Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 2
[ Bestand in K10plus ]

Ausstellungskataloge als kunsthistorische Publikationsform


94-2-285
Ausstellungskataloge als kunsthistorische Publikationsform (1945 - 1990) : Gestalt, Bedeutung und bibliothekswissenschaftliche Bewertung ; Hausarbeit zur Prüfung für den höheren Bibliotheksdienst / vorgelegt von Andrea Kullik. - Köln : Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen, 1993. - 81, X S. ; 30 cm. - (Im Leihverkehr von der Fachhochschule ..., Bibliothek, Claudiusstr. 1, 50678 Köln)
[2134]
94-2-286
Belser Kunst-Katalog . - Stuttgart : Belser. - 21 cm
[1931]
1. 1993/94 (1993). - 127 S. - DM 12.00 zzgl. Versandspesen

Der Bedeutung von Ausstellungen und Ausstellungskatalogen und der Notwendigkeit zur Information hierüber tragen - mit unterschiedlicher Zielsetzung und Form - zwei Publikationen aus jüngerer Zeit Rechnung:

Mit ihrer Hausarbeit an der FHBD lenkte Andrea Kullik erneut[1] und in einer zusammenfassenden Darstellung das Augenmerk auf eine besondere Publikationsform, die in den letzten Jahren von zunehmender Bedeutung auch für die wissenschaftlichen Universalbibliotheken wurde und dabei in verschiedenen Bereichen bibliothekarischer Praxis (bibliographischer Nachweis, Erwerbung, Informationsvermittlung usw.) die Berücksichtigung von Eigengesetzlichkeiten erforderte, ohne daß immer geeignete Hilfsmittel und Verfahrensweisen zur Verfügung standen. Am Beispiel kunsthistorischer Ausstellungskataloge zeichnet die Autorin nach versuchter allgemeiner Begriffsbestimmung und einem historischen Abriß der Entwicklung der Gattung seit dem 18. Jahrhundert die Entstehungsbedingungen des modernen Ausstellungskatalogs nach 1945 nach, versucht eine typologische Bestimmung, arbeitet den besonderen Wert von Ausstellungskatalogen innerhalb des kunstwissenschaftlichen Fachschrifttums heraus und geht schließlich in einem Kapitel Ausstellungskataloge in Spezialbibliotheken und wissenschaftlichen Universalbibliotheken auch ausführlicher auf die verschiedenen bibliothekarischen Aspekte ein. Sie zeigt insgesamt mit Deutlichkeit auf, daß "der Ausstellungskatalog ... seine Jahrhunderte währende, traditionelle Zweckbestimmung, dem Besucher als informativer Führer durch die Ausstellung zu dienen, in den Jahren nach 1945 teils aufgegeben, teils zugunsten anderer Funktionen in den Hintergrund gestellt [hat]", daß "die Entwicklung vor allem der letzten 10 Jahre ... gezeigt [hat], daß das Pendel mehr und mehr zugunsten des rein fachwissenschaftlichen Ausstellungskatalogs ausgeschlagen ist, ... daß er zum schnellsten und sichersten 'Umschlagplatz' für kunsthistorische Fachpublikationen geworden ist" (S. 80).[2]

Mit Blick auf den (nicht nur quantitativ) deutlich gewachsenen Stellenwert von Ausstellungskatalogen innerhalb des kunsthistorischen Fachschrifttums verweist Kullik zu Recht auf die Mißlichkeit des Fehlens eines zentralen Nachweises von Ausstellungskatalogen und mangelnder bibliographischer Verzeichnung trotz der Sammelaktivitäten und Bestandsnachweise von Spezialbibliotheken und wissenschaftlichen Bibliotheken mit besonderem Auftrag (Sondersammelgebietsbibliotheken,[3] Pflichtexemplarbibliotheken usw.) (S. 59 f.). Aus unserer Sicht ist gerade auch für den Informationsbereich als erschwerender Aspekt die oft sehr große Verzugszeit bei der Verzeichnung von Katalogen zu unterstreichen. Der Mangel an schnellen und umfassenden Nachweisen für Ausstellungskataloge führte zwar zum Entstehen formbezogener Sonderverzeichnisse wie etwa der Worldwide bibliography of art exhibition catalogues, doch konnte u.E. dieser Mangel dadurch nicht umfassend behoben werden.[4] Zwar sieht Kullik (gerade für den Erwerbungsbereich) in Ausstellungskalendern, Buchhandelsverzeichnissen und Bibliographien durchaus brauchbare Informationsquellen, doch wird man ihrer Bewertung dieser Hilfsmittel aus der Praxis nicht immer folgen können. So ist der bloße Kataloghinweis in Ausstellungsverzeichnissen wie dem Belser Kunstquartal[5] sicher im Sinne eines reinen Existenznachweises im allgemeinen "zuverlässig" aber eben doch unzureichend, fehlen doch gerade die für Erwerbungszwecke nicht unerheblichen Hinweise auf Autoren/Herausgeber, auf parallele Buchhandelsausgaben, Preise, Umfang etc. Die meisten der anderen von Kullik genannten Verzeichnisse wie z.B. Ausstellungslisten und Besprechungen in Fachzeitschriften[6] und Nachweise in (Spezial-)Bibliographien sind in sehr vielen Fällen als Erwerbungsunterlagen ungeeignet, da sie viel zu spät erscheinen. Spezialisierte Buchhandlesverzeichnisse[7] beschränken sich dagegen häufig auf "Bestseller" (profitable Kataloge, S.62) und/oder reduzieren die Angaben, um eigene Verkaufschancen besser zu wahren. Aus unserer Sicht bleiben daher in der Regel für eine schnelle und somit insbesondere bei Publikationen außerhalb des Buchhandels erfolgreiche Katalogerwerbung nur die Besprechungen der Tagespresse als Informationsquelle (mit in den letzten Jahren deutlich gesteigertem, wenn auch im Einzelfall immer noch stark schwankendem, bibliographischem Wert, aber eben auch mit der Möglichkeit der Qualitätsinformation zu Ausstellung und Katalog); Kullik berücksichtigt diese Informationsquelle nicht. Als langfristig retrospektive Nachweisinstrumente sind Zeitungsartikel allerdings zu Recht nicht geeignet.

