Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
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Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland


95-4-505
Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland : 1840 - 1950 ; Gesamtverzeichnis der Veröffentlichungen in deutscher Sprache / Aiga Klotz. - Stuttgart : Metzler. - 30 cm. - (Repertorien zur deutschen Literaturgeschichte ; ...). - ISBN 3-476-00701-4
[1216]
1. (A - F). - 1990. - VII, 522 S. - (... ; 11). - ISBN 3-476-00702-2 : DM 298.00
2. (G - K). - 1992. - 548 S. - (... ; 12). - ISBN 3-476-00703-0 : DM 328.00
3. (L - Q). - 1994. - 485 S. - (... ; 13). - ISBN 3-476-00704-9 : DM 328.00

Gleich vorweg muß man den Mut der Bearbeiterin, sich im Alleingang an ein so riesiges Unternehmen zu wagen, bewundern. Anzuerkennen ist auch der immense Fleiß und die Energie, es so weit durchgehalten und das Werk vorangetrieben zu haben. Es liegen jetzt drei Bände mit Titeln von ca. 5500 Autoren der Buchstaben A - Q vor. Das sind Autoren mit bis zu fünfhundert Titelnachweisen. Es wird also eine Fülle von bibliographischen Angaben geboten.

Was ist hier enthalten, was kann man erwarten? Titel und Untertitel begrenzen den Inhalt auf "Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland" "in deutscher Sprache". In der Vorbemerkung wird aber "auf den deutschen Sprachraum, einbeziehend alle ins Deutsche übersetzten und deutsch nacherzählten Titel" erweitert.

Der Begriff "Kinder- und Jugendliteratur" wird nicht definiert, es wird nicht erläutert, was als Kinder- und Jugendliteratur ausgewählt wurde und wo die Begrenzung liegt. Die Bezeichnung "Kinder- und Jugendliteratur" wird gegenwärtig als Ober- und Sammelbegriff für die gesamte Produktion von Werken für Kinder und Jugendliche verwendet, gleich ob es sich um belletristische Werke oder Sachschriften, ob es sich um Lektüre für Kinder im Vorschulalter oder schon für schulentlassene, in Lehre und Ausbildung befindliche bis etwa 16 Jahre alte Jugendliche handelt. Das schließt sowohl Bilderbücher als auch Bearbeitungen von Werken der Erwachsenenliteratur für Kinder und Jugendliche ein. Nicht dazu gehört das, was Kinder und Jugendliche eventuell außerdem noch aus dem Bereich der Erwachsenenliteratur lesen. Die Bearbeiterin folgte nicht diesem Begriffsverständnis, wie sich an Hand einiger Stichproben feststellen läßt. Ihre Auswahl ist enger: Sachbücher findet man kaum. Bilderbücher sind nur aufgenommen, wenn sie einen Textautor haben. So fehlen alle Bilderbücher die "nur" vom Illustrator geschaffen wurden. Die Illustratoren Gertrud Caspari,[1] Walter Crane, Elsa Eisgruber, Fedor Flinzer, Karl F. von Freyhold, Karl Fröhlich, Paul Konewka, Lothar Meggendorfer, Eugen Osswald, Oscar Pletsch und viele andere, die ihre Texte zum Teil selbst verfaßt haben oder Reime der Volksdichtung illustrierten, wird man vergebens suchen. Selbst Max und Moritz und die anderen von Wilhelm Busch für Kinder geschaffenen Bilderbücher wurden ausgespart. Wilhelm Busch taucht im Alphabet der Verfasser nicht auf. Das wurde aber nicht konsequent ausgeführt. Der Struwwelpeter-Hoffmann ist mit allen seinen Bilderbüchern vertreten, ebenso Ernst Kreidolf oder die Olfers. Mit dem Attribut "Illustrator" versehen, wurden Susanne Ehmcke, Karl Lossow und Eduard Ille aufgenommen. Bei letzterem fehlen allerdings acht Titel, die zwar anonym erschienen, aber in anderen Bestandsverzeichnissen und Bibliographien unter seinem Namen aufgeführt sind.

