Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
[ Bestand in K10plus ]

Chronik des deutschen Films


95-4-606
Chronik des deutschen Films : 1895 - 1994 / Hans Helmut Prinzler. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1995. - 464 S. ; 23 cm. - ISBN 3-476-01290-5 : DM 58.00
[2830]

Mögen deutsche Filme in der Chronik des Films des Harenberg-Verlags unterprivilegiert sein,[1] so werden sie in der von Hans Helmut Prinzler allein verantworteten Chronik des deutschen Films eher zu sehr und zu isoliert zum Gegenstand der Darstellung. Für jedes einzelne Jahr seit 1895 werden jeweils einleitend ein halbseitiges Schwarz-weiß-Bild, danach jeweils Zahlen (zu Kinos, Zuschauern, Spielfilmen), Ereignisse (in chronologischer Folge Notizen zu filmhistorischen Daten und ergänzt durch politische Ereignisse), Filme des Jahres (in chronologischer Folge einige hervorgehobene Filme mit knappen filmographischen Daten und kurzer Charakterisierung), Weitere Filme (in chronologischer Folge mehrere andere Filme in noch knapperer filmographischer Notiz und Charakterisierung durch wenige Wörter), Geburtstage (chronologisch Namen von Schauspielern und Filmemachern), Sterbetage (chronologisch mit kurzer Biographie und Nennung von Filmen) und - in dieser Form und in solchem Zusammenhang noch nirgends so betont - Filmbücher (durchweg mehrere Neuerscheinungen des Jahres in alphabetischer Folge der Verfasser, mit knappen bibliographischen Daten und kurzer Charakterisierung; gelegentlich folgen noch Titelnennungen über das Jahr und zu einzelnen Filmen des Jahres). Bemerkenswert ist die für den Zeitraum von 1933 bis 1945 eingerichtete zusätzliche Rubrik Exilfilm, in der ausländische Filme mit starker deutscher Beteiligung vorgestellt werden. Die politische Intention Prinzlers ist ehrenwert, - aber da es "Exilfilme" in diesem Sinne auch schon vorher und natürlich auch später gegeben hat, hätte m.E. diese Rubrik durchgängig ausgeführt werden sollen. Der von Beginn an ausgeprägten Internationalität des Filmgeschäfts wäre dadurch - wie durch die wünschenswerte stärkere Einbeziehung österreichischer und schweizerischer Filme - besser entsprochen worden.

Hervorgegangen ist das Buch aus einem Kapitel der Geschichte des deutschen Films,[2] in dem Prinzler auf 40 Seiten bereits Ereignisse, Personen und Filme chronologisch kurz notiert hatte. Die dort sehr knappen Angaben werden jetzt um ein Vielfaches erweitert und ausführlicher dargestellt. Prinzler bittet im Vorwort alle Leser um Hinweise auf Auslassungen, Fehler und Irrtümer für eine zweite Auflage des Werkes, das dann leicht um vieles umfangreicher als die jetzigen 464 Seiten werden dürfte, falls der Autor tatsächlich solche Vorschläge übernehmen wollte. Prinzler ist als langjähriger Leiter der Stiftung Deutsche Kinemathek und der dortigen Fachbibliothek durch filmhistorische, bibliographische und filmographische Arbeiten (z.B. für die Reihe Film des Hanser-Verlags) fachlich untadelig ausgewiesen; ihm Fehler nachzuweisen, wird sicherlich in Einzelfällen möglich sein, aber eher dürfte ihm - wie schon erwähnt - die Konzentration auf nur deutsche Fakten und Personen und die zu sehr faktisch betonte Darstellung zum Vorwurf gereichen. So sind - um nur ein Beispiel zu nennen - die Notizen zur Gründung der Ufa am 14.Februar und zur Aufhebung der Filmzensur am 12. November 1918 trotz der beigefügten historischen Notiz (leider ohne genaue Daten) zu vordergründig und gehen nicht auf das jeweilige und so stark sich verändernde politisch-historische Umfeld und die Motivation hinter den Ereignissen ein. Man mag dem entgegen halten, daß eine Chronik keine historische Darstellung bieten soll, sondern nur die Fakten und Daten, die eine solche Darstellung zu berücksichtigen hätte; trotzdem wünschte man sich etwas mehr Argumentation und Wertung: diese werden nur zu selten und dann in der Regel nur durch zeitgenössische Zitate vermittelt.

95-3-607 Reclams Lexikon des deutschen Films / hrsg. von Thomas Kramer. - Stuttgart : Reclam, 1995. - 476 S. : Ill. ; 22 cm. - ISBN 3-15-010410-6 : DM 49.80

