Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
[ Bestand in K10plus ]

Bibliotheca erotica


95-1-017
Bibliotheca erotica : sive apparatus ad catalogum librorum eroticorum ; (ad usum privatum tantum) / José Antonio Cerezo. - Madrid : Ediciones El Museo Universal, 1993. - XIII, 338 S. ; 20 cm. - ISBN 84-88427-07-7 : Ptas. 4697
[1869]

Anhang : Addenda & Corrigenda zu Cerezo
Der Titel ist ungewöhnlich, aber zutreffend, während die Werbung auf dem Einband eine Bibliographie der Bibliographien verspricht, was nur teilweise stimmt. Es handelt sich um ein Verzeichnis vielerlei Publikationen, die einen Bezug zur Erotik haben, wobei nur die Originalwerke erotischer Literatur und Kunst selbst ausgeschlossen sind, kurz ein Verzeichnis eines (virtuellen) Handapparates, der bei der Erarbeitung eines Katalogs erotischer Bücher nützlich wäre.

Víctor Infantes (Professor an der Facultad de Letras de la Complutense) leitet den Band mit einem humorvollen und höchst lesenswerten Vorwort ein (Prohemio de un árcade futrosófico para un aventajado académico de Venus), in dem er über Bibliographie plaudert und ihren Anhängern eine gehörige Portion Masochismus vindiziert.[1] In seiner kurzen Einführung weist Cerezo darauf hin, daß Erotica weitgehend eine Domäne von Sammlern und Bibliophilen sind, aber gleichwohl große Bedeutung für die Literaturgeschichte haben. Dies ist der Grund dafür, daß er seit Jahren an einer kritischen Bibliographie erotischer Werke arbeitet, zu der die vorliegende "Bibliothek" gewissermaßen den Apparat darstellt. Er läßt die größeren Erotica-Bibliographien Revue passieren und weist, mit Recht, auf die bisher ganz unzureichende Behandlung spanischer Erotica hin. Allerdings hat sich nicht zuletzt dank seiner eigenen Bemühungen, ein Bewußtseinswandel vollzogen, was sich an einer Reihe von Publikationen und Veranstaltungen ablesen läßt.[2] Darauf nennt Cerezo seine Auswahlkriterien: 1. Hilfsmittel verschiedenster Art zur erotischen Literatur, wie Wörterbücher, Dokumente, Aufsätze und Anthologien; 2. Allgemeine Bibliographien, die neben vielem anderen eben auch Erotisches enthalten; 3. Spezialbibliographien, also eigentliche Erotica-Bibliographien. Auf Verzeichnisse von Abkürzungen und Bibliothekssigeln[3] folgt der "Katalog" mit 684 Nummern. Daran schließen sich unnumerierte Addenda an. Das Werk wird durch ein Titel- sowie ein Namensregister erschlossen.

Die "Bibliothek" stellt eine enorme Leistung dar, vor allem, wenn man die Situation vieler spanischer Bibliotheken und die Schwierigkeiten, sich dort einschlägige Literatur zu beschaffen bedenkt. Die Fülle der Titel besticht, und die Findigkeit des Autors ist zu bewundern. Der Bibliograph wird allerdings mit Aufbereitung und Präsentation des Materials nicht immer glücklich sein:

1. Die Aufnahmekriterien sind so weit, daß man gut und gern auch viertausend Titel zusammenbringen könnte; die vorliegende Auswahl beruht anscheinend auf dem, was dem Autor im Original zur Einsicht vorlag oder ihm auf Grund der bibliographische Verzeichnung an anderer Stelle einschlägig erschien. Nun ist das sicherlich kein Hauptargument, und im Zweifelsfall ist eine Bibliographie allemal besser als keine.

2. Der "Katalog" ist alphabetisch nach Autoren angeordnet. Das führt dazu, daß vieles kaum Zusammengehörige nebeneinander steht. Lediglich Werke eines Autors finden sich bequem zusammen, aber auch nicht vollständig, da zahlreiche Titel nur in den Annotationen genannt werden. Die Kriterien für letztere Praxis sind nicht ganz klar, denn es handelt sich keineswegs immer um peripheres Material; vermutlich konnte der Titel nur einer Bibliographie entnommen werden, so daß keine nähere Information vorlag.

3. Kaum die Hälfte der beschriebenen Titel ist von Bibliothekssigeln begleitet. Selbst wenn der Autor über eine gute Privatbibliothek verfügt, so ist doch anzunehmen, daß er einen großen Teil des Materials nicht zur Verfügung hatte. Diese Vermutung wird durch die schlechte Qualität vieler Eintragungen bestätigt. Die Angaben sind teilweise unzuverlässig und unvollständig, da offensichtlich in zahlreichen Fällen aus zweiter und dritter Hand kompiliert. Mal fehlt der Verlag, dann die Umfangs- und Serienangabe. Die Zahl der Satzfehler ist überwältigend, besonders bei deutschen und englischen Namen und Titeln.[4] Eine Annotation oder ein Kommentar fehlt in vielen Fällen, so daß man vermuten kann, daß der Autor in diesen Fällen außer der Titelaufnahme keine weiteren Angaben besaß.