Anonym erschienene Schriften, wenn es sich nicht gerade um Titel handelt, deren Verfasser allgemein bekannt sind und dann unter deren Namen stehen, fehlen insgesamt. In der Vorrede der Bibliographie heißt es lediglich "Die Gliederung erfolgt durchweg alphabetisch, zunächst nach Autoren". Was mit den anonym erschienenen Kinder- und Jugendbüchern geschieht, wird nicht gesagt. Ob sie vielleicht noch in einem Anhang folgen, darüber geben auch die Verlagsprospekte keine Auskunft. Man kann aber kaum von einem Gesamtverzeichnis sprechen, wenn diese Titel wirklich fehlen sollten. Im Bestandsverzeichnis der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin für die Jahre 1850 - 1900, das 3829 Titel aufführt, machen die anonym erschienenen Schriften immerhin sieben Prozent aus.

Die Zuordnung eines Werkes zur Kinder- und Jugendliteratur, ohne es eingesehen zu haben, ist nicht immer einfach. Nicht immer geht der Adressat aus dem Titel, Untertitel, der Widmung oder Reihe hervor. Es ist also nicht verwunderlich, wenn viele Autoren und Titel in den Allgemeinbibliographien (GV u.a.) nicht erkannt, andere wiederum fälschlich für Kinder- und Jugendliteratur gehalten wurden. Die vorliegende Bibliographie kann daher nicht vollständig sein. Leider erfahren wir nicht, welche Bibliographien und Nachschlagewerke ausgewertet wurden. Das soll erst im letzten Band erfolgen. Das GV diente wohl als Hauptquelle. Viele Titel sind an der Aufnahme durch die Übernahme der alten Formatbezeichnungen in Bogen wiederzuerkennen. Stichproben und Vergleiche mit veröffentlichten Bestandsverzeichnissen von Kinderbuchsammlungen öffentlicher Einrichtungen (z.B. Berlin, Braunschweig, Frankfurt a.M.) zeigen, daß dort viele Autoren und Titel verzeichnet sind, die bei Klotz fehlen. Wurden diese Verzeichnisse, die ja nach Autopsie bearbeitet worden sind und somit exakte Angaben bieten, nicht ausgewertet? Auch die älteren umfangreichen Antiquariatskataloge, die heute von Antiquaren als Bibliographie und Titelnachweis zitiert werden, sind nicht vollständig berücksichtigt worden. Bestehende Bibliographien zu Autoren und Illustratoren wurden nicht konsequent genutzt. So fehlen etwa bei Franz Pocci nicht nur vier Titel. Auch die aufgenommenen Titel wurden nicht ergänzt. Bei vielen fehlt die Angabe der Seitenzahl.

Die Wahl des Berichtszeitraumes 1840 - 1950 wird in der Vorbemerkung begründet. Die Bibliographie soll dort einsetzen "wo Theodor Brüggemanns anders organisiertes Handbuch aufhört. Und sie endet ihrerseits dort, wo nach dem Zweiten Weltkrieg und der Währungsreform neue Ordnung im Produzieren und Konservieren von Büchern aufkam. Nach 1950 dürfte jedes neu erschienene Buch, ob für Erwachsene oder Kinder, als Pflichtexemplar an Bibliotheken gegangen sein, die es genau registriert haben." Der Bezug auf das "anders organisierte Handbuch" ist für den Beginn der Bibliographie von Klotz unzureichend. Das Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur, das nach Fertigstellung bis 1850 reichen soll, ist nicht primär eine Bibliographie. Es enthält "lediglich" als eine Beispielsammlung eine ausgewählte Bibliographie exemplarischer Titel. So enthält der Band für den Zeitraum von 1750 bis 1800, dem Charakter des Werkes entsprechend, eine Auswahl von etwas mehr als tausend Titel.

Doch ist der gewählte Zeitraum zweitrangig, da er in keiner Weise eingehalten wird. Die Fortschreibung höherer Auflagen über den gewählten Zeitraum hinaus, wird man oft dankbar begrüßen. Ebenso, die Aufnahme der ersten Ausgaben, vor dem Zeitabschnitt, wenn die Nachauflagen im gesetzten Zeitraum erschienen sind. Aber vor 1840 erschienene Werke gehören sonst nicht hinein, besonders dann, wenn alle Werke des Verfassers vor der Berichtszeit erschienen sind (z.B. Clementine Hiller, Luise Holder, Ewald Hold, Johann Heinrich Lehnert, Markham u.a.). Hinzu kommt, daß die Aufnahme dieser Titel zufällig erscheint, denn andere Titel dieser Autoren aus dem gleichen Zeitraum fehlen. Bei vielen Autoren wird die Berichtszeit erweitert und es sind stillschweigend Titel früherer Jahre aufgenommen. Bei einigen wird darauf hingewiesen, wie z.B. bei Meynier, wo es heißt "Hier nur Neuausgaben nach 1830". So sind dann von den sechs aufgeführten Titeln allein fünf vor 1840 erschienen. Aber bei den "Neuausgaben nach 1830" fehlen fünf weitere Titel, die in dieser Zeit erschienen sind. Bei Heinrich August Müller wird auch vermerkt "Auswahl der Ausgaben seit ca. 1830". So sind von 53 Titeln nur elf im wirklichen Berichtszeitraum, 37 aber in der angeführten Erweiterung und weitere fünf sogar noch davor erschienen.

