Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 2
[ Bestand in K10plus ]

Metzler-Literatur-Chronik


94-2-284
Metzler-Literatur-Chronik : Werke deutschsprachiger Autoren / Volker Meid. - Stuttgart [u.a.] : Metzler, 1993. - 724 S. ; 25 cm. - ISBN 3-476-00941-6 : DM 58.00
[1860]

Anzuzeigen ist ein Werk, das seinen Reiz aus der verantworteten Subjektivität bezieht. Das gilt für die Auswahl und für die Form der Darstellung gleichermaßen. