Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
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Technologie und Enzyklopädismus im Übergang vom 18. zum


95-1-026
Technologie und Enzyklopädismus im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert : Johann Georg Krünitz (1728 - 1796) und seine Oeconomisch-technologische Encyclopädie / Annette Fröhner. - Mannheim : Palatium-Verlag im J-&-J-Verlag, 1994. - 510 S. ; 21 cm. - (Mannheimer historische Forschungen ; 5). - Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1994. - ISBN 3-920671-12-0 : DM 74.00
[2582]

Annette Fröhner hatte sich in ihrer Doktorarbeit mit der Ökonomisch-(technologischen) Encyklopädie auseinanderzusetzen, die 1773 von Johann Georg Krünitz begonnen, von einigen weiteren Autoren fortgesetzt und erst 1858 mit dem 242. Band abgeschlossen wurde. Im allgemeinen Teil befaßt sich die Verfasserin mit den diversen Autoren des Werkes, den Inhabern des Verlags sowie der Programmatik des Werkes; im zweiten, speziellen Teil spürt Fröhner anhand einiger ausgewählter Themen den Quellenwerken und der Methodik nach, wie deren Wissensstoff in die Enzyklopädie eingeflossen ist. Besonders dieser von der Aufgabenstellung gewiß nicht leicht zu bewältigende Abschnitt des Buches ist der Dissertantin sehr gut, streckenweise sogar bravourös gelungen. Es ist gewiß ein zeitraubendes und mühseliges Unternehmen, sich anhand zeitgenössischer Quellen erst einmal in den Stand des Wissens der damaligen Zeit einzulesen und dann dessen Widerspiegelung in den nicht weniger als 242 Bänden der Enzyklopädie zu suchen. Daß sie für einige Passagen, für die Krünitz keine Literaturhinweise gibt, im nachhinein die verwendeten Vorlagen gefunden hat, ist eine Anerkennung verdienende Belohnung für die umfangreichen Recherchen, die Fröhner anzustellen hatte. Daß die Titel von Krünitz' Bibliothek heute noch bekannt sind, da diese nach dem Tod ihres Besitzers versteigert wurde und der diesbezügliche Katalog heute noch einsehbar ist,[1] hat den Kreis der in Frage kommenden Literatur kaum eingeengt, da 15.000 Lose (!) zum Ausruf kamen. Zieht man davon die Dubletten ab und subsumiert man Reihenwerke unter einem einzigen Titel, bleiben immerhin noch nach der Schätzung des Rezensenten an die zehntausend Titel über, gewiß eine große Arbeitsbelastung für Fröhner.

Auch im ersten Abschnitt ihres Buches finden sich ganz hervorragende Passagen. Mit der Auswertung der Unterlagen im Geheimen Staatsarchiv in Merseburg ist der Dissertantin ein Glanzstück gelungen, sie hat damit die Krünitz-Forschung um ein gutes Stück weitergebracht. Und wenn Fröhner in Anbetracht der ungeheuren Stoffülle so mancher Lapsus passiert ist, sollte man darüber nicht den Stab über der Verfasserin brechen. So kommen ihr beispielsweise die beiden Auszüge des Werkes, deren Autoren beide Schütz heißen und sich nur durch ihre Vornamen unterscheiden, durcheinander; der auf S. 76 zitierte Verleger Vierreg wird wohl Vieweg[2] heißen; die Brünner Originalausgabe umfaßt sogar fünf Bände und nicht nur die drei, die Fröhner einsah, die zweite Auflage wurde nicht mit dem 97., sondern erst mit dem 108. Band eingestellt; und sicherlich wird sich Fröhner darüber ärgern, auf S. 55 einem der Verfasser der Enzyklopädie, Korth, bescheinigt zu haben, daß über ihn "kein anderweitiges Quellenmaterial existiert", hätte doch ein Blick in den Goedeke (Bd. 14, 1959, S. 648 - 650) sie eines besseren belehrt.[3] Die Fehlerliste ließe sich noch fortsetzen, freilich wurde hier aus raumökonomischen Gründen auch nicht auf alle Meriten der Doktorarbeit eingegangen. Man darf nicht aus dem Auge verlieren, daß die Materie überaus komplex und das Buch kein Lebenswerk, sondern eine Dissertation ist, die innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens erarbeitet werden muß.

Gewiß ist für Aufgabensetzungen, die mit Terminsetzung behaftet sind, die Benutzung eines elektronischen Speichermediums von Vorteil. Man darf dabei freilich nicht die größte Gefahr aus den Augen verlieren, nämlich daß Passagen aus frühen Stadien der Erarbeitung wegen ihrer scheinbaren, nur optisch bestechenden Druckreife im Text verbleiben, obwohl sie dem letzten Informationsstand eigentlich gar nicht mehr entsprechen. Bei der früher üblichen Reinschrift mußte alles Material noch einmal durch das Nadelöhr einer kritischen Zusammenschau, ein Arbeitsvorgang, der dazu geeignet ist, eine Arbeit zu konzentrieren, dabei aber ausreifen zu lassen. So macht der schwierige zweite oder spezielle Teil des vorliegenden Buches einen harmonischen Gesamteindruck, im ersten Abschnitt sind vor allem die Passagen über Krünitz und Pauli ganz hervorragend recherchiert. Fröhner sind da einige erstaunliche Archivfunde gelungen. Mit den späteren Autoren der Enzyklopädie hatte die Verfasserin merkbar weniger Freude. Trotz einiger kleiner Einwände ist das Buch ein unverzichtbarer Baustein zur weiteren Erforschung dieser bisher noch so wenig untersuchten Enzyklopädie.

Es ist zu hoffen, daß Frau Fröhner auch in Zukunft am Ball bleiben wird. Sie hat außer dieser Dissertation bereits zwei einschlägige Aufsätze zum Thema veröffentlicht,[4] zwei weitere sind bereits eingereicht und sollen in Kürze folgen. Ferner hat Fröhner eine Bearbeitung des Versteigerungskataloges der Krünitzschen Bibliothek angekündigt. Wenn ihr diese Herkulesarbeit ebenso gut gelingt wie ihre Dissertation, wäre das ein weiterer wichtiger Schritt für die Krünitz-Forschung.

Otmar Seemann


[1]
Bibliotheca Krünitziana. - Berlin, 1797. - 448, 32 S. (zurück)
[2]
Vgl. Geschichte des Buchhandels und der Buchdruckerkunst / Friedrich Metz. - Darmstadt : Metz, 1834. (zurück)
[3]
Das Wissen um die Existenz von Quellenmaterial allein ist auch noch nicht ausreichend. Der Rezensent jagt schon seit geraumer Zeit vergeblich einer im Goedeke zitierten Hühner- und Taubenzeitung nach, die von besagtem Korth redigiert wurde und in der ein Nekrolog über ihn zu finden ist. Es sieht ganz so aus, als ob sich weder in der Bundesrepublik, noch in der Schweiz oder in Österreich eine einzige Nummer des Blättchens erhalten hat. (zurück)
[4]
Die Oeconomisch-technologische Encyclopädie von Johann Georg Krünitz / Annette Fröhner. // In: Das achtzehnte Jahrhundert : Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts. - 17 (1993),2, S. 119 - 129, sowie: "Wenige, die nicht lesen mögen, werden nicht mit Nutzen und Vergnügen dieses Buch brauchen können" : Johann Beckmann und Johann Georg Krünitz ; Reflexionen und Einflüsse / Annette Fröhner. // In: Johann Beckmann-Journal. - 7 (1993),1/2, S. 25 - 37. (zurück)

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