der Bindung an die
zeitbedingten literaturkritischen Trends der Abfassungszeit wohl
bleibenden Wert, da sie - hervorgehoben seien besonders die Aufsätze
von Emory Elliott, Robert A. Ferguson und Barbara L. Packer - sowohl
in der Überschau wie auch in der durch gut gewählte Textzitate
unterlegten Einzelanalyse, etwa zur puritanischen Literatur, zur
amerikanischen Aufklärung oder zu den Transzendentalisten, sowohl die
Quellen als auch die vorliegende Sekundärliteratur differenziert und
präzis darstellen.
Verglichen mit den Vorgängern - in die Betrachtung einzubeziehen sind
hauptsächlich die ältere Literary history of the United States und die
bereits erwähnte Columbia literary history of the United States
- müssen insbesondere unter dem Gesichtspunkt der bibliographischen
Verzeichnung und des Nachschlagewerts folgende Punkte hervorgehoben
werden.
Da offensichtlich kein bibliographischer Beiband mit einer selektiven,
retrospektiv wertenden Gesamtbibliographie vorgesehen ist, sind die in
Bd. 1, S. 767 - 780 und in Band 2, S. 851 - 859 alphabetisch
aufgeführten, thematisch nicht geordneten sowie nicht kapitelbezogenen
Sekundärtitel, die aus der Sicht der Beiträger als "especially
influential or significant" gelten, der Größe dieses
literaturgeschichtlichen Unternehmens nicht angemessen. Auch die
speziell im Bd. 2 in den Akknowledgments (S. VII - XVIII) angeführten
wichtigen Primär- und Sekundärtitel können das Manko nicht
ausgleichen, daß keine detaillierten bibliographischen und bewertenden
Angaben zu den wesentlichen Primärtexten der Epochen oder zum Stand
der Editionen beigegeben sind. Trotz ihres hohen wissenschaftlichen
Wertes wird diese Literaturgeschichte, soweit man von den ersten
beiden Bänden schließen kann, für den Bibliothekar zum Zwecke des
Bestandsaufbaus, der Bestandskontrolle oder der Aussonderung
überholter Werke nur von geringem Nutzen sein. Dies ist umso
bedauerlicher als Ersatztitel zum schnellen Nachschlagen nicht zur
Verfügung stehen oder veraltet sind.
Die am Schluß der Bände enthaltene, nach Jahren angeordnete
synoptische Übersicht der "Important texts in and concerning the new
world, historical events in the new world, historical and literary
events in the old world" (Bd. 1., S. 695 - 766) und der "American
texts, American events, other events and texts" (Bd. 2, S. 779 - 850)
ist für die Einbettung eines Autors oder Werkes in den historischen
Kontext nützlich.
Der ordentliche Index in beiden Bänden, der Autoren, Namen und
Werktitel in einem Alphabet detailliert erschließt, hat
Modellcharakter. Er erhöht den durch die obigen Punkte
beeinträchtigten Nachschlagewert der Bände beträchtlich, wenn man zum
Beispiel an so wenig geläufige, aber nicht unwichtige Namen wie den
Verleger Mathew Carey oder die jetzt langsam ins Bild rückende, noch
unterbewertete Lyrikerin Susanna Wright denkt.
Sebastian Köppl
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