Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 2
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Lexikon literaturtheoretischer Werke


95-2-216
Lexikon literaturtheoretischer Werke / hrsg. von Rolf Günter Renner und Engelbert Habekost. - Stuttgart : Kröner, 1995. - XIV, 520 S. ; 18 cm. - (Kröners Taschenausgabe ; 425). - ISBN 3-520-42501-7 : DM 48.00
[2628]

Was interpretationsmüden Schülern und Studenten der Kindler ist, fehlt theorieschwachen deutschsprachigen Philologen bislang: ein Lexikon literaturtheoretischer Werke. Im Dickicht der behende wachsenden Theorieanteile verspricht nun die neue Kröners Taschenausgabe Orientierungshilfe. Auf 520 Seiten im gewohnten, handlichen Format finden sich rund 400 Einträge zu literaturtheoretisch orientierten Werken der Weltliteratur von Joseph Addison bis Paul Zumthor. Eindeutiger Schwerpunkt sollen laut Vorwort Werke des 20. Jahrhunderts sein, ohne jedoch "historische Basistheorien" außer Acht zu lassen (die dann auch in erheblicher Zahl vertreten sind). Die alphabetisch nach dem Originaltitel geordneten, namentlich gezeichneten Einträge sind dank der Kolumnentitel leicht recherchierbar. Das Corpus ist durch einen Überblick nach Sachgebieten, ein Autoren- und Werkregister sowie durch ein Register der Sachbegriffe vorbildlich erschlossen. So wird der Zugriff auch auf Themengruppen gewährleistet, weitere denkbare Sucheinstiege sind möglich. Einzig eine chronologisch ordnende Liste hätte man sich noch gewünscht.

Grundlage der Auswahl war neben der "Wirkungsmächtigkeit eines theoretischen Entwurfs" und der Breite seiner Rezeption die "Originalität" und Innovationskraft eines Textes; ein Maßband für letzteres wird nur leider nicht mitgeliefert. So fehlt nicht nur der für den New Criticism zentrale Text The well-wrought urn (1942) von Cleanth Brooks - seine Bände Understanding poetry (1938), Understanding fiction (1942) und Understanding drama (1948) haben das Literaturbild von mehr als nur einer Generation beeinflußt - oder M.H. Abrams The mirror and the lamp (1953); ein so wichtiger und produktiver Exponent literaturtheoretischen Schaffens wie Terry Eagleton fällt gleich ganz unter den Tisch: auch Althusser, Chomsky, Eliade, Empson, Gombrich, Gilbert und Gubar, Kayser, Kermode, Macherey, Ong, Praz, Propp, Richards und de Saussure - um nur die "Wirksamsten" zu nennen - sind dort gelandet.

Der vergleichsweise geringe Umfang des Bandes bedingt dazu ein hohes Maß an Abstraktion, was - bei mangelnder editorischer Lenkung der zahlreichen Beiträger - durchaus hermetischen Charakter bedingen kann. Die Binnenstruktur der Einträge ist sehr uneinheitlich, ebenfalls ihre Qualität. Letztere reicht von Nichtssagend (beispielsweise zu Feyerabends Against method oder zu Lambs Elia) bis zum Versuch, im Kondensat die Komplexität des Originals überbieten zu wollen (so F.A. Kittler). Zur Erhellung der dargestellten Werke tragen beide Verfahrensweisen denkbar wenig bei. Idealiter wird jedoch auf das Schema Aufbau und Zentralgedanken, Hinweise zur Wirkung, Literaturangaben rekurriert.

Dieses sehr gut erschlossene Bändchen kann die in IFB 94-3/4-427 - 431 besprochenen Nachschlagewerke - besonders soweit die moderne Literaturtheorie betroffen ist - nicht ersetzen; dem der englischen Sprache nicht Kundigen bietet sich somit bislang keine nennenswerte Alternative. Für den Bereich der historischen literaturtheoretischen Schriften bietet es dagegen, wenn auch offensichtlich entgegen der ursprünglichen Intention, ein wertvolles Hilfsmittel.

Rudolf Nink


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