Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
[ Bestand in K10plus ]

Die Presse der sozialen Bewegungen 1918 - 1933


95-1-010
Die Presse der sozialen Bewegungen 1918 - 1933 : Linksparteien, Gewerkschaften, Arbeiterkulturbewegung, Anarchismus, Jugendbewegung, Friedensbewegung, Lebensreform, Expressionismus ; kommentiertes Bestandsverzeichnis deutschsprachiger Periodika im Institut zur Erforschung der Europäischen Arbeiterbewegung (Bochum), im Institut für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund und im Fritz-Hüser-Institut für Deutsche und Ausländische Arbeiterliteratur der Stadt Dortmund / Aiga Seywald. - 1. Aufl. - Essen : Klartext-Verlag, 1994. - 465 S. ; 21 cm. - (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts für Deutsche und Ausländische Arbeiterliteratur der Stadt Dortmund : Reihe 2, Forschungen zur Arbeiterliteratur ; 9). - ISBN 3-88474-169-1 : DM 98.00
[2489]

Die Direktoren der beteiligten Institute loben dieses Buch im gemeinsamen Vorwort als "ein(en) Beitrag zur Pressegeschichte, ein Bestandsverzeichnis und zugleich ein Lexikon, das einen facettenreichen Überblick über die vielgestaltige Landschaft linker Gruppierungen in der Weimarer Republik bietet. Die Bibliographie ist mit ihrem multidimensionalen Ansatz eine Pionierarbeit." (Vorwort, S. 6). Vier Ansprüche, die sich nicht nur an die Autorin, sondern auch an die Institute richten, deren Sammeltätigkeit diese Bibliographie erschließt.

In einem Projektauftrag hat Frau Seywald die vielfältigen und einschlägigen Sammlungen der in Bochum und Dortmund beheimateten drei Institute gesichtet und 1.194 "linke" Zeitschriften, die in der Weimarer Zeit erschienen sind, bibliographisch beschrieben und inhaltlich kommentiert. Von den beteiligten Instituten kann nur das Institut für Zeitungsforschung für diesen Zeitraum als (z.T.) zeitgenössisch eingestuft werden (Gründungsjahr 1926), die beiden anderen Institute sind neuere Gründungen, d.h. ihre Sammlungen sind erst im nachhinein unter fachlichen Gesichtspunkten aufgebaut worden und fußen auch auf dem Sammlerfleiß anderer Institute und Privatpersonen. Die historischen Bestände sind in anderen Bibliotheken der Summe nach zweifellos vorhanden und sind dort vor Ort resp. in überregionalen Verzeichnissen und Katalogen (ZDB) in ihren Beständen verzeichnet oder sind bibliographisch in anderen, z.T. älteren und eingeführten Spezialbibliographien (die Frau Seywald im Anhang auch aufführt) nachgewiesen. Die Sammlungen der drei Institute sind insofern vor allem für den örtlichen und regionalen Wissenschaftsbetrieb wichtig und unterstützen durch den Nachweis ihrer Präsenz überregional die Forschung. Insofern ist die akribische Bestandsnotierung durchaus von Nutzen, auch wenn die Bestände in den Instituten inzwischen vermutlich vermehrt und ausgebaut worden sind (Redaktionsschluß war für das Institut für Zeitungsforschung Juli 1988, für das Bochumer Institut März 1991 und für das Fritz-Hüser-Institut Juli 1992).

Zum wertvollen Beitrag zur Pressegeschichte wird das Bestandsverzeichnis schon durch die sorgfältige bibliographische Beschreibung der Zeitschriften, durch die zahlreichen Verknüpfungen und durch die zwar unterschiedlich intensiven, aber immer informativen Kommentare, die weitere Bezüge herstellen, viele Mitarbeiter nennen und auch weiterführende Literatur angeben. Schließlich auch dadurch, daß bei längerlebigen Zeitschriften nicht nur die Jahrgänge aus der Weimarer Zeit angegeben werden, sondern auch frühere und spätere, so daß die historische Einbindung in frühere Phasen der Arbeiterbewegung, kultureller oder literarischer Strömungen und der Abbruch zur NS-Zeit, in den Untergrund und zum Exil für viele Organe deutlich wird. Der Titel des Buches ist insofern unnötig eng gefaßt und verschweigt diese historische Einbettung.

Zum Lexikon schließlich wird der Bestandsnachweis durch die alphabetische Folge der Zeitschriftentitel und durch die Register: Ein knappes Sachregister nennt 40 Themenkomplexe mit Verweisungen auf Titelnummern. Ein Personenregister führt alle Namen aus den bibliographischen Beschreibungen und aus den Kommentaren auf, ist daher zwar nicht vollständig im Sinne eines Mitarbeiterregisters, aber doch signifikant für die vorgestellten Zeitschriften. Ein Organisationsregister verfährt nach demselben Prinzip und bevorzugt dabei die eher exotischen Gruppierungen. Da nicht nur Zeitschriften im engeren Sinne, sondern auch Jahresberichte, Bulletins, Geschäftsberichte u.ä. in das Verzeichnis aufgenommen worden sind, wird hier ein weites Spektrum von über 900 Organisationen, Ortsgruppen und Gruppierungen dokumentiert. Ein geographisches Register nennt die Orte und Regionen, aus denen und über die bevorzugt oder ausschließlich berichtet wird. Ein Register der Beilagen und Sonderhefte ergänzt schließlich die in den Hauptteil eingearbeiteten Verweise und gleicht die unterschiedliche Katalogisierungspraxis der drei Institute aus.

Zur Pionierarbeit wird das Bestandsverzeichnis durch die Breite der Zusammenstellung: Nicht einzelne politische, kulturelle oder literarische Strömungen werden durch ihre Zeitschriften dokumentiert, sondern das ganze weite "linke" Spektrum, das in seiner Vielfältigkeit und Antagonität ein wesentliches Charakteristikum der Weimarer Zeit war. Kritikpunkte an der Aufnahme oder am Fehlen der einen oder anderen Zeitschrift und der Zweifel, ob dies auf einer Entscheidung von Frau Seywald oder auf einer Lücke in den Sammlungen beruht, mögen bleiben, auch Kritik daran, daß bei sehr lückenhaften Beständen außer dem durchweg notierten Erscheinungsverlauf nicht auch vollständige(re) Bestände anderer Bibliotheken hätten notiert werden können oder sollen. Eine wertvolle bibliographische Einführung in die "linke" Kultur der Weimarer Republik ist dieses Verzeichnis allemal, - verbesserungs- und ausbaufähig ist es wie jede Bibliographie.

Wilbert Ubbens


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