Mit der Zeitgrenze 1950 wird noch willkürlicher umgegangen. Bei einigen Autoren überwiegt sogar die Aufführung der nach 1950 erschienenen Titel (Josef Lada: von vier Titeln erschienen drei nach 1950; Auguste Lazar: von 17 Titeln 15; Munro Leaf: von 5 Titeln 3; Erika Mann: von 6 Titeln 4; Samuil Marsak: von 28 Titeln 18; Erich Kästner von 167 Titeln 118. Gustav Huanker's Titel erschienen sogar alle erst 1952 und später). Die willkürliche Erweiterung wird zum Ballast. Da nie erläutert wird, bis wann nun wirklich alle Titel des jeweiligen Autors erfaßt wurden, bleibt eine große Unsicherheit. Bei Wilhelm Hauff z.B. findet man Titel bis 1991, bei Defoe nur bis 1973.

Die gewählte Anordnung der Autoren und Titel bietet manche Vorteile. Die Autorennamen sind durnumeriert. Innerhalb jeden Autors sind dessen Werke für sich durchgezählt unter Voranstellung der betreffenden Autorennummer. So sind Verweisungen leicht möglich und jeder Titel kann bequem zitiert werden. Bei größeren Komplexen, vor allem bei den Bearbeitungen von Werken der Weltliteratur für die Jugend (wie Cervantes oder Defoe) wird der Zugang zu den Titelmassen erleichtert. Es werden die Bearbeiter in alphabetischer Reihenfolge genannt mit Angabe der Titelnummer. Es werden auch die verschiedenen Titelformen aufgeführt. Das ist besonders wichtig, da die Werke nicht unter einem Einheitssachtitel gestellt, sondern in der vorliegenden Form nach dem Alphabet der Verlage aufgeführt werden.

Die ungewöhnliche Ordnung der einzelnen Ausgaben eines Werkes nach Verlagsnamen hat große Nachteile. Die einzelnen Ausgaben sind nun nicht in der chronologischen Abfolge ihres Erscheinens aufgeführt. So muß man die Erstausgabe eines Titels erst unter allen Ausgaben suchen. Bei Campes Robinson der Jüngere wird vorweg das Jahr der Erstausgabe (1779 - 1780) genannt, dann folgt die Aufzählung der Bearbeiter mit Titelnummer. Die einzelnen Ausgaben zählen von Titelnummer 13 - 98. Zwischendurch befindet sich eine tabellarische Übersicht, der im Verlag Loewe erschienenen 49 Auflagen. Das ist für diese Ausgabe sehr nützlich. Doch wo ist die erste im Berichtszeitraum erschienene Ausgabe? Dazu muß man alle Titel auf ihr Erscheinungsjahr hin durchsehen. An siebzigster Stelle findet man dann die 20. rechtm. Aufl. 1830. Zu Collodis Pinocchio wird 1883 als Erscheinungsjahr für die Originalausgabe angegeben. Für die erste deutsche Übersetzung fehlt jeder Hinweis. Nach Durchsicht aller 28 Titel findet man als früheste Jahreszahl 1905 ohne Vermerk, daß es sich um die erste deutsche Bearbeitung handelt. Bei Erich Kästners Emil und die Detektive findet man bei den aufgeführten Ausgaben an 19. Stelle den Vermerk = 1. Ausgabe. Doch vorher hat man auch alle außerhalb des Berichtszeitraumes also nach 1950 erschienenen Ausgaben mitlesen müssen. Bei Erich Kästner hat man den Eindruck, als sollte hier eine Gesamtbibliographie seiner Kinderbücher geboten werden. Die Ausgaben reichen bis 1991. Über zwei Drittel der Ausgaben sind außerhalb des Berichtsraumes erschienen. Dennoch fehlen bei fünf Titeln die späteren im Kinderbuchverlag Berlin erschienenen Auflagen. Das Durcheinander in der chronologischen Abfolge scheint auch die Bearbeiterin nicht immer befriedigt zu haben. Im 3. Bd. bei Gustav Nieritz, einem Vielschreiber, der mit 542 Titelnummern selbst noch Karl May übertrifft, der "nur" 450 Titelnummern aufweisen kann, führt sie eine Orientierungshilfe ein. Bei mehr als drei Ausgaben eines Titels stehen über dem ersten Eintrag die Nummern der Titel in der historischen Reihenfolge.