[2700] Wieder lexikalisch angelegt ist die Sammlung von über 600 Filmkritiken, die im Filmteil von Reclams Lexikon des deutschen Films vorgestellt werden. Die Auswahl ist hier internationaler und berücksichtigt alle deutschsprachigen Produktionen und internationale Coproduktionen mit deutscher bzw. deutschsprachiger Beteiligung. Die relativ umfangreiche Auswahl berücksichtigt erfreulicherweise auch viele Filme, die nicht unbedingt in den engeren Kreis der bekannten deutschen Filme gehören. Der Blick von "außen" (die Autoren leben in Bristol, Zürich, Wien, Berlin und wieder Wien) und die - nicht nur photographische - Fundierung durch das Filmdokumentationszentrum Wien befähigen offenbar zu einem unkonventionelleren Blick auf das Material: Ausgewählt wurden Filme, "die für das Filmschaffen ihrer Zeit in einer besonderen Weise charakteristisch sind - oder auf prägnante Weise von der Norm abweichen" (Einleitung, S. 14), Epochen und Länder wurden in etwa entsprechend den mengenmäßigen Anteilen berücksichtigt. Dokumentarfilme und Fernsehfilme sind nicht enthalten, resp. TV-Produktionen nur, wenn sie im Kino gezeigt wurden. Die Filmeintragungen umfassen jeweils etwa eine Spalte im zweispaltigen Satz und geben relativ detailliert den Inhalt eines Films wieder, sie schließen immer mit einer kurzen, zwei Sätze umfassenden formalen und historischen Kritik. Die Artikel sind durch Kürzel den 5 Autoren zugeordnet und wirken sehr aufeinander abgestimmt, eine Übersicht der Besprechungen je Autor fehlt. Die filmographischen Angaben sind leider wieder unzureichend knapp (keine Produktionsfirmen, keine Filmlängen, lediglich Produktionsland und Jahr sind angegeben, die Rollen der angegebenen Schauspieler werden in den Filmbesprechungen zugetragen). Aufgelockert wird der Band durch Schwarz-weiß-Photos, die - begrüßenswert - unbekanntere Motive bevorzugen.

Der filmlexikalische Teil wird ergänzt durch ein Lexikon der Regisseure, das auf die entsprechenden Artikel des inzwischen vergriffenenen Reclams deutsches Filmlexikon[3] zurückgreift, unter ihnen auswählt, sie neu bearbeitet (i.d.R. kürzt) und um einige Neueintragungen erweitert. Die 74 biographischen Artikel berücksichtigen auch die Lebensabschnitte im nicht-deutschen Ausland und nennen alle Filme, an denen die Regisseure beteiligt waren. Leider ist die Auswahl bei weitem nicht vollständig, so fehlen wichtige Regisseure wie Herbert Achternbusch, Axel von Ambesser, Josef von Baky, Slatan Dudow, Peter Fleischmann, Hans W. Geissendörfer, Kurt Gerron, Werner Jacobs, Mihaly Kertesz, Klaus Lemke, Joe May, Rosa von Praunheim, Rudolf Thome, Billie Wilder oder Christian Ziewer. Diese - unvollständige und mit Absicht - sehr inhomogene Fehl-Liste ist bis auf eine Ausnahme der Vorlage Reclams deutsches Filmlexikon entnommen und wäre vor allem noch um Dokumentarfilmer und Fernsehregisseure,[4] die nur in zweiter Linie für Kinofilme gearbeitet haben, zu ergänzen. Da die Auswahl nicht weiter begründet wird, müssen wir annehmen, daß die Biographien entweder als Unterscheidungsmerkmal gegenüber den anderen neuen Filmlexika hinzugefügt wurden oder aber, daß aus Platzgründen nicht mehr Biographien aufgenommen werden durften. Beide Begründungen sprechen gegen den biographischen Teil des Lexikons in seiner jetzigen Form. Da hilft es auch nicht, daß die dort erwähnten Filme und Regisseure mit in das Register aufgenommen wurden: sie können nicht als repräsentative biographische Information für die dort registrierten fast 400 Namen gelten.

Man wünschte sich eine Neuausgabe von Reclams deutsches Filmlexikon, denn es ist kaum vorstellbar, daß der Markt für biographische Nachschlagewerke zum deutschsprachigen Film völlig vom CineGraph[5] abgedeckt wird, das für biographische Informationen über Filmschauspieler und Regisseure zwar unübertroffen und unersetzlich ist, aber von seiner Preisklasse und seinem Umfang her nur für wenige Filmliebhaber - hoffentlich aber für alle Bibliotheken - erschwinglich ist.


[1]
Prinzler auf S. 417 seiner Chronik des des deutschen Films. (zurück)
[2]
Geschichte des deutschen Films / hrsg. von Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes und Hans Helmut Prinzler in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin. - Stuttgart [u.a.] : Metzler, 1993. - 596 S. ; 25 cm. - ISBN 3-476-00883-5 : DM 58.00 [1705]. - Vgl. IFB 94-2-291. (zurück)
[3]
Reclams deutsches Filmlexikon : Filmkünstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz / von Herbert Holba, Günter Knorr und Peter Spiegel. - Stuttgart : Reclam, 1984. 461 S. [0023]. - Vgl. ABUN in ZfBB 31 (1984),6, S. 512 - 514. (zurück)
[4]
Vgl. hierzu: TV-Filmlexikon : Regisseure, Autoren, Dramaturgen 1952 - 1992 / Egon Netenjakob. - Orig.-Ausg. - Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1994. - 518 S. - ([Fischer-Taschenbuch] ; 11947). - ISBN 3-596-11947-2 : DM 29.90. - Vgl. IFB 94-3/4-504. (zurück)
[5]
CineGraph : Lexikon zum deutschsprachigen Film / hrsg. von Hans-Michael Bock. - München : Edition Text + Kritik. - 22 cm. - Losebl.- Ausg. [0017]. - Lfg. 1 (1984) - . - ISBN 3-88377-479-0 : DM 320.00 (einschl. Lfg. 24 in 5 Ordnern). - Zuletzt Lfg. 25 vom 15.4.1995 : DM 60.00. - Vgl. ABUN in ZfBB 31 (1984),6, S. 512 - 514. (zurück)

Zurück an den Bildanfang