Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
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Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs


95-4-506
Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum : 1871 - 1914 ; das Bildangebot der Wilhelminischen Zeit ; Geschichte und Ästhetik der Original- und Drucktechniken ; internationales Lexikon der Illustratoren ; Bibliographie ihrer Arbeiten in deutschsprachigen Büchern und Zeitschriften, auf Bilderbogen und Wandtafeln / Hans Ries. - Osnabrück : Wenner, 1992. - 1067 S. ; 25 cm. - ISBN 3-87898-329-8 : DM 435.00
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Für das illustrierte Kinder- und Jugendbuch und das Bilderbuch der Wilhelminischen Zeit liegt ein vorzügliches Nachschlagewerk vor. Es ergänzt zugleich für die Zeit von 1871 bis 1914 die Bibliographie der Kinder- und Jugendliteratur von Aiga Klotz. Das Werk entstand als Forschungsvorhaben zur historischen Kinder- und Jugendliteratur im Rahmen der Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendliteraturforschung der Universität Köln.

Der erste Teil des Werkes, dem bio-bibliographischen Illustratorenlexikon vorangestellt, behandelt "Das Bildangebot der Wilhelminischen Zeit - Geschichte und Ästhetik der Original- und Drucktechniken". Detailliert werden die "Möglichkeiten der Bildbegegnung", die einzelnen Medien und Formen, wo Kinder in dieser Zeit auf reproduzierte Bilder stoßen konnten (Bücher, Bilderbücher und deren Sonderformen wie Malbuch, Verwandlungsbücher, sowie Periodika, Bilderbogen, Wandbilder, Papiertheater, Sammelbilder, Oblaten u.a.) vorgestellt. Ihre Rezeption durch Kinder wird mit Belegen, meist aus der Memoirenliteratur, nachgewiesen. Als Baustein zu einer Illustrationsgeschichte des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum will der Autor nicht die stilistische Entwicklung der Kinderbuchillustration darlegen. Ihm geht es um die Voraussetzungen der Wirkungsmöglichkeit einer Illustration, um die drucktechnischen Prozesse. Wichtig ist wohl das künstlerische Original, das die Intention des Illustrators widerspiegelt, entscheidend für die künstlerische Wirkung sei aber das Produkt der Drucktechnik, das was der Konsument zu sehen bekommt. Die Auswirkungen der technischen Gegebenheiten auf die Ästhetik des gedruckten Bildes seien aber auf Grund geringer Kenntnis bisher zu wenig beachtet worden.

Es werden zunächst die zeichnerischen und malerischen Techniken der Künstler zur Schaffung der Originalvorlage geschildert. Besonders ausführlich folgt dann die Darstellung der einzelnen Reproduktionsverfahren der Wilhelminischen Zeit, ihre Technik, Geschichte, Ästhetik, Verbreitung und evtl. Ablösung. Das geschieht aber nur bis zur Herstellung der Druckplatten, denn diese sind bestimmend für die bildnerische Gestaltung, auf maschinentechnische Details konnte deshalb verzichtet werden. Die Jahrzehnte nach 1871 sind für die Geschichte der Buchillustration deshalb so interessant und wichtig, weil in ihnen wesentliche drucktechnische Neuerungen auftraten. Im Holzstich erfolgte der Übergang vom zeichnerischen Faksimilestich zum malerischen Tonstich sowie der allmähliche Ersatz des Faksimilestichs durch die photochemigraphisch erstellte Strichätzung. Im Bereich der farbigen Illustration erfolgte die Ablösung der Kolorierung durch den Farbendruck, in erster Linie durch die Chromolithographie. Im weiteren Verlauf sind als reproduktionstechnische Neuerungen zu verzeichnen: Die Einführung der Netzätzung (Autotypie seit 1881), des Dreifarbendruckes (Farbautotypie) und schließlich des Offsetdrucks seit 1904. Darüber hinaus kamen weitere Farbendrucktechniken zur Anwendung.

Bei der Darstellung wird der terminologischen Präzisierung der heute z.T. nicht mehr gebräuchlichen oder oft falsch verwendeten Begriffe große Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Fülle von Beispielen wird jeweils angeführt, das Titelregister zum theoretischen Teil weist allein über neunhundert Titel auf. Die vielen Belege und Informationen, die flüssig geschriebenen Darstellungen machen diesen Teil zu einer interessanten Lektüre.

Das Werk mußte auf Abbildungen verzichten. Die als Beispiel für die jeweilige Reproduktionstechnik gewählten Illustrationen hätten nur in dieser Reproduktionstechnik gedruckt werden dürfen, damit wirklich die Unterschiede erkannt werden könnten. Der größte Teil dieser Techniken wird heute jedoch nicht mehr angewendet. Außerdem hätten derartige Druckbeispiele das Werk unermeßlich verteuert.

Der erste Teil dient nicht nur den an der Kinder- und Jugendbuchillustration Interessierten, die präzise Darstellung der Reproduktionstechniken der Wilhelminischen Zeit machen das Buch zu einem Standardwerk zur Geschichte der Buchillustration dieser Zeit schlechthin.