Es schmälert weder Verdienst noch aktuellen Aussagewert des insgesamt die grundlegenden Aspekte zum Thema Ausstellungskataloge und ihrer Nachweismöglichkeiten zusammenfassenden Überblicks von Andrea Kullik,[8] wenn mit Belser Kunst-Katalog seit Herbst 1993 ein neues Nachweisinstrument für Ausstellungskataloge zur Verfügung steht. Mit dieser Publikation wurde ein jährliches Seitenstück zum Belser Kunstquartal geschaffen, in dem genauer und ausführlicher als in der Ausstellungsvorschau, zugleich aber auch schneller und aktueller als üblicherweise in Bibliographien über neue und lieferbare Ausstellungskataloge informiert wird. In der Grundkonzeption folgt der Belser Kunst-Katalog dabei dem Belser Kunstquartal. Das primär ordnende Ortsalphabet wird durch ein Institutionenalphabet (Kunstvereine, Galerien und Museen mit Adreßnennung) untergliedert; erst dann erscheinen die Angaben zu Ausstellung und Katalog. Ein thematischer Zugriff, wie "klassische" Bibliographien dies für Sachrecherchen bieten, ist nur sehr begrenzt über ein Künstlerregister möglich; Sachbegriffe fehlen. Schwerpunkt der Verzeichnung bleibt - trotz des Hinweises international - der Katalognachweis zu Ausstellungen in deutschen Galerien, Kunstvereinen und Museen und ist auch hier - insbesondere für die Institutionen in öffentlicher Trägerschaft - keineswegs vollständig. Die einzelnen Eintragungen bieten nicht wie das Kunstquartal den Ausstellungs(kurz)titel, sondern umfassender den Katalogtitel mit Nennung von Autoren und/bzw. Herausgebern, Umfangs- und Preisangaben. Verlagsangaben fehlen, so daß nach wie vor keine schnelle und bequeme Information über die Publikationsform (außerhalb des Buchhandels, Buchhandelsausgabe, Paralleleditionen) und damit keine brauchbare Hilfe für die Zwecke der Erwerbung vorliegt. Auch fehlt ein Hinweis auf Übernahme von Ausstellungen durch weitere Institutionen, ein nicht unerhebliches Problem bei der Katalogbeschaffung von Ausstellungen, die gelegentlich über einen recht großen Zeitraum wandern und dabei den Katalog vom Erstausrichter "mitnehmen" bzw. "mitbringen".

Für eine konsequente bibliographische Nutzung erschwerend (für Erwerbungszwecke aber durchaus hilfreich) ist die unklare Berichtszeit von Belser Kunst-Katalog. Denn wie das vorliegende erste Heft zeigt, werden nicht nur Kataloge zu Ausstellungen des Berichtsjahres angezeigt, sondern auch frühere, bei den Veranstaltern noch lieferbare Publikationen. Ob dies in der Folge konsequent durchgehalten wird, ist jetzt noch nicht abzusehen, wohl aber zu vermuten, wenn ein angemessener Umfang des Verzeichnisses gewährleistet werden soll.

