Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
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Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert


95-1-079
Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert / hrsg. von Jürgen Fohrmann und Wilhelm Voßkamp. Mit Beiträgen von Uwe Meves ... - Stuttgart [u.a.] : Metzler, 1994. - VIII, 792 S. ; 24 cm. - S. 742 - 767: Bibliographie zur Wissenschaftsgeschichte der deutschen Literaturwissenschaft 1973 - 1989. - ISBN 3-476-00990-4 : DM 168.00
[2257]

In den zurückliegenden Jahren erfreute sich die Wissenschaftsgeschichte einer kontinuierlich zunehmenden Aufmerksamkeit; davon künden unter anderem zahlreiche Vorlesungen und Seminare an den Hochschulen sowie, in jüngster Zeit, die Etablierung spezifischer Institutionen. Auch die Wissenschaftsgeschichte der Germanistik ist, aufbauend auf erste Forschungsergebnisse in den 70er Jahren des Jahrhunderts, in den letzten beiden Dezennien außerordentlich bereichert worden. Allein ein flüchtiger Blick in die letzten Bände des Referateorgans Germanistik dokumentiert allzu deutlich die Lebhaftigkeit und Bandbreite der germanistischen Wissenschafts- und Gelehrtengeschichte. Diesbezügliche Kolloquien, (Dissertations-) Projekte, Annotationen zu Neuerscheinungen (Monographien und Aufsätze), Gelehrtennachlässse, Inedita u.a. verzeichnen seit 1991 die Mitteilungen des Marbacher Arbeitskreises für Geschichte der Germanistik.[1] Klaus Weimars Untersuchung zur Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft[2] wird gemeinhin als das Standardwerk zur germanistischen Fachgeschichte angesehen.

Der vorliegende Band, dessen Ergebnisse auf dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt zur Wissenschaftsgeschichte der deutschen Literaturwissenschaft basieren, vereint 14 Abhandlungen und zwei Bibliographien. Die Beiträger sind durch fundierte Veröffentlichungen bestens ausgewiesene Kenner der Materie. In seiner Einleitung, die nicht unerheblich durch eine neuartige, mitunter komplexe Wissenschaftssprache geprägt ist, umreißt J. Fohrmann die geschichtliche Entwicklung von den deutschen Studien zur Literaturwissenschaft: von der professionellen Errichtung einer Disziplin mit wechselnder Benennung und unscharfen Konturen über die Goethephilologie bis zur gegenwärtigen Form germanistischer Forschung.[3] Diese Genese wird auf vier unterschiedlichen "Untersuchungsebenen" (S. 12) erarbeitet: Die Beiträge beschreiben 1. das Sozialsystem der Disziplin, 2. die Entwicklung der literaturwissenschaftlichen Arbeitsweisen, 3. die Versuche wissenschaftlicher Selbstreflexion und 4. den Leistungsbezug der Literaturwissenschaft. Allen Autoren ist für die umsichtige, kenntnisreiche Darstellung hohe Anerkennung auszusprechen, aber auch für ihr Bemühen, bibliographisch schwer erschließbare Quellen[4] auszuwerten.

Die gewichtige Publikation wird durch gewissermaßen mehrere Bibliographien abgerundet. Holger Dainat und Cornelia Fiedeldey-Martyn stellen für die Jahre 1792 - 1914 eine Bibliographie zur literaturwissenschaftlichen Selbstreflexion zusammen, die "über Identität, Aufgaben, Methoden, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Fachs Rechenschaft ablegt" (S. 538). C. Fiedeldey-Martyn ist auch die wohl vollständige, auf Autopsie beruhende Bibliographie zur Wissenschaftsgeschichte der deutschen Literaturwissenschaft 1973 - 1989 zu verdanken. Ihre chronologische Gliederung ist hier durchaus zu vertreten, zumal das mustergültige Personenregister[5] am Ende des Bandes die Bibliographie alphabetisch erschließt. Auch und gerade mit Blick auf den Umfang der ermittelten Primär- bzw. Sekundärliteratur wäre eine selbständig erscheinende Bibliographie zur germanistischen Wissenschaftsgeschichte ein dringendes Desiderat. Eine solcherart zeitlich weiter gespannte Bibliographie hätte sich aber dann allemal an diesen Vorgaben zu orientieren.

Mit dieser qualitativ hochwertigen Darstellung ist der weiteren und wünschenswerten Erforschung der Wissenschaftsgeschichte der Germanistik ein wertvolles und unentbehrliches Instrumentarium an die Hand gegeben worden.

Reinhard Tenberg


[1]
Mitteilungen / Marbacher Arbeitskreis für die Geschichte der Germanistik. Hrsg. von der Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik, Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar. Redaktion: Christoph König. - H. 1 (1991) - . Das Marbacher Archiv verwahrt handschriftliche Quellen zur Fachgeschichte (Nachlässe etc.) und hat eine Spezialbibliothek zur Literatur und Literaturwissenschaft mit über 35.000 Bänden und 800 laufenden Zeitschriften. - Eines der Arbeitsvorhaben bildet das Marbacher Projekt eines Internationalen Germanistenlexikons 1800 - 1950; vgl. dazu Mitteilungen, H. 7/8 (1994), S. 37 - 38. (zurück)
[2]
Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts / Klaus Weimar. - München : Fink, 1989. - 512 S. - ISBN 3-7705-2574-4 : DM 78.00. (zurück)
[3]
Bedauerlicherweise enthält der Band keinen Forschungsbericht, der literaturtheoretisch, historisch und eventuell kommentierend in die Thematik eingeführt hätte. (zurück)
[4]
Das sind Archivalien der Ministerien, Universitäten, Akademien etc., regional begrenzte Literaturzeitschriften, Vorlesungsverzeichnisse, Gutachten u.ä. und vornehmlich (nicht edierte) Briefwechsel, denen gerade in der Anfangsphase der "Germanistik" fundamentale Bedeutung zukommt. - Die einzelnen Beiträge können an dieser Stelle nicht näher gewürdigt werden. (zurück)
[5] Das Register verzeichnet alle Personennamen des Bandes, also neben den behandelten Personen auch alle zeitgenössischen Autoren, Rezensenten, Herausgeber etc. (zurück)

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