Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 3
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Reiseführer durch das jüdische Deutschland


95-3-377
Reiseführer durch das jüdische Deutschland / Peter Hirsch ; Billie Lopez. Aus dem Amerikanischen von Leopoldine Schnabl. - 1. Aufl. - München : Kovar, 1993. - 271 S. : Ill. ; 21 cm. - EST: A traveller's guide to Jewish Germany. - ISBN 3-925845-35-6 : DM 38.00
[2973]

Da es sich um die Übersetzung eines zuerst in englischer Sprache erschienenen Titels[1] handelt, kann man annehmen, daß dessen Zielgruppe ursprünglich Juden waren, die sich rechtzeitig vor dem Holocaust retten konnten und nach Jahrzehnten, trotz allem, was sie erlitten haben, Deutschland auf den Spuren ihrer Ahnen bereisen wollen. Daß trotz der systematischen Zerstörung jüdischer Einrichtungen durch die Nationalsozialisten erstaunlich viele Zeugnisse jüdischer Kultur überlebten und dazu seit etwa fünfzehn Jahren erforscht und vielfach auch mit großem Aufwand und Engagement restauriert werden, was nur mit dem starken Interesse vieler Nichtjuden an diesen Denkmälern zu erklären ist, läßt es sinnvoll erscheinen, diesen Reiseführer auch einem deutschsprachigen Publikum anzubieten.

Berücksichtigt sind einschließlich Doppelnennungen 145 Orte, die alphabetisch unter folgenden zentralen Orten verzeichnet sind, d.h. ohne Berücksichtigung von Ländergrenzen, was die regionalen Schwerpunkte von Zeugen jüdischer Kultur nicht leicht erkennen läßt und zu eigenartigen Nachbarschaften (Trier gleich neben Veitshöchheim) führt: Berlin (7), Hamburg (8), Hannover (13), Kassel (15), Köln (19), Frankfurt (43), Nürnberg (31), Stuttgart (18), München (11), Erfurt (7). Völlig unnötig ist das Verfahren, einzelne Orte mit identischen Artikeln bei zwei zentralen Orten, also doppelt einzutragen, weil sie von beiden aus zu erreichen sind (so Ulm unter Stuttgart und München, Würzburg unter Frankfurt und Nürnberg). Daß die Auswahl vor allem wohl mit Präferenzen und Ortskenntnis der Autoren zu tun hat, liegt auf der Hand und entspricht allenfalls bei den neuen Bundesländern mit deren Nachholbedarf in Sachen Pflege jüdischer Kultur in etwa dem "touristischen" Angebot.

Die Artikel zu den großen Orten jüdischer Kultur beginnen mit einer Inhaltsübersicht, es folgen eine knappe Geschichte des Judentums am jeweiligen Ort, sodann die Beschreibung der Denkmäler (hier u.a.: Synagogen, Museen, das Dokumentationszentrum, Gedenkstätten, Friedhöfe); die Angaben zu den einzelnen Denkmälern sind sehr verschieden ausführlich, auch sehr unterschiedlich inhaltsreich und zuverlässig; ein negatives Beispiel ist die Beschreibung der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße: hier gibt jeder bessere Berlin-Führer ausführlichere und sachkundigere Auskunft. Literaturangaben fehlen. Das Verdienst des Reiseführers liegt auch eher in der Hinführung zu den wenig bekannten Zeugnissen des deutschen Landjudentums: "genaue Adressen, Öffnungszeiten und Zutrittsmöglichkeiten" sind genannt, allerdings mit Einschränkungen, welche die Verfasser selbst im Vorwort ansprechen.[2] - Beigaben: zahlreiche Farbphotos zumeist schlechter Qualität; Chronologie zur Geschichte der Juden in Deutschland (S. 13 - 26); Glossar (S. 242 - 256); Hebräische Buchstaben und Zahlen (S. 257 - 259); Register der Orte, Personen und Sachbegriffe (mit den meisten Eintragungen unter Bautypen, z.B. Synagoge, mit dem Ort als Unterschlagwort).

Die Qualität der Klebebindung ist leider miserabel: lose Blätter stellten sich bereits beim Blättern zum Zwecke der Rezension ein; sie dürften sich stark vermehren, sobald der Rezensent erst einmal mit Hilfe dieses zur Erkundung anregenden, speziellen Reiseführers ins Gelände gehen wird. Sein Nutzen resultiert nicht zuletzt aus der Tatsache, daß die (wiederhergestellten) Denkmäler jüdischer Kultur in den allgemeinen (Kunst-)Reiseführern noch keineswegs angemessen repräsentiert sind.

sh


[1]
Der Band selbst ließ sich allerdings nicht nachweisen: er fehlt in Books in print ebenso wie im Blackwell title index. (zurück)
[2]
Nur zwei Beispiele: Während die Lage des jüdischen Friedhofs von Rödelsee samt der Zufahrtsmöglichkeit gut beschrieben ist, fehlt jede diesbezügliche Angabe für den jüdischen Friedhof von Wenkheim ("liegt rund 100 km südöstlich von Frankfurt und 130 km südwestlich von Nürnberg, zwischen der A3 und der Bundesstraße 27"). (zurück)

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