Alles in allem kann (und will) Belser Kunst-Katalog sicher nicht einem an professionnellen Bibliographien anzulegenden Maßstab genügen und er sollte an diesem Raster letztlich auch gar nicht gemessen werden. Vielmehr gehört er in den Bereich der schnelleren, handlichen, für einen mittelfristigen Zeitraum brauchbaren und überaus preiswerten Informationsmittel für einen primär nicht an Wissenschaftszwecken orientierten Interessentenkreis und stellt praktisch die seit langem notwendige Ergänzung zum Belser Kunst-Quartal dar. Die bestmögliche Form der gleichzeitigen Information über aktuelle Ausstellungen und die sie begleitenden Publikationen - und dies, wenn schon nicht "weltweit", so doch ein wenig internationaler als Belser Kunst-Katalog - wird somit weiterhin Desiderat bleiben und wohl auch ein Stück Utopie, als die Realisation von Katalog und Ausstellung nicht immer kongruent verläuft.

Angela Karasch


[1]
Folgende Publikationen beschäftigten sich bereits eingehender mit der Schriftengattung Ausstellungskatalog:
Ausstellungskataloge (Kunstkataloge) / Sabine Müller-Wirth. // In: Arbeitshilfen für Spezialbibliotheken. Bd. 2. Literaturversorgung. - Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1984, S. 153 - 156.
Ausstellungskataloge als spezifische Katalogform : betrachtet unter bibliothekswissenschaftlichen Aspekten / Hanns Peter Neuheuser. // In: Bibliothek : Forschung und Praxis. - 12 (1988), S. 241 - 262. Neuheuser verweist auch auf:
Kataloge von Kunstausstellungen als Publikationsform und ihre Behandlung in wissenschaftlichen Bibliotheken : Magisterarbeit im Fach Bibliothekswissenschaft / Eva-Maria Botzlar. - Köln, 1982. (zurück)
[2]
Bei der Herausarbeitung einer Typologie folgt Kullik bei der Erstellung der Grundmuster in Form und Auflistung konstitutiver Bestandteile eines Ausstellungskatalogs (Vorwort, Geleitwort, Einleitung, Aufsatzteil, Katalogteil: Objektdokumentation und Abbildungen, Glossar, Literaturverzeichnis, ggf. Werkverzeichnis, Register) den Ausführungen Neuheusers um dann weiterführend und differenzierend die Typen fachwissenschaftlicher, Spezial- und populärer Ausstellungskatalog zu scheiden. (zurück)
[3]
Die Neuaufteilung des SSG Kunst zwischen Heidelberg und Dresden konnte von Kullik noch nicht berücksichtigt werden. Mit den Katalogisaten aus Dresden im SWB ist übrigens ein deutlich beschleunigter Titelnachweis zur Kunst nach 1945 eingetreten, insbesondere auch für entsprechende Ausstellungskataloge. (zurück)
[4]
The worldwide bibliography of art exhibition catalogues. - Millwood, NY : Kraus International Publ. ; Ithaca, NY : Worldwide Books. - 1963/87 (1992),1 - 3. - The art book biannual / Worldwide Books <Ithaca, NY> : a guide to exhibition catalogues and other books on art ; comp. from "New titles". - Ithaca, NY : Worldwide Books. - 28 cm. - Nr. 1 (1992) - . - Zu beiden vgl. die Rezension in ABUN in ZfBB 39 (1992),4, S. 335 - 337. (zurück)
[5]
Belser Kunstquartal : Vorschau auf Kunstausstellungen des In- und Auslandes. - 1965 - . (zurück)
[6]
Hier einige der wichtigeren Zeitschriften mit Ausstellungsanzeigen: Apollo (London); Burlington magazine (London); Kunst-Bulletin : offizielles Organ des Schweizerischen Kunstvereins (Kriens); Kunstchronik (München); Kunstforum international (Köln); Revue du Louvre (Paris) u.a. (zurück)
[7]
Z. B.: Fröhlich & Kaufmann (Berlin); Centro Di (Florenz); dazu kommen Kunstbuchhandlungen, deren Angebot zu einem beträchtlichen Teil aus Ausstellungskatalogen besteht, wie König (Köln).
Während man einerseits nicht schnell genug reagieren kann, Ausstellungskataloge zu erwerben, bevor sie vergriffen sind, ärgert es einen dann nicht selten, wenn in den Katalogen von Fröhlich & Kaufmann und von König Ausstellungskataloge zu einem Bruchteil ihres ursprünglichen Preises verramscht werden. Das gilt auch für ausländische, insbesondere amerikanische Kataloge, die König zahlreich anbietet. Diese Sekundärverwertung im modernen Antiquariat hängt natürlich auch damit zusammen, daß Museen nur sehr vage vorhersehen können, wie sich die Besucherzahlen und damit der Katalogverkauf entwickelt, und deshalb dazu neigen, eher eine zu hohe Auflage herstellen zu lassen, auf der man dann ggf. sitzen bleibt; man denke nur an den großen Flop der Salier-Ausstellung in Speyer. [sh] (zurück)
[8]
Es wäre durchaus wünschenswert, diesen gut lesbaren Überblick in überarbeiteter und von Tippfehlern bereinigter Fassung als Zeitschriftenbeitrag einem größeren Interessenkreis zugänglich zu machen. (zurück)

Zurück an den Bildanfang