Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
[ Bestand in K10plus ]

Latin manuscript books before 1600


95-1-001
Latin manuscript books before 1600 : a list of the printed catalogues and unpublished inventories of extant collections / by Paul Oskar Kristeller. - 4. rev. and enlarged ed. / by Sigrid Krämer. - München : Monumenta Germaniae Historica, 1993. - XXXVI, 941 S. ; 22 cm. - (Monumenta Germaniae Historica : Hilfsmittel ; 13). - ISBN 3-88612-113-5 : DM 98.00
[2388]

Paul Oskar Kristellers[1] Bibliographie Latin manuscript books before 1600 erschien erstmals im Jahre 1948 als Zeitschriftenaufsatz und bot im wesentlichen ein Verzeichnis gedruckter Handschriftenkataloge zu lateinischen Handschriften des Mittelalters und der Renaissance; seine nach Bibliotheksorten geordnete Zusammenstellung ungedruckter Inventare mittelalterlicher lateinischer Handschriften folgte im Jahre 1953, ebenfalls als Aufsatz.[2] Die zweite Auflage, in Buchform bei der Fordham University Press im Jahre 1960 verlegt, vereinigte die auf die einzelnen Bibliotheksorte sich beziehenden bibliographischen Informationen über gedruckte und ungedruckte Kataloge in einem Ortsalphabet und erleicherte so die Benutzung des Gesamtwerkes erheblich. Die dritte, 1965 erschienene Auflage fügte Korrekturen, ergänzendes Material und Neuerscheinungen aus Kostengründen lediglich in einem als Anhang separat gedruckten Supplement hinzu.[3] Diese Bibliographie, ursprünglich als Arbeitsmittel für die Bearbeiter des damals von Kristeller betreuten Unternehmens der Mediaeval and renaissance Latin translations and commentaries gedacht, hat sich schon bald nach ihrem Erscheinen für die gesamte Mediävistik und Handschriftenforschung zu einem als unentbehrlich betrachteten Hilfsmittel, geradezu zu einem Klassiker der Handschriftenkunde entwickelt. Generationen von Forschern und Gelehrten sind mit diesem Werk durch die Handschriftensammlungen vor allem Europas gereist und haben im Laufe der Jahre mit gezücktem Bleistift auf den vom Verlag freigelassenen letzten Blättern handschriftlich ihre eigenen Ergänzungen eingetragen; in manchen Handschriftenabteilungen hat man gar die auf den eigenen Bestand sich beziehenden Signaturen an den Rändern des Kristeller eingetragen. Die fast dreißig Jahre jedoch, die seit dem Erscheinen der letzten Auflage vergangen sind, haben auch an diesem Werk deutliche Spuren hinterlassen. In den meisten europäischen Ländern und in den USA sind in den letzten drei Jahrzehnten zahllose Kataloge lateinischer Handschriften erschienen. Die Bestände in deutschen Bibliotheken, die selbst am Beginn der sechziger Jahre noch als schlecht erschlossen gelten konnten, sind dank der Bemühungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und ihres Handschriften-Katalogisierungsprogramms inzwischen zumindest teilweise hervorragend beschrieben.