Der zweite Teil, das bio-bibliographische Lexikon, will kein "eigenständiges Illustratorenlexikon" sein. So wird jeweils auf die gängigen Informationsquellen wie Thieme-Becker, Vollmer u.a. verwiesen. Daher sind die biographischen Daten knapp gehalten. Aufgenommen sind alle Künstler, von denen 1871 bis 1914 Illustrationen in deutschsprachigen Publikationen, seien es Kinder- und Jugendbücher, Bilderbogen, Wandtafeln u.a., erschienen sind. Für die Auswahl war entscheidend, was den deutschsprachigen Konsumenten angeboten wurde, ohne Rücksicht auf nationale Herkunft des Illustrators oder Autors. Dementsprechend sind auch ausländische und 1871 bereits verstorbene Künstler berücksichtigt. Für diesen relativ kurzen Zeitraum wurden auf über sechshundert zweispaltigen Seiten wohl über viertausend Illustratoren aufgeführt. Viele von ihnen sind in keinem biographischen Nachschlagewerk oder Künstlerlexikon vertreten. Doch durch eigene Recherchen bei Behörden, Angehörigen etc. hat der Bearbeiter noch zahlreiche Lebensdaten ermitteln können. Bibliographische Quellen und Literatur zum Künstler werden stets angeführt. Die illustrierten Werke für Kinder werden in chronologischer Anordnung, getrennt nach Büchern, Bilderbogen, Wandtafeln und Periodika aufgeführt. So entstanden hier für viele teils bekannte Illustratoren erstmals Werkverzeichnisse. Dem jeweiligen Titel folgen Textautor, Erscheinungsort, Verlag, Erscheinungsjahr und alle weiteren Auflagen des vorgegebenen Zeitraums. Leider wurde auf die Angabe des Umfangs und Formats verzichtet. So bleibt ein Rückgriff auf das GV oder Klotz notwendig. Es werden auch keine Angaben zur Ausstattung gemacht. Das hätte man sich bei der allgemeinen Unsicherheit, die historischen Drucktechniken zu erkennen, von so kompetenter Seite gewünscht. Doch ohne Autopsie, und dafür fehlen alle Voraussetzungen (Verfügbarkeit der Exemplare und Zeit, Zeit, Zeit), ist das nicht zu leisten.

Das umfangreiche Werk ist methodisch und typographisch gut aufbereitet. Das ausführliche Inhaltsverzeichnis, die Kolumnentitel und Anmerkungen als Fußnoten erleichtern die Benutzung. Die Erläuterung der Auswahl- und Bearbeitungsgrundsätze sowie die Einschätzung der Quellenlage veranschaulichen, was der Benutzer erwarten kann.

Die Grenzen, die so einem Vorhaben von der Quellenlage und Zeitvorgabe gesetzt sind, schildert der Autor selbst. Als Grundlage diente das Bücher-Lexikon von Kayser und ab 1911 das DBV. Der Kayser hat gerade bei der Kinder- und Jugendliteratur große Lücken. Aufgenommen ist in ihm nur, was die Verlage einreichten und viele Verlage hielten das nicht für notwendig. Außerdem ist den im Kayser verzeichneten Titeln nicht immer anzusehen, ob sie sich an Kinder wenden und wenn, dann ist oft der Illustrator nicht genannt. Genügend Möglichkeiten, daß Kinderbuchillustrationen unentdeckt bleiben konnten. Zur Ergänzung und Konsultation wurden die nach Autopsie erarbeiteten Bestandsverzeichnisse einiger Sammlungen herangezogen. Das umfangreiche Literaturverzeichnis belegt, daß auch die einschlägigen Künstlermonographien und andere Werke genutzt wurden. Doch ein Abgleich etwa mit Antiquariatskatalogen und anderen Verzeichnissen unterschiedlicher Qualität war schon aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Es ist schon erstaunlich, daß im Rahmen des zeitlich so begrenzten Forschungsvorhabens ein derart umfangreiches und abgeschlossenes Werk vorgelegt werden konnte.

Zum Textteil gibt es Titel-, Orts-, Sach-, Personen- und Firmenregister. Das Sachregister umfaßt allein einundzwanzig zweispaltige Seiten. Damit ist es dem Autor wohl gelungen, mit seinem Werk "zugleich so etwas wie ein bilddrucktechnisches Wörterbuch" zu liefern. Was aber fehlt und das Werk nicht optimal nutzen läßt, sind Register zur Bibliographie. Nur über den Illustrator sind die einzelnen Titel und deren Textautoren zu finden. In der Einleitung wird die "Erschließung des Bibliographischen Teils durch Titel-, Autoren-, Serien- und Verlagsregister, ferner ein Monogrammverzeichnis der Künstlernamen, Künstlerlisten nach den Herkunftsländern und Aufstellungen der Serien in numerischer Anordnung" in "einem eigenen Registerband" zu "einem späteren Zeitpunkt" versprochen. Erst damit wären dann alle nur denkbaren Wünsche erfüllt.

Bibliographien : 1933 - 1950


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