Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]

Seemanns kleines Kunstlexikon


95-4-590
Seemanns kleines Kunstlexikon / Brigitte Riese. - Leipzig : Seemann, 1994. - 316 S. ; 22 cm. - ISBN 3-363-00612-8 : DM 68.00
[2317]
95-4-591
Wörterbuch der Kunst / begr. von Johannes Jahn. Fortgef. von Wolfgang Haubenreisser. - 12., durchges. und erw. Aufl. - Stuttgart : Kröner, 1995. - IX, 937 S. ; 18 cm. - (Kröners Taschenausgabe ; 165). - ISBN 3-520-16512-0 : DM 46.00
[2900]
95-4-592
Reclams Künstlerlexikon / von Robert Darmstaedter und Ulrike von Hase-Schmundt. - 2., neu bearb. Aufl. - Stuttgart : Reclam, 1995. - 784 S. ; 22 cm. - ISBN 3-15-010412-2 : DM 49.80
[3058]

In den Jahren 1994 und 1995 sind auf dem deutschsprachigen Buchmarkt eine Reihe kleinerer, einbändiger Nachschlagewerke zu Kunst und Architektur erschienen, die in diesem Heft von IFB zusammen vorgestellt werden sollen.[1] Der Systematik entsprechend sind hier zunächst die allgemeinen Lexika besprochen; die zur Architektur finden sich an der ihnen zukommenden Stelle.[2]

Seemanns kleines Kunstlexikon enthält knapp 3000 Einträge aus allen Bereichen der Kunst (Architektur, Plastik, Malerei, Graphik, angewandte Kunst) mit Schwerpunkt auf der europäischen Kunstgeschichte. Anders als Seemanns Lexikon der Architektur ist es allerdings als reines Sachlexikon konzipiert. Als Materialbasis konnte das im selben Verlag veröffentlichte Lexikon der Kunst in 7 Bd. herangezogen werden, dessen Abschluß vorstehend angezeigt wurde. Auch hier ergänzen Graphiken und Abbildungen die Einträge in erforderlichem Umfang. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Artikel des Kunstlexikons in ihrer Qualität homogener sind als die des Architekturlexikons aus demselben Verlag. Sie zeichnen sich durch Sachbezogenheit in komprimierter Form aus und bringen auf vergleichbarem Raum ein Vielfaches an Informationen; als Beispiel stelle man nur die Einträge unter Gotik aus beiden Nachschlagewerken einander gegenüber. Bereiche, zu denen man in einem Speziallexikon aussagekräftigere Ausführungen erwartet hätte, sind im Kunstlexikon sogar umfangreicher, informativer und zudem gegenwartsbezogen abgehandelt; exemplarisch können hier die Artikel unter Denkmalpflege verglichen werden. Der Definition - wo notwendig auch mit kurzem Hinweis zu Begriffsbildung und Begriffswandel - folgt oft ein historischer Überblick unter Nennung wichtiger Werke; der Verweisungsapparat ist angemessen ausgebaut. Insgesamt überzeugt Seemanns kleines Kunstlexikon unter den Nachschlagewerken dieser Größenordnung; es dient nicht nur Kunstinteressierten, sondern kann auch darüber hinaus schnelle und handliche Nachschlagehilfe sein. In vieler Hinsicht macht es Seemanns Lexikon der Architektur überflüssig, selbst wenn ihm die dort enthaltenen biographischen Artikel fehlen. Dieser Verzicht muß dabei nicht unbedingt ein Nachteil sein, sondern kann auch als klar umrissene und konsequente Entscheidung zugunsten größeren Umfangs und größerer Vielfalt der Sacheinträge positiv gewertet werden.

