Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 2
[ Bestand in K10plus ]

Bibliographie der deutschen Grammatiken und


95-2-215
Bibliographie der deutschen Grammatiken und Orthographielehren / Claudine Moulin-Fankhänel. - Heidelberg : Winter. - 25 cm. - (Germanische Bibliothek : Reihe 6, Bibliographien und Dokumentationen ; N.F., ...)
[2638]
1. Von den Anfängen der Überlieferung bis zum Ende des 16. Jahrhunderts / unter Mitarb. von Ursula Götz. Mit einem Vorwort von Rolf Bergmann. - 1994. - 245 S. : Ill. - ISBN 3-8253-0225-3 : DM 78.00. - (... ; 4)

Im selben Jahr, in dem die neueste deutsche Orthographiereform verabschiedet worden ist, legt die anzuzeigende Bibliographie den Grundstein zur Aufarbeitung der deutschen Grammatiken und Orthographielehren von ihren Anfängen an. Es ist der erste von zwei Bänden, der vom 15. bis zum 17. Jahrhundert reicht; der zweite Band (17. Jahrhundert) soll in Kürze folgen. Ein Band über das 18. Jahrhundert ist in Arbeit. Daß für die Erforschung der Geschichte der deutschen Grammatik und Orthographie jetzt auch das unerläßliche bibliographische Fundament gelegt wird, bezeugen außer dem vorliegenden, an der Forschungsstelle für Deutsche Sprachgeschichte an der Universität Bamberg mit Unterstützung der DFG bearbeiten Projekt auch die bereits 1980 erschienene Kommentierte Bibliographie zur deutschen Orthographietheorie und Orthographiegeschichte im 19. Jahrhundert[1] sowie eine neue Systematische Bibliographie der deutschen Rechtschreibbücher.[2]

Die vorliegende Bibliographie ist für die Sprachgeschichtsforschung von grundlegender Bedeutung, auch wenn man die Notwendigkeit, sich auf Werke zu beschränken, die ihr "Beschreibungsziel auf die deutsche Sprache an sich richten" (S. 22), nur mit Bedauern akzeptiert; bleiben dadurch doch interessante Grenzfälle wie Stilistiken (etwa Briefsteller, artes dictandi) unberücksichtigt. Der Band deckt den Zeitraum von 1473 (Steinhöwel, S. 167 ff.) bis 1596 (Hulsius, S. 97 ff.) ab. Vorwiegend handelt es sich um Druckwerke, aber auch vier nur handschriftlich überlieferte Titel (drei Schriften Huebers, S. 92 ff. und ein Werk Salats, S. 161 f.). Vielleicht wäre es konsequenter gewesen, das chronologisch angelegte Gesamtwerk auch innerhalb der Einzelbände chronologisch statt alphabetisch zu ordnen, sei es nach den Lebensdaten der Autoren oder, besser, nach ihren jeweiligen Erstlingswerken. Zumindest hätte ein chronologisches Register beigefügt werden sollen.

Nach einer ausführlichen Einleitung werden 26 Autoren mit insgesamt 41 meist in mehreren Auflagen erschienenen Titeln und ein anonymes Werk behandelt. Jeder Autor wird in einem biographischen Abriß mit Literaturbericht vorgestellt. Dann folgen der oder die Titel einschließlich aller alten Auflagen samt bibliographischen Nachweisen und Hinweisen auf Neu-Editionen. Die Titel werden zuerst in Form einer Schlagzeile, danach diplomatisch genau und zugleich bibliographisch ausführlich wiedergegeben, Fehlendes wird ergänzt; Formate sollten allerdings, wie in bibliographischen Beschreibungen heute üblich, in cm-Angaben erfolgen. Schließlich ist in teilweise umfangreichen Kapiteln die Sekundärliteratur, thematisch gegliedert, zusammengestellt. Dies dient zugleich als stark schematisierte Übersicht über die in dem Werk abgehandelten Sachgebiete. Ein Faksimile der Titel- oder einer Textseite des besprochenen Werkes schließt das jeweilige Kapitel ab. - Der Band endet mit mehreren Verzeichnissen, insbesondere einem umfangreichen Literaturverzeichnis, das jeden zitierten Titel nachweist, einem Verzeichnis der Bibliotheken (dieses nennt trotz vereinzelter Nachweise aus dem National union catalog nur europäische Bibliotheken) und einem Personenregister nebst Drucker- und Verlegerregister. Hilfreich sind die lebenden Kolumnentitel.

