Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 3
[ Bestand in K10plus ]
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Jüdische Buchkunst


95-3-349
Jüdische Buchkunst / Ursula Schubert. - Graz : Akademische Druck- und Verlagsanstalt. - 27 cm. - (Buchkunst im Wandel der Zeiten ; 3)
[1898]
Teil 2. Mit einer historischen Einleitung von Kurt Schubert und einem Beitrag von Otto Mazal. - 1992. - 225 S. : Ill. - ISBN 3-201-01563-6 : DM 134.00

Seit einigen Jahren wird in qualitativ wertvollen Studien und in beeindruckenden Ausstellungen, die durch teilweise hervorragende Kataloge erschlossen werden, jüdisches Leben, jüdische Kultur und Geschichte in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gestellt. Hiermit konnte das Wissen über das Judentum wesentlich bereichert werden. Ursula und Kurt Schubert, durch zahlreiche Veröffentlichungen bestens ausgewiesene Kenner der Materie, widmen sich vorrangig einem Aspekt der jüdischen Kultur, dem der Buchkunde. Bereits vor über zehn Jahren erschien ihr erster Band über Jüdische Buchkunst;[1] der vielseits ersehnte zweite Teil liegt nun in einer ebenso ansprechenden Ausstattung vor.

Er behandelt die Buchmalerei vom Beginn des hebräischen Buchdrucks bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert.[2] Nach einem historischen Abriß über das europäische Judentum bis zum Ende des 18. Jahrhunderts werden Schreiber, Drucker und Buchmaler mit ihren Werken vorgestellt. Eine Reihe wichtiger biographischer Daten konnte dabei auch vielen Kolophonen entnommen werden. Im Mittelpunkt der religiösen Werke stehen zwei Gruppen von Kodizes; zum einen die zahlreichen Pesach-Haggadot-Handschriften mit einer relativ hohen Verbreitung im aschkenasischen Raum, zum anderen Gebets- und Andachtsbücher, die - wie die Pesach-Haggada - für die einzelne Familie angefertigt wurden. Das Verdienst der Verfasser liegt nun auch und gerade in der, nahezu ausnahmslos auf Autopsie beruhenden Beschreibung dieser Handschriften und Drucke. Mit erstaunlicher Übersicht werden Vorlagenfragen erörtert, Provenienzen ermittelt, ikonographische Besonderheiten erläutert; die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte einzelner Stoffe, Motive oder Werke wird in der Regel ausführlich entwickelt. Erfreulich ist, daß die hier vorgestellten Bücher mit Bibliotheksstandort und -signatur jederzeit eindeutig identifizierbar sind. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind beeindruckend; so etwa konnte anhand der Darstellung von Bibelszenen nachgewiesen werden, daß bereits im frühen Mittelalter eine Verbindung zwischen christlicher und jüdischer Kunst bestand. Des weiteren dokumentiert der Band - ein überzeugendes Zusammenwirken von Kunstgeschichte und Judaistik -, daß die These von der Bilderfeindlichkeit der Juden kritisch zu werten ist. Die aschkenasische - und auch die sephardische - Buchmalerei ist, wie die zahlreichen Abbildungen zeigen, reich an schmückenden und darstellenden Elementen. Auch jüdische Lederschnitteinbände sind, wie Otto Mazal in seinem Beitrag (S. 189 - 208) ausführt, nicht schmucklos; so etwa fungieren als ikonographisches Hauptmotiv Fabelwesen in verschiedenster Gestalt.

Das zweibändige Werk Schuberts wird durch je ein Verzeichnis der Abbildungen und der abgebildeten Kodizes und Drucke erschlossen. Das Verzeichnis der ausgewählten Literatur läßt jedoch Fragen offen; beispielsweise wird allgemeine, einführende Literatur kaum aufgeführt. Gravierend aber ist vor allem, daß Abkürzungen (von Zeitschriften, Schriftenreihen etc.) nicht aufgelöst werden. Damit werden dem interessierten Leser, der die komplexe, dem abendländischen Kulturkreis teilweise fremde Thematik erarbeiten möchte, unnötige Schwierigkeiten bereitet. Dessen ungeachtet aber liegt ein gewichtiges Sachbuch vor, das die Forschung zur Kultur- und Geistesgeschichte und insbesondere zur jüdischen Buchmalerei im europäischen Kontext wesentlich bereichert.

Reinhard Tenberg


[1]
Jüdische Buchkunst / Ursula Schubert. - Graz : Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 1983. - 159 S. - (Buchkunst im Wandel der Zeiten ; 3) (zurück)
[2]
Im Vorwort zum 1. Teil wird erwähnt, daß der 2. Teil die Buchkunst bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts darstellen wird. In Anbetracht des überwältigenden Materials haben die Verfasser verständlicherweise beschlossen, "Druckwerke nur so weit zu berücksichtigen, als sie Vorlagen boten, die von den jüdischen Schreibern und Illustratoren des 18. Jh.s benutzt und modifiziert wurden." (S. 7) (zurück)

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