Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 3
[ Bestand in K10plus ]

Sterbebücher von Auschwitz


95-3-378
Sterbebücher von Auschwitz : Fragmente = Death books from Auschwitz = Ksiegi zgonów z Auschwitz / hrsg. vom Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. [Red.: Jerzy Debski ... Übers.: Michael Jacobs ...]. - Deutsche Ausg. - München [u.a.] : Saur. - 25 cm. - ISBN 3-598-11262-9 : DM 498.00
[2852]
1. Berichte. - 1995. - 317, 214 S. : Ill. - ISBN 3-598-11263-7 : DM 198.00
2. Namensverzeichnis A - L. - 1995. - 751 S. - ISBN 3-598-11275-0 (Bd. 2 und 3) : DM 396.00 (mit Bd. 3)
3. Namensverzeichnis M - Z. - 1995. - S. 755 - 1653. - ISBN 3-598-11275-0 (Bd. 2 und 3) : DM 396.00 (Mit Bd. 2)

Der Begriff "Auschwitz" steht für Massenverbrechen und Völkermord im 20. Jahrhundert. Das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz gilt als der Ort, an dem die sog. "Endlösung", die Vernichtung der europäischen Juden, auf grausamste Weise in die Tat umgesetzt wurde. Jede Veröffentlichung über das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ist darum dem "Phänomen Auschwitz" verpflichtet und muß immer auch eine Veröffentlichung gegen die Wiederholbarkeit der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges sein. In diesem Zusammenhang ist die Publikation der "Sterbebücher" zu sehen, sie soll dazu beitragen, daß die Opfer nicht vergessen werden. Der 1. Band enthält neben einer Einführung Berichte von überlebenden Häftlingen über Schreibstuben, SS-Ärzte, über bestimmte Häftlingsgruppen (Polen, Sowjetbürger, Sinti und Roma, Juden), zudem eine Chronologie des Lagers, Täterbiographien, Literaturhinweise und hervorhebenswerte Ausführungen zur EDV-gestützten Auswertung der Auschwitzer Sterbeeinträge. Ein Abbildungsteil von 214 Seiten zeigt Photos z.B. von Häftlingen, vom Lager, von "Zugangslisten" und "Sterbeeinträgen". Dieser 1. Band erscheint parallel in einer deutschen, englischen und polnischen Ausgabe. Die Bände 2 und 3 mit zusammen 1653 Seiten sind reine Namenslisten auf Grund der "Sterbebücher": angegeben sind Familien- und Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Nummern der Sterbeeinträge aus dem jeweiligen "Sterbebuch". Der 3. Band enthält als Annex in gleicher Anordnung Sterbeeinträge aus acht weiteren Lagerverzeichnissen.[1]

Zur Verdeutlichung dessen, was im 2. und 3. Band an personenbezogenen Daten angeboten wird, folgende kurze Erläuterungen: Man hat davon auszugehen, daß im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ca. 3 Mio. Menschen ermordet wurden. Die große Mehrzahl der überwiegend jüdischen Häftlinge kam in Massentransporten direkt zur massenhaften Vernichtung und wurde gar nicht erst als Häftling registriert. Registriert wurden ca. 400.000 Menschen, von denen etwa die Hälfte im Lager ums Leben kam. Ausschließlich von diesen wurden - bürokratisch penibel - personenbezogene Daten erhoben und verwaltet. Die Sterbedaten betreffen also lediglich registrierte Häftlinge, wobei die Todesursachen häufig gefälscht wurden. Die umfangreichsten Sterbelisten waren die "Sterbebücher", daneben wurden 8 weitere Listen geführt, die Sterbeeinträge enthielten. Wie andere Akten des Lagers ist ein Teil der "Sterbebücher" vor der Einnahme des Lagers durch die sowjetischen Truppen vernichtet worden oder verloren gegangen. Die bis heute erhaltenen 46 "Sterbebücher" für den Zeitraum vom 27.07.1941 - 31.12.1943 mit knapp 69.000 Einträgen wurden für die vorliegende Publikation in eine Datenbank eingespeist und zusammengeführt.[2] Als gedrucktes Ergebnis entstand die vorliegende, alphabetisch geordnete Namenliste nach Art der Suchlisten des Deutschen Roten Kreuzes. Die Sterbeeinträge aus den acht anderen Verzeichnissen wurden in derselben Weise behandelt, jedoch zu einer gemeinsamen Liste zusammengespielt. Die gefährdeten Archivalien des Lagers werden so nicht nur konserviert, sondern auch, was für die historische Forschung besonders wichtig ist, durch erweiterte Recherchemöglichkeiten erschlossen. Die Vorzüge der kombinierten Suche in einer Datenbank können bei gedruckten Datenbankauszügen jedoch generell nur ungenügend wiedergegeben werden.[3] Die hier publizierten "Sterbebücher" sind solch ein gedruckter Datenbankauszug, nämlich ein alphabetisch geordnetes Namensverzeichnis ohne Register. Wegen des ausschließlich eindimensionalen Zugriffs entbehren die Bd. 2 - 3 weitgehend der für ein Nachschlagewerk zu fordernden Recherchemöglickeiten. Aber auch der 1. Band bietet dem Studenten und dem Forscher nur wenig: die Beiträge enthalten kaum etwas Neues und sind in ähnlicher Form bereits anderwärts veröffentlicht, und die Chronologie stellt eine Zusammenfassung zweier veröffentlichter Bücher dar. Die Bibliographie verdient diesen Namen nicht, handelt es sich doch um Belege zu den Beiträgen des 1. Bandes und um weiterführende Literatur. Einigermaßen brauchbar sind noch die 165 Täterbiographien. Es sind darunter etliche Personen, über die noch keine Publikation vorliegt. Allerdings kann nicht nachvollzogen werden, woher die Informationen für die Kurzbiographien stammen. Hinweise auf Archivalien oder gar publizierte Literatur fehlen völlig.

Angelika Hohenstein


[1]
Während das vorliegende Verzeichnis vom Endpunkt ausgeht, stellen die inzwischen von mehreren deutschen Städte vorgelegten "Gedenkbücher" für ihre jüdischen Bürger die Opfer des Holocaust nach ihrer Herkunft zusammen. Das neueste Verzeichnis dieser Art, in dessen Einleitung S. 8 - 9 Verzeichnisse für andere Städte erwähnt werden, behandelt Köln: Die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Köln : Gedenkbuch. Red.: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. - Köln [u.a.] : Böhlau, 1995. - 555 S. ; 25 cm. - (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln ; 77). - ISBN 3-412-12694-2 : DM 28.00. [sh] (zurück)
[2]
Das Verfahren bedient sich des aufwendigen Datenbankprogramms Kleio, das am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen entwickelt wurde und innerhalb des Projektes "Sicherstellung und verbesserte Erschließung der Quellenbestände im Archiv der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau" angewendet wird. (zurück)
[3]
Gleichfalls ein Ergebnis der digitalisierten Erfassung von Akten bildet die folgende Veröffentlichung über Sinti und Roma im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau: Memorial book : the gypsies at Auschwitz-Birkenau = Gedenkbuch = Ksiega pamieci / State Museum of Auschwitz-Birkenau in coop. with Documentary and Cultural Center of German Sintis and Roma. - München [u.a.] : Saur, 1993. - Bd. 1 - 2. - XLV, 1674 S. - ISBN 3-598-11162-2 : DM 398.00. (zurück)

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