Eine überwiegend aus sekundären Quellen erarbeitete Bibliographie muß die Titel aus der Vorlage übernehmen, da sind keine weiteren Forderungen zu stellen. Eine Rekonstruktion des Titelblattes läßt sich später nicht mehr durchführen. Dennoch muß die angegebene Version der Verfasserschaft der jeweiligen Ausgabe erkennbar bleiben. Das wird auch zum Teil gewährleistet. Wenn die Verfasserangabe im Titel von der vorangestellten Namensform (wirklicher Name oder Pseudonym) abweicht, wird im Titel darauf hingewiesen. Anonym erschienene Werke dagegen werden stillschweigend dem Autor zugeordnet, ohne daß zu erkennen ist, wie das Werk erschienen ist (z.B. Klara Fechner, Adolf Glaßbrenner, Wilhelm Hey).

Die Verläßlichkeit der angegebenen Erscheinungsjahre einzuschätzen, wird sehr erschwert durch den ungewöhnlichen Umgang mit runden und eckigen Klammern. "Jahreszahl ohne Klammer kann als korrektes Erscheinungsdatum betrachtet werden; ob sie allerdings vom Titelblatt des beschriebenen Buches stammt, ob aus dem Impressum oder einem Vorwort, oder ob sie einer Verlagsmitteilung entnommen wurde, konnte ich nicht überprüfen. Steht das angegebene Datum in ( ), wurde es entweder so übernommen oder, bei leichten Zweifeln, von mir eingeklammert. [ ] bedeutet, daß die Zahl eine geschätzte ist." Die nach subjektivem Ermessen erfolgte Verwendung der Klammern birgt eine große Unsicherheit. Eine Linie der Handhabung ließ sich nicht feststellen. Ein Vergleich der Titel Julius Lohmeyers mit dem Bestandsverzeichnis der Staatsbibliothek zu Berlin zeigte, daß von fünfzehn Titeln, deren Erscheinungsjahr laut der eckigen Klammern in vorliegenden Verzeichnis ermittelt worden waren, sechs ohne Klammern wiedergegeben, aber neun in runden Klammern gesetzt wurden. Die Titel des Kinderbuchverlages Berlin, für dessen Produktion vollständige Bibliographien bestehen, sind mal ohne Klammern mal mit runden angeführt.

Es muß nochmals gesagt werden, in dieser Bibliographie steckt ein immenser Fleiß. Sie entstand nicht durch einfaches Kopieren und Neuordnen relevanter Titel aus anderen Bibliographien. So wurden die Neuauflagen, die nicht wesentlich verändert sind, den betreffenden Ausgaben angefügt. Und zwar werden alle Auflagen einzeln mit dem jeweiligen Erscheinungsjahr in fortlaufender Schreibweise aufgeführt. Das bietet eine gute Orientierungsmöglichkeit, zumal Veränderungen eingefügt sind, und spart Platz. Den Verfassern sind die Lebensdaten und, wo notwendig, die Nationalität beigefügt. Pseudonyme sind aufgelöst. Trotz allem Respekt vor der Leistung zeigt sich doch, daß, abgesehen von der eigenwilligen Anlage der Bibliographie, eine Gesamtbibliographie eines so großen Zeitraumes im Alleingang nicht zu bewältigen ist. Das zeigen die vielen fehlenden Verfasser und Titel, die ungenügende Nutzung bereits bestehender Bibliographien und Bestandsverzeichnisse. Eine Konzentration auf den selbst gewählten Zeitraum und dafür Ausschöpfung der vorhandenen Verzeichnisse wäre besser gewesen.

Bei allen Einwendungen bleibt das doch eine sehr nützliche Bibliographie. Man wird bei Recherchen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur immer zuerst zum Klotz greifen, sich aber nicht damit zufrieden geben dürfen. Das Werk macht leider die vielen kleinen Bibliographien, Bestandsverzeichnisse und Werkbibliographien nicht überflüssig. Es ist aber Ort der ersten Orientierung.

Bibliographien : 1871 - 1914 : Illustrationen


[1]
S.u. IFB 95-4-515. (zurück)

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