Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 2
[ Bestand in K10plus ]

Treffpunkt Scala


94-2-298
Treffpunkt Scala : musikalischer Reiseführer durch Italien / Günter Engler. - Stuttgart : Reclam, 1993. - 286 S. ; 20 cm. - ISBN 3-15-010384-3 : DM 36.80
[1610]

Der Untertitel ist irreführend. Der Autor hat keinen üblichen Reiseführer geschrieben, bemüht, Unkundigen die Topographie ausgewählter italienischer Städte unter dem Aspekt ihres Bezuges zur Musik nahezubringen. Im Gegenteil: Die Örtlichkeiten der 23 annotierten Musikzentren[1] bleiben eigentümlich unbestimmt. Bedauerlicherweise helfen dem unbedarften Leser auch keine Stadtpläne mit Markierungen der besprochenen historischen Stätten weiter. Die eingestreuten Photographien wiederum sind selten spezifisch genug, um sich ein Bild von der Stadtlandschaft machen zu können, und, so geschmeidig sich das Buch liest, gerade der feuilletonistische Ton des renommierten Konzertkritikers Engler und das stete Schwanken zwischen Stadtbeschreibung und Musikgeschichtserzählung erzeugt häufig eine störende sachliche Unschärfe. Topographische Konturen werden nur selten sichtbar. Daß es den Typus des musikalischen Reiseführers in dieser Ausschließlichkeit bislang nicht zu geben scheint - jedenfalls kennt der Rezensent kein vergleichbares Werk - liegt denn wohl auch in der Sache selbst begründet. So leicht, wie es mitteilungsschwangere Dichter tun, die häufig die Stätten ihres Wirkens wortreich beschreiben,[2] machen es einem Musiker nicht. Musik läßt sich nun mal nicht "wörtlich" zitieren. Was also soll der Autor eines "Musikalischen Führers" nacherzählen? Beispiel: Paganini und Genua, Geburtsort des Teufelgeigers: "Sein Grab liegt ... in Parma, der Großteil der Autographen seiner Werke in einer römischen Bibliothek. Sein Geburtshaus wurde im Zuge einer Altstadtsanierung niedergewalzt" (S. 74), und etwas später dann: "Die Stätten, wo solcher Ruhm begann, sind nicht mehr vorhanden" (S. 75). Was letzlich über das bloße Benennen der Topographie hinaus zu erzählen bleibt, ist schlicht Musikgeschichtswissen. Ein bißchen Biographie, ein paar Anekdötchen, kaum mehr, angereichert mit schwarzweißen Bildern: von Komponisten und Sängern, einer Geige, einem Konzertplakat und ähnlichem mehr. Diese illustrativen Accessoires haben denn auch eher atmosphärischen, weniger informativen Wert. Engler versteht sein Handwerk - als Journalist. Die Geschichten und Schnurren aus der vergangenen und der gegenwärtigen Musikwelt werden vom Autor locker und assoziativ mit der Beschreibung der jeweiligen urbanen Architektur verknüpft. Wohl reicht es nicht zum Führer,[3] doch eine nette, launige Urlaubslektüre ist das Büchlein allemal.

Reiner Nägele


[1]
Die Italienkarte auf dem Rückendeckel des Buches verzeichnet allerdings nur 22. Pesaro, in einem Textbeitrag eigens gewürdigt, fehlt. (zurück)
[2]
Zu dem legitimen Typus der "Literarischen Spaziergänge" oder sogenannter "Literaturreiseführer" zwei aktuelle Beispiele: Literarische Spaziergänge in Darmstadt / Karlheinz Müller. - Darmstadt : Roether, 1993 und Literatur-Reisen : Schleswig-Holstein / Dietmar Albrecht. - Stuttgart [u.a.] : Klett, 1993. (zurück)
[3]
Bei den "Biographischen Hinweisen" am Schluß des Buches fehlen die Verweisungen auf den Text. Der Zugang zu den Stadtgeschichten über die Musikernamen ist somit nur bei denen möglich, deren Geburtsstädte von Engler gewürdigt werden. Das ist nicht bei allen der Fall. Berio und Zandonai bespielsweise sind auch über das Namensregister nicht zuzuordnen, da dieses keine Hauptstelle im Text markiert. Der Komponist Berio hat, nach eingehender Prüfung, in Englers Büchlein auch keine, da er an allen vorkommenden Stellen ausschließlich im Zusammenhang mit Werkaufführungen genannt wird. (zurück)

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