Der seit Jahren gehegte Wunsch nach einer Neubearbeitung des Werkes, die über Ergänzungen im Rahmen von Rezensionen oder kleineren Aufsätzen hinausgeht und die die reichen Erträge der Forschung in den letzten drei Dezennien dokumentiert, hat nun seine Erfüllung gefunden. Sigrid Krämer hat sich dankenswerterweise dieser längst fälligen, doch auch sehr mühevollen Aufgabe unterzogen. Das Ergebnis ist beeindruckend. Aus einem schlanken und eleganten Band von 284 Seiten ist ein dickleibiges Buch von bald eintausend Seiten geworden, der Umfang des Werkes hat sich, wie die Bearbeiterin stolz vermerkt, verdreifacht. Der Aufbau der Bibliographie, dessen Kenntnis für eine sinnvolle und effektive Nutzung von entscheidender Bedeutung ist, folgt mit Ausnahme eines Punktes in seinen Grundlinien der Konzeption von 1948. Der erste Abschnitt (A) enthält unter dem Titel Bibliography and statistics of libraries and their collections of manuscripts (S. 1 - 19) wie bisher Veröffentlichungen mehr allgemeinen Charakters mit bibliographischen und statistischen Informationen über Bibliotheken und Handschriftensammlungen, jetzt aber auch einige Werke zur Paläographie und Handschriftenkunde. Der zweite Abschnitt (B) bietet wie gewohnt unter der Überschrift Works describing manuscripts of more than one city jene Werke, die die Handschriften aus mehr als einem Land oder Ort beschreiben (S. 21 - 234). Der dritte Abschnitt (C), der in der Neubearbeitung am stärksten angewachsen ist und der für die meisten Benutzer der wichtigste sein dürfte, trägt den für sich selbst sprechenden Titel Printed catalogues and handwritten inventories of individual libraries, by cities (S. 235 - 935). Querverweisungen auf die in den allgemeineren Teilen A und B aufgeführte Literatur zwingen den Benutzer weiterhin zwar ständig zum Blättern, helfen ihm aber auch beim Auffinden verstreuter Informationen. Als sichtbarste Neuerung ist dem Werk ein vierter Abschnitt (D) beigegeben worden, der Directories and guides to libraries and archives (S. 937 - 941) zusammenstellt. Kristellers Vorworte zu den drei von ihm betreuten Auflagen des Werkes seit 1948, vermehrt um je ein Vorwort von Sigrid Krämer und P. O. Kristeller zur Neuauflage, sowie die traditionellen leeren Seiten am Schluß für handschriftliche Notizen rahmen den Band ein. Titel, die nach dem Sommer 1992 erschienen sind, konnten in der Neubearbeitung nicht mehr berücksichtigt werden.

Schon die flüchtige Durchsicht des Bandes zeigt, daß der Bearbeiterin kaum eine wirklich wichtige Neuerscheinung der letzten dreißig Jahre entgangen ist. Auch kleine, an versteckter Stelle publizierte Aufsätze wurden ausfindig gemacht, so daß in Zukunft kein Bibliothekar und Handschriftenforscher an dieser Bibliographie vorbeigehen kann. Daß man hier und da den einen oder anderen Titel vermißt,[4] ist zum Teil bei einem Werk dieses Ausmaßes unvermeidlich, zum Teil wohl dem Redaktionsschluß geschuldet.[5] Schwerer wiegen dagegen einige andere Einwände, die den ansonsten so positiven Gesamteindruck der Neubearbeitung des Werkes beeinträchtigen. Zunächst ein mehr äußerlicher, ästhetischer, das Layout der Neuauflage betreffender Punkt: Der Zweispaltendruck der älteren Auflagen mit seiner relativ kleinen Schrift und den Hervorhebungen der Ortsnamen durch Fettdruck, der es erlaubte, ein Vielzahl von Titeln übersichtlich und für das Auge schnell auffindbar auf zwei gegenüberliegenden Seiten unterzubringen, ist in der Neuauflage wohl aus Kostengründen einem einspaltigen Druck in kleinerem Format und größerer Schrifttype gewichen. Die Handlichkeit und leichte Benutzbarkeit des Bandes haben dadurch merklich gelitten. Autoren-, Personen- und Sachregister, die das Werk erschließen und den Umgang mit ihm erleichtern würden, fehlen wie in den früheren Auflagen leider auch in der Neubearbeitung.

