Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 1
[ Bestand in K10plus ]

Zur österreichischen Literatur seit 1945


96-1-031
Zur österreichischen Literatur seit 1945 : eine kommentierte Auswahl-Bibliographie / zsgest. von Klaus Schachner. Unter Mitarb. von Karin Fleisch. - Wien : Dokumentationsstelle für Neuere Österreichische Literatur, 1995. - 245 S. ; 23 cm. - (Zirkular / Forschungs- und Dokumentationsstelle für Neuere Österreichische Literatur : Sondernummer ; 16). - ISBN 3-900467-16-1 : öS. 250.00 - (Dokumentationsstelle ..., Seidengasse 13, A-1070 Wien)
[2893]

"Die vorliegende Bibliographie macht sich zur Aufgabe, allen, die über die Lektüre der belletristischen Werke hinaus an der österreichischen Gegenwartsliteratur, an deren kulturellem und gesellschaftspolitischem Umfeld bzw. am hiesigen Literaturbetrieb interessiert sind, Hilfestellung bei der Literaturauswahl zu leisten." Nicht zu den Quellen will sie hinführen, sondern zur Sekundärliteratur, aber auch dies nur in Auswahl. Die Bibliographie umfaßt zwölf Teile: 1. Bibliographien; 2. Gesellschaftspolitisches Umfeld [...]; 3. Lexika und Handbücher; 4. Literaturgeschichte; 5. Allgemeine Abhandlungen und Aufsatzsammlungen; 6. Zu rechtlichen Fragen; 7. Zu einzelnen Gattungen; 8. Zu zeitlichen Abschnitten; 9. Zu regionalen Aspekten; 10. Zu einzelnen Themenkreisen; 11. Literaturzeitschriften; 12. Zu einzelnen Autoren. Es folgen ein Werk- und ein Namenregister, die sich auf die Numerierung der 803 Einträge beziehen.

Ihren Anspruch erfüllt die Bibliographie nur in begrenztem Umfang. Vorbehalte resultieren vor allem aus den Auswahlkritierien, die - soweit sie inhaltlicher Art sind - nicht präzise beschrieben werden. Soweit sie formaler Art sind, reibt man sich schon die Augen: 1. Aufgenommen werden keine unselbständig erschienenen Veröffentlichungen (Abschnitt 11 führt nur Zeitschriftentitel). 2. "Nicht berücksichtigt wurden unpublizierte Dissertationen und - von einigen Ausnahmen abgesehen - nicht im deutschen Sprachraum erschienene fremdsprachige Publikationen". Aus 1. folgt dann z. B., daß ein Autor wie Jörg Mauthe, dessen satirischer Roman Die große Hitze (1975) ja kein Lob auf die österreichische Ministerialbürokratie darstellt, in dieser "mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst" gedruckten Bibliographie gar nicht vorzukommen braucht, weil es über ihn nur unselbständig veröffentlichte Literatur gibt. Auch von desselben "Poetenpolitikers" (G. Nenning) aus dem Krankenhaus nachgelassenen "Letzten Briefen" (Wiener Journal. - Nr. 65. 1986) erfährt man nichts; sie werden hier nicht etwa als Primärliteratur Mauthes angeführt, sondern als ein wichtiger Beitrag zum "kulturellen und gesellschaftspolitischen Umfeld bzw. [...] Literaturbetrieb". Um wenigstens ein zweites Beispiel zu nennen: auch zu J. Schutting gibt es aus den formalen Gründen keinen Eintrag. Da im deutschen Sprachraum erschienene fremdsprachige Publikationen zur österreichischen Literatur rar sind, folgt aus Punkt 2 die Vernachlässigung fast der gesamten ausländischen Forschung. Also erfahren wir natürlich auch nichts von Ivar Ivasks Bemühungen, in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Books abroad (seit 1977: World literature today) Heimito von Doderer in Amerika vorzustellen. Freilich den erratischen Block der in Riverside (Kalifornien) von Donald G. Daviau seit Jahrzehnten mustergültig betreuten Zeitschrift Modern Austrian literature mit ihren gelegentlichen Themenheften konnte auch diese Bibliographie nicht übersehen.

Auch sonst verwundert manches. Warum wird das Referateorgan Germanistik unter den Bibliographien angeführt, fehlen aber die in Amsterdam regelmäßig und präzise auch über die österreichische Literatur (gelegentlich gar dokumentarisch mit Interviews) berichtenden Deutschen Bücher? Wenn zu den beiden bei Helmut Qualtinger angeführten biographischen Titeln schon annotiert wird, daß sie Mängel aufweisen, warum fehlt dann die für Qualtinger so ergiebige Studie von Gerhard Hofmann über Das politische Kabarett als geschichtliche Quelle (Frankfurt a. M., 1976)?

Die Titelaufnahmen sind sehr detailliert und korrekt, tun freilich mit der Angabe von Preisen oder "vergriffen" und der Inversion von Vornamen selbst in bibliographischen Notizen des Guten zuviel. Auch hätten die Themenhefte der Zeitschrift Text und Kritik, wenn sie schon ohne den Hefttitel, der mit dem Namen des Schriftstellers identisch ist, zitiert werden, nicht auch noch ohne ihre Nummer angeführt werden dürfen. Die Annotationen zu den einzelnen Titeln reichen von Inhaltsangaben über gute Charakteristiken bis zu läppischen Bemerkungen ("Wegen der schwierigen Terminologie für den nicht phänomenologisch Vorgebildeten nur beschränkt konsumierbar", S. 166). Anstößig ist schließlich, daß bevorzugt Arbeiten aus den 80er und 90er Jahren angeführt werden. In der Einleitung liest man zur Begründung, daß "vom Prinzip der Autopsie nicht abgegangen werden sollte und der zeitliche Rahmen begrenzt war": eine wunderliche Entschuldigung dafür, daß diese "auf einer im Rahmen des Grundausbildungslehrgangs für den Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationsdienst [...] verfertigten Hausarbeit" basierende Bibliographie vor ihrer Publikation nicht überarbeitet worden ist. Dann hätte sie vielleicht mehr werden können als nur ein erster Notbehelf, von dem der Interessierte schnell zu anderen bibliographischen Hilfsmitteln überwechseln muß.

Hans-Albrecht Koch


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