Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
[ Bestand in K10plus ]

Duden "Das große Fremdwörterbuch"


95-4-547
Duden "Das große Fremdwörterbuch" : Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter / hrsg. und bearb. vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion. [Bearb.: Günther Drosdowski]. - Mannheim [u.a.] : Dudenverlag, 1994. - 25 cm. - ISBN 3-411-04161-7 : DM 78.00
[2208]

Das innerhalb des Duden als dessen Bd. 5 zuletzt 1990 erschienene Fremdwörterbuch[1] erhält im neuen Duden "Das große Fremdwörterbuch" aus demselben Hause Konkurrenz. Verzeichnet der kleine Bruder nach Verlagsangabe rund 50.000 Fremdwörter, so der große ca. 80.000. Die Differenz dürfte dabei weniger aus der Aufnahme der seit 1990 neu in Gebrauch gekommenen Fremdwörter resultieren, denn aus der stärkeren Berücksichtigung von Fremdwörtern, "die nur regional verbreitet sind oder im Begriff stehen, zu veralten, sowie fremdsprachliche(r) Fachausdrücke. Aufgenommen wurden außerdem heute veraltete Fremdwörter des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts, die ... für das Verständnis der klassischen Literatur und der technischen, wissenschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung von Bedeutung sind" (S. 7); vermutlich sind es jedoch die Fachausdrücke, die am meisten zu Buche schlagen. Dazu kommen die zwar auch im kleinen Fremdwörterbuch nicht fehlenden, hier aber vermehrten und dazu ausgebauten Eintragungen unter "produktiven Wortbildungsmitteln" wie z.B. hemero... oder ...thek.[2] Obwohl diese 30.000 zusätzlichen Lemmata wesentlich zum größeren Umfang bei vergrößertem Format beitragen, so ist beides doch zum nicht geringsten Teil auch eine Folge des benutzerfreundlicheren Layouts (zweispaltiger statt dreispaltiger Satz und größere Schrifttype) und resultiert ferner aus der Vermehrung der Einzelinformationen: die Aussprache-Angaben - jetzt nach der internationalen Lautschrift, im kleinen Fremdwörterbuch dagegen nach der "volkstümlichen Lautschrift" - sind vermehrt und differenziert (je nachdem ob man eine deutsche oder eine fremdsprachige Aussprache wählen möchte); auch die etymologischen Angaben sind vermehrt und der "Entlehnungsweg ... bis zur Ursprungssprache zurückverfolgt" (S. 9).

Der Rezensent fühlt sich bei der häufigen Konsultation des Großen Fremdwörterbuchs immer wieder zum Lesen verführt. So reich das Große Fremdwörterbuch auch ist, so stößt man aus aktuellem Anlaß natürlich auf Lücken. Eine Mitarbeiterin an IFB, Vertreterin der Hispanistik, beklagte sich über die Prädominanz der Franzisten an den romanistischen Lehrstühlen in Deutschland: dieser Begriff, der in einschlägigen Werken belegt ist, sollte ebenso wie der gängigere - wenn auch nicht schönere - Begriff Französist (und damit auch Französistik), in einem so extensiven Wörterbuch nicht fehlen. Bei einem fancy[3] Wort wie He-man ("Mann der sehr männlich aussieht u. sich so gibt u. daher auch eine entsprechende Wirkung auf seine Umgebung in Bezug auf die Erotik ausübt") vermißt man natürlich nicht nur aus Gründen der Gleichberechtigung She-woman (bei den Bekannten des Rezensenten durchaus in). In kommt in dieser Bedeutung natürlich auch als Lemma vor, dazu weitere zwei für das Präfix in..., In... und das Suffix ...in.

Da die allermeisten der neuen Fremdwörter aus dem Englischen stammen, ist es auch für ein aktuelles und extensives Fremdwörterbuch kaum möglich, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Fehlende Begriffe aus dem EDV-Bereich lassen sich finden: clipboard,[4] das der Rezensent als Herausgeber von IFB in einer fremden Rezension durch ein passendes deutsches Wort zu ersetzen bat, fehlt und die wörtliche Übersetzung Klemmbrett, die das Duden-Oxford Großwörterbuch Englisch andient, ist nicht hilfreich, da es sich dabei um ein typisches lexikographisches Kunstwort handelt, das im Deutschen nicht belegt ist, jedenfalls nicht im Duden "Das große Wörterbuch der deutschen Sprache.[5]

Beim Lemma Fanzine meint der Rezensent allerdings, daß der Duden irrt, wenn er behauptet: "<aus gleichbed. fr. fanzine, Kurzw. aus fantaisie "Phantasie" u. magazine "Magazin">: mit phantastischen u. abenteuerlichen Bildfolgen illustriertes Jugendmagazin". Abgesehen davon, daß bereits ein Blick in eine neuere Ausgabe des Petit Larousse illustré genügt hätte, um die richtige Herleitung und Bedeutung des französischen Wortes festzustellen,[6] fehlt die eigentliche Bedeutung dieses doch wohl eher aus dem Englischen zu uns gekommenen Fremdwortes, die der Einfachheit halber nach der maßgeblichen Encyclopedia of science fiction[7] zitiert werden soll: "A fanzine is an amateur magazine produced by sf fans. The term 'fanzine', coined by Russ Chavenet in 1941, has been borrowed and used by comics collectors, wargamers, 'underground' publishers and other non-sf enthusiasts."