Inhaltlich hat die Bearbeiterin an der Konzeption des Werkes Änderungen vorgenommen, die sie nicht begründet und die in vielen Fällen den Kriterien Kristellers, wie er sie in den Vorworten zu den älteren Auflagen niedergelegt hat, sogar ausdrücklich widersprechen (S. XV, XXI, XXVI). Krämer hat, um aus den zahllosen Beispielen nur einige auszuwählen, Kataloge zu den germanischen Handschriften in Berlin, Prag und München aufgenommen, sie verzeichnet zahlreiche Kataloge griechischer Handschriften usw.; sie hat gegen Kristeller (S. XXVI) in den Abschnitt B beispielsweise zahlreiche Studien aufgenommen, die sich mit den Handschriften eines einzelnen Autors oder einer Institution beschäftigen. Der Benutzer ist für die zusätzlichen Informationen sicherlich dankbar, aber die, im Falle der Kataloge zu nicht-lateinischen Handschriften sogar dem Buchtitel ausdrücklich widersprechende Tendenz der Neubearbeitung zu einer umfassenden Bibliographie der Handschriftenkataloge und der handschriftenkundlichen Literatur verleiht dem Werk eine eigentümliche Unschärfe. Es enthält zahlreiche Titel, die man nach Wortlaut der Vorworte und nach Traditon des Werkes in ihm nicht erwartet; andererseits aber fehlen, wenn man die Intention zur Ausweitung des zu bearbeitenden Gegenstandes ernst nimmt, viel zu viele Titel.[6]

Im Detail haben sich schließlich dort, wo der Rezensent es aus eigener Anschauung am besten überprüfen konnte, eine Reihe von kleinen Irrtümern und Ungenauigkeiten eingeschlichen, die gerade in Fällen der neueren Literatur die bibliographische Zuverlässigkeit des Werkes gelegentlich einschränken. Aus dem Wunsch heraus, aktuell zu sein und auch die allerneusten Handschriftenkataloge zu verzeichnen, hat die Bearbeiterin sich gerade im Falle der in den letzten Jahren in Deutschland erschienenen Handschriftenkataloge offenbar auf die Verlagsprospekte und ihre Titelankündigungen verlassen und das tatsächliche Erscheinen der Bände gar nicht mehr abgewartet. Auf diese Weise entstehen gelegentlich Phantom-Editionen, in Details falsche Titelangaben und irrige Erscheinungsjahre.[7] Kleinere Ungenauigkeiten zur Geschichte einzelner Sammlungen, Irrtümer bei einzelnen Orts- und Personennamen[8] trüben das insgesamt positve Gesamtbild der Neubearbeitung dann doch mehr, als bei etwas gewissenhafterer Endredaktion nötig gewesen wäre.