4. Es sind nur wenige Illustrationen und leider nur Titelblätter beigegeben. Immerhin läßt sich dadurch gelegentlich die Titelabschrift korrigieren.[5]

5. Das Titelregister gibt nur Titel (mit willkürlichem Abbruch, offenbar auf Grund eines Computerprogramms), Erscheinungsjahr und Nummer der Eintragung. Ein Hinweis auf den Autor wäre zur Unterscheidung ähnlicher Titel sehr angebracht.[6] Das Register besteht aus 13 Sachgruppen, von Bibliographien der Bibliographien, über Bibliographien, Geschichte der erotischen Literatur, Anthologien, Illustrationen, Pseudonymen bis zu Aufsätzen, Monographien, Formen der Erotik, allgemeinen Katalogen, Katalogen von Privatbibliotheken, Bibliophilie und Wörterbüchern. Die Zuordnung ist gelegentlich zweifelhaft.[7]

6. Das Namensregister verzichtet auf die Angabe der vollen Vornamen und nennt sattdessen nur die Initialen (gelegentlich nicht einmal diese).

All dies führt dazu, daß man die bibliographischen Angaben nicht ungeprüft übernehmen kann.[8] Mancher Bibliothekar wird den zweiten [9]Die Lesefrüchte an Fehlern, Versehen, unvollständigen Angaben etc., die bereits bei flüchtiger Durchsicht der "Bibliothek" zusammenkamen, füllen nicht weniger als 6 Seiten; sie werden dem Verfasser zugänglich gemacht, seien aber den Lesern von IFB erspart.

Zusatz zum Sachtitel wörtlich nehmen - nur zum privaten Gebrauch -, denn die Nutzung in der Bibliothek wird zahlreiche ergänzende Ermittlungen notwendig machen. Glücklicherweise kann man für alle Recherchen jetzt auf das Werk von Bayer/Leonhard (IFB 95-1-016) ausweichen, das dank seiner soliden Auswahlkriterien, in der ausführlichen und kritischen Kommentierung und der bibliographischen Zuverlässigkeit der vorliegenden "Bibliothek" haushoch überlegen ist.

[sh]


[1]
Hier nur der erste Satz in Übersetzung: "Wenige Freuden können die Lektüre einer guten Bibliographie übertreffen, und wenn sie überdies kritisch und kommentiert ist, mag es gelingen, gelegentlich extreme Höhen der gelehrten Wollust zu erreichen." (zurück)
[2] Z.B. die Symposien Erotismo y la Literatura clásica Espa¤ola der Facultad de Filología de la Complutense, 1988. - El Erotismo y la Brujeria en Cervantes. Coloquio, 29 - 30 noviembre, 1 diciembre. Montilla, 1991. - I Coloquio de Erótica Hispana. [Los territorios literarios de la historia del placer]. Montilla, 1993. (zurück)
[3]
Darunter natürlich die folgenden, die über bedeutende Erotica-Sammlungen verfügen, wie die Bayerische Staatsbibliothek, die Wiener Stadt- und Landesbibliothek, British Museum Library [!], Congress Library [!], BibliothŠque nationale. - Zu einer in der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrten Privatsammlung erotischer Literatur vgl. jetzt: Bibliotheca erotica Krenneriana : eine bürgerliche Privatsammlung um 1800 / Stephan Kellner. // In: Bibliotheksforum Bayern. - 22 (1994),1/2, S. 64 - 86. (zurück)
[4]
So wird z.b. Dühren zu Durhen, Frühlingstagen zu Frühlingstaten, gods zu goods, Legman zu Legmann, Ottmann zu Ottman usw. (zurück)
[5]
So Nr. 126: Collier, J. Payne: A Short view of the inmorality and Profaneness of the English stage / Togheter / With the sense of Antiquity upon this arguments. London for S. Keble at the Turkis Head ... 1698. Der gegenüberstehenden Illustration läßt sich der erste Vorname entnehmen (Jeremy), und es muß natürlich immorality, together, argument, Turk's-Head heißen. Der Zeilensprung ist in diesem Beispiel nur ausnahmsweise und rudimentär angegeben; insofern wäre es besser, ihn ganz entfallen zu lassen. (zurück)
[6]
Z.B. Sexual History of Rome - es könnte die englische Fassung des Werkes von Otto Kiefer sein ... (zurück)
[7]
So kann man natürlich die folkloristische Studie Das Geschlechtleben des ukrainischen Bauernvolkes (von Tarasevskyj, 1909) als Anthologie einordnen, die bekannten Sittengeschichten von Eduard Fuchs unter Illustrationen und einen New Orleans-Bordellführer unter Aufsätze, Monographien ... (zurück)

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