Dem Wörterbuch ist eine "Einführung in Geschichte und Funktion des Fremdworts" vorangestellt, die in veränderter Fassung auch im kleinen Fremdwörterbuch anzutreffen war und in beiden mit dem folgenden Satz schließt: "Abzulehnen ist der Fremdwortgebrauch da, wo er nur zur Erhöhung des eigenen sozialen bzw. intellektuellen Ansehens oder zur Manipulation anderer angewendet wird."

Ein mögliches Hilfsmittel zu einem dieserart fehlgeleiteten Fremdwortgebrauch bietet das dem Großen Fremdwörterbuch als Anhang beigegebene Verzeichnis "Deutsches Wort - Fremdwort"[8] (S. 1465 - 1557), das von Aas (Kadaver) bis Zwölftonmusik (Dodekaphonie)[9] reicht. Verzeichnet sind ca. 15.000 Wörter, für die es sinnverwandte Fremdwörter gibt. "Vorrangig soll dieser Wörterbuchteil dazu dienen, fremdwörtliche Entsprechungen aufzufinden, wenn beispielsweise eine andere Ausdrucksform gesucht wird oder ein fremdsprachiger Fachausdruck gefunden werden muß."

Nicht nur für Bibliotheken ersetzt das neue Große Fremdwörterbuch[10] seinen kleinen Bruder.

sh


[1]
Duden "Fremdwörterbuch" / bearb. vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion unter Mitwirkung von Maria Dose ... - 5., neu bearb. und erw. Aufl. - Mannheim [u.a.] : Dudenverlag, 1990. - 832 S. ; 20 cm. - (Der Duden ; 5). - ISBN 3-411-20915-1 : DM 36.00. (zurück)
[2]
Hemerothek kommt nicht vor und ist auch in den deutschsprachigen bibliothekarischen Fachwörterbüchern, soweit der Rezensent ohne extensive Recherchen feststellen konnte, nicht vertreten, obwohl die Einführung dieses Begriffs in unsere Fachterminologie - z.B. durch Entlehnung aus dem spanischen hemeroteca - zur Bezeichnung einer Zeitungsbibliothek durchaus sinnvoll wäre. (zurück)
[3]
Belegt sind hier freilich nur Zusammensetzungen wie Fancy-Cocktail, Fancy-Drink oder Fancy-dress (warum nicht Fancy-Dreß, da Dreß ebenso nachgewiesen ist wie Cocktail und Drink?) (zurück)
[4]
"A portion of a computer's memory set aside to store data being transferred from one file or application to another." (Webster's new world dictionary of computer terms. - 3. ed. - 1988, S. 51).
Im deutschen Sprachgebrauch von Windows als Ablagemappe bezeichnet. (zurück)
[5]
Der Herausgeber verzichtet inzwischen auch resigniert darauf, den englischsprachigen EDV-Jargon einzudeutschen, selbst dort, wo es möglich wäre und läßt sogar, wenn es nur gehäuft genug auftritt, auch Print-Wörterbücher gedruckt sein. (zurück)
[6]
"Fanzine de fan et magazine. Publication de faible diffusion élaborée par des amateurs de science-ficiton, bandes dessinées, de cinéma etc." Und fan hat natürlich nichts mit fantaisie zu tun, sondern ist auch hier aus dem Englischen entlehnt. (zurück)
[7]
Vgl. IFB 94-2-274. Das Zitat von S. 441. (zurück)
[8]
Es ist dazu angetan, das folgende Werk, wenn schon nicht zu ersetzen, so doch zu ergänzen:
Fremdwort gesucht? : Wörterbuch deutsch - fremd ; [unentbehrlich für gebildete Ausdrucksweise, stilistische Extravaganz und verbale Selbstverteidigung] / Willy Meyer. - Frankfurt am Main : Eichborn, 1988. - 203 S. - "Konnte sich jemand bislang durch einen mit einem für andere schwerlich einholbaren Bildungsvorsprung erworbenen Fremdwortschatz hervortun, ... [wird] mit Hilfe dieses ... einzigartigen Wörterbuchs ... nun die Gelegenheit geboten, sich von sprachlicher Unterlegenheit zu emanzipieren" (S. 3.) (zurück)
[9]
Wenn man ein normales Rechtschreib-Prüfprogramm als Maßstab für die Gängigkeit eines Wortes nehmen wollte, so fiele in diesem Fall die Entscheidung leicht: das des Rezensenten hat von ersterer noch nie etwas gehört, kennt aber letztere. (zurück)
[10]
Als historisches Belegwörterbuch weist das folgende Werk ganz andere Dimensionen auf; seine Neubearbeitung in 12 Bd. ist im Börsenblatt ... vom 15.12.1995, S. 11182 angezeigt: Deutsches Fremdwörterbuch / begonnen von Hans Schulz. Fortgef. von Otto Basler. - 2. Aufl. / völlig neu bearb. im Institut für Deutsche Sprache. - Berlin [u.a.] : de Gruyter. - Bd. 1. a-Präfix - Antike. - Bearb. von Gerhard Strauß (Leitung) ... 1995. - XVII, 52, 615 S. - ISBN 3-11-012622-2 : DM 260.00. - Das Erscheinen der 1. Aufl. zog sich von Bd. 1 (1913) bis Bd. 7 (1988) hin. (zurück)

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