Das gerade besprochene Seemann-Lexikon tritt in unmittelbare Konkurrenz zu dem Klassiker unter den deutschen einbändigen Kunstlexika, dem 1939 von Johannes Jahn begründeten Wörterbuch der Kunst, das - fortgeführt von Wolfgang Haubenreißer - 1995 in 12., erw. Aufl. erschienen ist. Es enthält ebenfalls rund 3000 Artikel zu allen Bereichen der Kunst, wiederum mit Schwerpunkt bei der europäischen Kunst, doch berücksichtigt es im Gegensatz zur Konkurrenz Personen. Bei den Sachbegriffen ist eine zeitliche Begrenzung und Einschränkung bis einschließlich der klassischen Moderne deutlicher als beim Seemann-Lexikon, das durchaus auch jüngere Kunstrichtungen behandelt. Im Jahn erfahren dagegen ikonographische Begriffe vergleichsweise stärkere Berücksichtigung; auch die Bereiche Restaurierung und Denkmalpflege sind breiter vertreten, im Vergleich zu den Vorauflagen wiederum aktualisiert und ergänzt. Insgesamt entspricht das Spektrum nach wie vor stärker traditionellen Bedürfnissen des Fachs Kunstgeschichte; nach wie vor dürfte denn wohl auch der primär anvisierte Benutzerkreis bei Studenten der Kunstgeschichte liegen. Die Einträge des Jahn sind von gewohnter Prägnanz. Was sie gegenüber fast allen kleineren Lexika einschließlich des Seemann-Lexikons auszeichnet, ist der kleine bibliographische Apparat, schließen doch die Artikel mit Literaturhinweisen, die sich nicht nur auf die Nennung einzelner neuerer Titel beschränken, sondern in geraffter Kürze herausragende Literatur seit Ende des 19. Jh. im Überblick bringen. Sie machen schließlich auch die Personeneinträge erst interessant, indem sie einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf Werkausgaben und Standardliteratur erlauben. Dies alles in einem nach wie vor kleinformatigen, wenn auch deutlich umfangreicher gewordenen, aber im Vergleich immer noch handlichen Nachschlagewerk unterzubringen, gelingt nur durch den bereits den Vorauflagen eignenden Verzicht auf Abbildungen und der auf das Allernotwendigste reduzierten Beigabe von schematisierten Zeichnungen.

Unter den handlichen Lexikonbegleitern haben sowohl das Seemann-Lexikon als auch der Jahn ihren Platz: Seemanns kleines Kunstlexikon wendet sich nicht zuletzt wegen der Illustrationen eher an den Kunstinteressierten, das Wörterbuch der Kunst dagegen insbesondere an den Studenten, dem es als Einstieg in die Kunstgeschichte dienen kann.

Angela Karasch Die Bezeichnung von Reclams Künstlerlexikon als 2. Aufl. stimmt nur dann, wenn man lediglich die Ausgaben im Reclam-Verlag zählt, in dem 1979 die 1. Ausg. unter dem vorliegenden Titel erschien, während die eigentliche 1. Aufl. bereits 1961 im Francke-Verlag u.d.T. Kleines Künstlerlexikon vorgelegt worden war. Da der Autor 1988 verstarb, wurde die allfällige Überarbeitung, d.h. Fortschreibung der Artikel und Aufnahme von ca. 380 neuen Artikeln (Zahl lt. Vorwort), durch die Redaktion bzw. die nun an zweiter Stelle genannte Verfasserin vorgenommen. Einige wenige Artikel sind auch ganz weggefallen. Insgesamt sind lt. Waschzettel ca. 4700 Künstler (und Künstlergruppen) aller Epochen, Nationen und Kunstgattungen berücksichtigt, wobei der Zuwachs bei den Künstlern der Gegenwart am deutlichsten ausfällt; auch außereuropäische Künstler, insbesondere solche der Moderne, sind gut berücksichtigt. Was die Auswahl der Namen betrifft, so nannte das Vorwort zur 1. Aufl. "die Beschränkung auf ... eine kritisch-strenge Auswahl", d.h. "auf die Künstler ..., die den Kunstfreund im deutschen Sprachraum interessieren". Ein Vergleich mit gängigen deutschsprachigen Kunstlexika[3] ergab, wie vage Auswahlkriterien bei der riesigen Menge der potentiell zu berücksichtigenden Künstler letztlich sind: der als "Hauptquelle" genannte Thieme/Becker[4] wurde erst gar nicht zur Überprüfung herangezogen.

Das Layout wurde, unter Beibehaltung des Formats, modernisiert und der frühere feste Einband durch eine Broschur erstzt, deren Klebebindung der zu erwartenden Benutzung nicht lange standhalten wird. Die Auswahl der relativ wenigen Abbildungen ist zwangsweise so willkürlich, daß diese nichts Wesentliches beitragen.