Obwohl zu Beginn des Projekts "alle Werke (also nicht nur solche zur Grammatik und Orthographie)" (zitiert nach der Anfang 1987 versandten ersten Bibliotheksumfrage) interessiert hatten, wird in der nun vorgelegten Bibliographie bedauerlicherweise nur "das grammatisch oder orthographisch relevante Schrifttum" (S. 28) der einzelnen Autoren nachgewiesen. Da ein Einfluß dieser frühen Grammatiker auf die Entwicklung der deutschen Sprache nur schwer nachzuweisen ist (S. 17 f.), wäre es umso reizvoller, nachzuprüfen, ob ihre Theorien und Normen sich wenigstens in ihren eigenen Werken widerspiegeln.

Die Freude des Herausgebers über die Standortnachweise, die jeder einzelnen Auflage beigefügt sind und die "hoffentlich eine auch in jüngeren Publikationen geübte Unsitte beenden helfen, Werke des 16. und 17. Jahrhunderts ohne einen solchen Exemplarnachweis zu zitieren" (S. 8), können Bibliothekare, die diese Exemplare zu betreuen haben, nur bedingt teilen. Es gäbe nichts dagegen einzuwenden, wenn wenigstens die bekannten Exemplare tatsächlich vollständig nachgewiesen würden, so daß die künftige Benutzung dieser Quellen entsprechend breit gestreut werden könnte. Dies ist hier aber nicht einmal ansatzweise erreicht. So bietet z. B. der Bayerische Verbundkatalog in der seit 1994 im Rahmen des von der DFG unterstützten Projekts SOKRATES online zur Verfügung stehenden Version neun zusätzliche Nachweise für Hulsius' Dictionarien; der Bayerische Zentralkatalog, in Mikroficheform seit langem zugänglich, verzeichnet allein von Hulsius' Dictionarium Teutsch-Frantzösisch - Frantzösisch-Teutsch, Oppenheim, 1614 vier Exemplare, von denen in der Bibliographie nur das Coburger genannt ist. Weitere Nachweise hält der Verbundkatalog des Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI-VK) bereit. Der National union catalog wird zwar zitiert, scheint aber nur sporadisch konsultiert worden zu sein (übersehen wurde z. B. ein Exemplar von Hulsius' Oppenheimer Ausgabe bei der Library Company of Philadelphia). Unter diesen Umständen werden Bibliotheksumfragen, mit denen dieses und viele ähnliche Projekte arbeiten, ohne sich zuvor ausreichend über die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel informiert zu haben, zum Ärgernis. Was würde ein Fachwissenschaftler sagen, wenn er darum gebeten würde, ausgewählte Ergebnisse seiner Publikationen für einen Kollegen zusammenzufassen, um diesem das Durcharbeiten der Literatur zu ersparen? Erst wenn die Grundlage erarbeitet ist, sollten Umfragen die Ergebnisse absichern, so etwa, daß es sich bei dem Bamberger Exemplar von Hulsius' Dictionarium von 1596 lediglich um eine Xerokopie handelt, was der Katalogeintrag leider verschweigt.

Klaus Walter Littger


[1]
Kommentierte Bibliographie zur deutschen Orthographietheorie und Orthographiegeschichte im 19. Jahrhundert / Michael Schlaefer. - Heidelberg : Winter, 1980. - 317 S. ; 24 cm. - (Germanische Bibliothek : N.F. : Reihe 6, Bibliographien und Dokumentation). - ISBN 3-533-02895-X (zurück)
[2]
Systematische Bibliographie der deutschen Rechtschreibbücher / Britta Stanze. - Egelsbach [u.a.] : Hänsel-Hohenhausen, 1994. - VI, 220 S. ; 21 cm. - (Deutsche Hochschulschriften ; 1045). - Zugl. Teildr. von: Osnabrück, Univ., Diss., 1994 u.d.T.: Stanze, Britta: Die orthographischen Regelbücher des Deutschen. - ISBN 3-8267-1045-2 (kart.) : DM 64.00 (freier Pr.) [2797]. - Eine Rezension in IFB ist vorgesehen. (zurück)

Zurück an den Bildanfang