Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 3/4
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Thomas-Mann-Bibliographie


94-3/4-450
Thomas-Mann-Bibliographie : das Werk / Georg Potempa. - Morsum/Sylt : Cicero-Presse, 1992. - XVII, 907 S. ; 30 cm. - ISBN 3-89120-007-2 : DM 440.00
[1741]
94-3/4-451
Thomas Mann : Konkordanzen der Bibliographien zur Primärliteratur / Georg Potempa. - Morsum/Sylt : Cicero-Presse, 1993. - 46 S. ; 24 cm. - ISBN 3-89120-008-0 : DM 18.00
[1742]

Georg Potempa, als Bibliograph Thomas Manns bereits hervorgetreten,[1] hat mit dem ersten Band seiner großen subjektiven Thomas-Mann-Bibliographie ein für Forscher, Antiquare, Sammler und Liebhaber gleich unentbehrliches Grundlagenwerk geschaffen.

Gegenüber der zu ihrer Zeit hervorragenden subjektiven Bibliographie von Hans Bürgin[2] ist die Zahl der Titelnachweise bei Potempa erheblich höher. Diese Vermehrung betrifft nicht nur die Titel, sondern vor allem die nachgewiesenen Drucke, seien sie von Potempa zum erstenmal überhaupt ermittelt, seien sie erst nach dem Abschluß von Bürgins Bibliographie erschienen. Freilich, auf die eine oder andere Überraschung wird man immer noch gefaßt sein dürfen, und niemand weiß das besser als Potempa.[3]

Die Titelaufnahmen folgen Bibliotheksregeln nur soweit, wie das dem Zweck der Bibliographie entspricht. Die Aufnahmen sind außerordentlich genau, aber redundanzfrei; im übrigen dank der vorzüglichen Typographie ausgezeichnet zu lesen. Bei sehr seltenen Drucken gibt die Bibliographie auch einen Besitznachweis.

Potempas Bibliographie ist wie folgt gegliedert: Teil 1. Sammlungen (A. Gesammelte Werke; B. Teilsammlungen; C. Briefsammlungen); Teil 2. Einzelwerke (D. Romane; E. Erzählungen, Fiorenza, Idyllen; F. Gedichte; G. Aufsätze, Reden, Miszellen; Appendix: Empfehlungen); Teil 3. Sonstiges (H. Aufzeichnungen; I. Herausgegebene Schriften). Die einzelne Aufnahme wird gekennzeichnet durch den Buchstaben für den Abschnitt und eine Numerierung, die Titel und Drucken zugeordnet ist.

Mehrere Register erschließen das Material: Titelregister, Personen- und Sachregister, Register der Zeitungen und Zeitschriften und ein Register der Empfehlungen.

Vor allem in der Abteilung Aufsätze, Reden, Miszellen - 1.216 Nummern bei Potempa mit zumeist durchschnittlich rund fünf nachgewiesenen Drucken - wird sichtbar, wieviel neues Material in den letzten drei Jahrzehnten zusätzlich bekannt geworden ist. Diese Abteilung nimmt den größten Teil der Bibliographie ein (gut 500 Seiten). Die Anordnung folgt - wie im ganzen Band - der Chronologie, die sich vor allem auf die veröffentlichten Tagebücher stützen kann. Das in diesem Abschnitt dokumentierte Material stellt an die Bearbeitung besondere Anforderungen, die aus dem Problem variierender oder fehlender Titel resultieren. Wegen der aufwendigen Recherche seien die Nachweise unselbständig erschienener Vorabdrucke in Zeitungen, Zeitschriften und Almanachen besonders hervorgehoben. Seine Nachweise annotiert Potempa aufgrund der von ihm vorgenommenen autoptischen Kollationen durch Angaben über Kürzungen, Erweiterungen und sonstige Korrekturen. In den Annotationen laufen die Fäden hin und her zwischen bibliographiertem Druck, Tagebüchern, Briefen, Kollegheften usw., aber auch den Manuskripten in den verschiedenen Sammlungen. Das Werk bietet also über die bibliographischen Informationen hinaus - aber eben gerade auf der Basis genauester bibliographischer Ermittlung und der Kenntnis der nachgewiesenen Texte - in solchen Annotationen eine Vielzahl von Hinweisen darauf, welche Schlüsse zu Genese und Textgeschichte der nachgewiesenen Veröffentlichungen aus den bibliographischen Daten zu ziehen sind. Potempas Thomas-Mann-Bibliographie erreicht damit in selten vollkommener Weise das höchste Ziel, das sich für eine Personalbibliographie überhaupt denken läßt: mit Bezug auf die Drucke die textkritische Grundlegung für das Werk eines Autors zu bieten. - Ein Anhang zum Abschnitt Aufsätze, Reden, Miszellen enthält Empfehlungen Th. Manns zu Schriften Dritter, die für verlegerische Werbepublikationen verwendet worden sind. Diese Texte werden hier - mit den Warnungen zu ihrer Qualität, die sich aus Eingriffen der Verlage in Manns Wortlaut usw. ergeben können - erstmals nachgewiesen.