Die fast identische Seitenzahl beider Auflagen (die neue hat sogar 4 S. weniger) bei gleichzeitiger Vermehrung der Artikel wurde durch den Wegfall der in der Vorauflage noch zitierten Forschungsliteratur möglich. Diese Entscheidung bekommt dem Werk allerdings nicht: da die Artikel insgesamt sehr knapp sind - für mehr als Lebensdaten, Wirkungsorte, eine Charakterisierung und Einordnung, die in der Regel nicht mehr als einen Satz umfaßt, sowie eine kurze Liste der Hauptwerke mit Standort ist kein Platz -, wäre man für jeden Hinweis auf weiterführende Literatur dankbar. Da jedoch die Literaturangaben bereits in der 1. Aufl. wenig zahlreich waren, auch nicht immer dem damaligen aktuellen Stand entsprachen und zudem in der bibliographischen Beschreibung gelegentlich bis zur Informationslosigkeit verkürzt waren (nicht einmal Werkausgaben waren als solche zu erkennen, es sei denn, man erkannte bereits die Verfasser als diejenigen einer Werkausgabe), war es sicher der klarste und zugleich bequemste Weg, diese Angaben in der 2. Aufl. gänzlich zu streichen.

Welcher Informationsverlust damit allerdings eingetreten ist, wird augenfällig, wenn man die Artikel in Reclams Künstlerlexikon mit den bibliographisch ergänzten Artikeln im weiter unten besprochenen Wörterbuch der Kunst von Jahn/Haubenreißer vergleicht. Ist im ersten Fall nun der schnelle Zugriff auf Informationen über das Gesamtwerk eines Künstlers, besonders wichtige Forschungsansätze usw. verloren, bietet dies der Jahn mit seinen Literaturhinweisen in sinnvoll abgekürztem Überblick. In der kontinuierlichen Fortschreibung auch des bibliographischen Apparates zeigt sich auf unspektakuläre und damit leider auch schnell zu übersehende Weise ein gutes Stück bester lexikographischer Leistung des Jahn, dem man unter den Handlexika nicht genug Wertschätzung zollen kann. Gleichwohl macht dieses Urteil Reclams Künstlerlexikon nicht überflüssig, bietet doch der Jahn innerhalb des klassischen Fachspektrums nur eine Auswahl biographischer Artikel, die rein quantitativ nicht mit Reclams Künstlerlexikon konkurrieren kann. Auch hinsichtlich des zeitlichen Rahmens liegen die Schwerpunkte unterschiedlich, da Reclams Künstlerlexikon relativ breit auch Künstler der Gegenwart berücksichtigt. Beide Lexika ergänzen sich also mit unterschiedlichen Qualitäten im Bereich der Künstlerbiographie. Zur Information über Sachen und Personen aus Kunst und Architektur reicht dagegen für einen eher klassischen Kanon oftmals schon das Wörterbuch der Kunst. Umgekehrt machen die wenigen Sachbegriffe (es handelt sich zumeist um Stilbegriffe), die auch Reclams Künstlerlexikon verzeichnet, dieses noch nicht zu einem vollgültigen Kunstlexikon. Für die Sachartikel muß Seemanns kleines Kunstlexikon oder eben das Wörterbuch der Kunst herangezogen werden. Dieses sind die Werke, welche die als Zielgruppe von Reclams Künstlerlexikon anvisierten "Kunstfreunde ..., die für ihre Handbibliothek nicht das vielbändige Spezialwerk und doch mehr als eine Namensliste wünschen" (Waschzettel) zur Ergänzung heranziehen müssen. Evtl. besitzen diese aber auch bereits eines der weiter oben genannten Lexika. Für Bibliotheken, die diese mit Sicherheit besitzen und die "vielbändigen Spezialwerke" natürlich auch, ist der Band entbehrlich.

Angela Karasch / sh


[1]
Das als dtv 3356 bereits für November 1994 angekündigte Wörterbuch der Kunstgeschichte von Peter Hawel, das in diesem Zusammenhang hätte besprochen werden sollen, lag bis Redaktionsschluß Anfang Dezember 1995 noch nicht vor. (zurück)
[2]
IFB 95-4-495 - 595. (zurück)
[3]
Der Kunst-Brockhaus (zuletzt ABUN in ZfBB 35 (1988),2, S. 159 - 163); Herders Lexikon der Kunst (zuletzt ABUN in ZfBB 38 (1991),2, S. 176 - 179); Seemanns Lexikon der Kunst (zuletzt IFB 93-3/4-191). - Da die ersten beiden Lexika auch als Taschenbuchausgaben vorliegen (das erste ist zum Preis von DM 98.00 sehr attraktiv) und beide auch Sachbegriffe enthalten, muß sich der private Käufer schon überlegen, womit seinen Interessen am besten gedient ist. (zurück)
[4]
In den allgemeinen Literaturhinweisen ist nur die gebundene und teure Originalausgabe aufgeführt, nicht dagegen die bei dtv erschienene, erschwingliche Taschenbuchausgabe (vgl. IFB 93-3/4-188 - 189). (zurück)

Zurück an den Bildanfang