Bernd Michael


[1]
Zu Kristeller vgl. die Eintragung mit tabellarischer Vita sowie subjektiver und objektiver Personalbibliographie in folgendem Werk: A past renewed : a catalog of German-speaking refugee historians in the United States after 1933 / Catherine Epstein. - Cambridge : Cambridge University Press, 1993, S. 165 - 168. - Vgl. IFB 94-3/4-537. (zurück)
[2]
Latin manuscript books before 1600 / Paul Oskar Kristeller. - Pt. [1]. A bibliography of the printed catalogues of extant collections. // In: Traditio. - 6 (1948), S. 227 - 317. - Pt. 2. A tentative list of unpublished inventories of imperfectly catalogued extant collections. // In: Traditio 9 (1953), S. 393 - 418. (zurück)
[3]
Latin manuscript books before 1600 : a list of the printed catalogues and unpublished inventories of extant collections / Paul Oskar Kristeller. - 3. ed. - New York, 1965. (zurück)
[4]
Astronomica et astrologica Cracoviensia ante annum 1550 / Mieczyslaw Markowski. - Firenze : Olschki, 1990. - XXXV, 377 S. - (Studi e testi / Istituto Nazionale di Studi sul Rinascimento ; 20). - Aegidii Romani opera omnia / a cura di Francesco DelPunta ... - Firenze : Olschki. - (Testi e studi per il "Corpus philosophorum medii aevi" ; ...) - 1. [Prolegomena]. - 1. Catalogo dei manoscritti. - 5,1. (457 - 505) ; Repubblica Federale di Germania (Monaco) / a cura di Barbara Faes de Mottoni. - 1990. - XLII, 350 S. - (... ; 10). - Es ist übrigens außerordentlich mißlich, daß die verschiedenen Bände der Handschriften- und Werkbibliographie des Aegidius Romanus im Abschnitt B unter den Namen der Bearbeiter der einzelnen Bände, nicht aber wie in den Fällen der nationalen Handschriftengesamtkataloge unter dem Titel des Gesamtwerkes verzeichnet sind. (zurück)
[5]
Z.B. Die Handschriften der Öffentlichen Bibliothek der Stadt Aachen : die mittelalterlichen Handschriften und die neuzeitlichen Handschriften der Signaturengruppe "Manuscripta" bis Ms. 109 / beschrieben von Arno Mentzel-Reuters. - Frankfurt am Main [u.a.] : Lang, 1992. - Die Handschriften der Öffentlichen Bibliothek der Stadt Aachen. Nachträge / Arno Mentzel-Reuters - Tübingen : Mentzel-Reuters, 1993. - 60 S. (zurück)
[6]
So ist der Benutzer, der sich beispielsweise umfassend über die Handschriftenbestände jeder Art in deutschen Bibliotheken informieren will, mit dem Handbuch der Handschriftenbestände in der Bundesrepublik Deutschland / hrsg. vom Deutschen Bibliotheksinstitut. - Berlin. - Teil 1. - 1992 (IFB 93-1/2-037) besser bedient als mit der Neubearbeitung des Kristeller. Im weiten Bereich der biobibliographischen Repertorien zu Autoren mittelalterlichen Universitäten in Deutschland, Frankreich und Italien könnte man leicht etliche Titel benennen, deren Fehlen nicht einsichtig ist. (zurück)
[7]
S. 369: Kat. Darmstadt, Bd. 6: Der Band von Staub und Sänger erschien 1991 (nicht 1990); die Angaben zu Titel, Seitenzahl und Zahl der beschriebenen Handschriften stimmen nicht mit dem tatsächlich erschienenen Band überein. - S. 434: Kat. Fulda, Bd. 1 von R. Hausmann erschien 1992 (nicht 1990). - S. 494: Kat. Kassel, Bd. 4,2 von B. Hilberg erschien 1993; Titel und Serientitel des Bandes sind nicht korrekt. - S. 614 - 615: Kat. München, Cgm, V,6: Der Untertitel des Bandes lautet: Die mittelalterlichen Handschriften aus Cgm 888-4000. - S. 791: Der für Soest, StB angegebene Handschriftenkatalog aus dem Jahr 1989 mit 288 S. und 3 Tafeln existiert nicht. - Der S. 173 als im Erscheinen angekündigte Bd. 9 der niedersächsischen Handschriftenkataloge wird S. 477 mit dem Erscheinungsjahr 1991 aufgeführt; tatsächlich erschien der Band aber 1993, von mehreren Bearbeitern erstellt, mit etwas anderem Titel. (zurück)
[8]
S. 279: Die beiden Berliner Staatsbibliotheken sind nicht 1989, sondern zum 1. Jan. 1992 vereinigt worden. - S. 279 - 280: Die nach Kriegsende in Marburg und Tübingen zusammengeführten Berliner Handschriftenbestände wurden nicht erst 1978, sondern bereits in den Jahren 1965 - 1967 nach Berlin (West) zurückgeführt. - S. 283: Die Handschriften-Neuerwerbungen in der Signaturengruppe Hdschr. betrugen zwar im Jahr 1961 nur 14 Nr., bis zum Jahre 1994 ist diese Gruppe jedoch auf 422 Nr. angewachsen. - S. 576: Die unter Magdeburg angeführte Verweisung auf "Berlin, Deutsche Staatsbibliothek" geht ins Leere; diese Bibliothek existiert seit dem 1. Jan. 1992 nicht mehr. - S. 19: Der Familienname der Verfasserin lautet Wlodek (nicht Wlodeck). - S. 43: Bei dem Verfasser der Buridan-Studie sind Vor- und Familienname vertauscht worden. - S. 683: Der Name des Verfassers lautet Emmanuel (nicht: mile) Poulle. - S. 733: Der Ort heißt Rinteln (nicht Rintelen). - S. 813: Der Name des Verfassers ist Jeroen (nicht Jersen) van de Ven; der Serientitel fehlt. (zurück)

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