Als Beispiel für die durchdachte Gliederung sei die Anordnung der Titelaufnahmen im Abschnitt Romane - jeweils im Anschluß an kurze Angaben zur Entstehungszeit (mit Hinweisen auf Quellenveröffentlichungen, die zur Datierung relevant sind) - wiedergegeben: Einzelausgaben; Weitere Ausgaben (Lizenzausgaben); Teildrucke/Einzelausgaben; Teildrucke/Vorabdrucke; Teildrucke/Nachdrucke. Die Nachdrucke in den Ausgaben werden nicht wiederholt, sondern über den Index erschlossen; im Abschnitt Erzählungen dagegen werden die Nachdrucke in den relevanten Ausgaben angeführt.

Viel zu selten wird bei der Beurteilung von bibliographischer Arbeit darauf geachtet, was bewußt ausgeschieden (nicht aus Nachlässigkeit übersehen) worden ist, und aus welchen Gründen. Man kann Potempa auch in dieser Hinsicht nur ein außerordentlich überlegtes, der Sache angemessenes und souveränes Verfahren bescheinigen. Auf wenigen Seiten werden unter den Briefsammlungen nur die größeren angeführt, diese allerdings auch mit Inhaltsangaben. Auf den Nachweis der Veröffentlichung von Einzelbriefen hat Potempa verzichtet - angesichts der von H. Bürgin und H.-O. Mayer geleisteten Erschließungsarbeit[4] die einzig richtige Entscheidung. Fortgelassen sind - noch einmal mit Blick auf die textkritische Orientierung der Bibliographie - textgeschichtlich irrelevante Nachdrucke. Solche Drucke - z. B. in Anthologien, Lesebüchern usw. - mögen für die Rezeptionsgeschichte von Interesse sein, sie gehören vom Konzept her nicht in die vorliegende Bibliographie, sondern müßten Gegenstand einer eigenen Dokumentation sein.

Eine kluge verlegerische Entscheidung ist es gewesen, das 46 Seiten umfassende Heft mit den Konkordanzen der Bibliographien zur Primärliteratur nicht in Potempas Bibliographie aufzunehmen, sondern separat zu veröffentlichen. Denn diese Liste stiftet ihren Nutzen, wenn man sie neben die verschiedenen konkordierten Bibliographien legt. Das Heft bezieht sich in seinen beiden Teilen Alte Bibliographien / neue Bibliographie und Neue Bibliographie / alte Bibliographien auf Bürgins Primärbibliographie, Erich Neumanns Ergänzung dazu, Potempas Bibliographie zur Beteiligung Th. Manns an politischen Aufrufen, die Regesten und Register der Briefe Th. Manns u. a. m.

Verfasser und Verleger verdienen Dank, daß sie jeder Versuchung widerstanden haben, aus dem einmal gewählten Konzept auszubrechen. So sind Übersetzungen in andere Sprachen in diesem Band nicht verzeichnet, sondern einem Folgeband vorbehalten, an dem Potempa zur Zeit arbeitet. Nach seinem Erscheinen wird für Thomas Mann dann eine subjektive Personalbibliographie von solcher Gründlichkeit und Qualität vorliegen, wie noch für keinen anderen deutschen Autor des 20. Jahrhunderts - ein Ruhmesblatt der Thomas-Mann-Forschung, das freilich von keinem zünftigen Germanisten, sondern von einem Außenseiter stammt. An den Maßstäben dieses bahnbrechenden Wurfes werden sich künftige Personalbibliographien messen lassen müssen.

Hans-Albrecht Koch


[1]
Thomas Mann : Beteiligung an politischen Aufrufen und anderen kollektiven Publikationen ; eine Bibliographie / bearb. von Georg Potempa. - Morsumn Sylt : Cicero-Presse, 1988. - 188 S. - ISBN 3-89120-005-6 : DM 68.00. (zurück)
[2]
Das Werk Thomas Manns : eine Bibliographie / Hans Bürgin. - Frankfurt am Main : Fischer, 1959. - 319 S. - Neudruck: Morsum, Sylt : Cicero-Presse, 1984. - ISBN 3-89120-000-5 : DM 88.00 (zurück)
[3]
Als Beispiel sei die gerade erst publizierte Entdeckung eines bisher nicht bekannten vollständigen Abdrucks des 1919 in der Frankfurter Zeitung - nach Manns Urteil im Tagebuch "gut gekürzt" - erschienenen Aufrufs zu Vernunft, Würde und Arbeit mit dem Titel "Zuspruch" in der Beilage zur Berliner Studentenzeitung Die Warnung vom 20. Oktober 1919. (zurück)
[4]
Die Briefe Thomas Manns : Regesten und Register / bearb. und hrsg. ... von Hans Bürgin und Hans-Otto Mayer. - Frankfurt am Main : Fischer. - 1977 - 1980. - 1 - 2. (zurück)

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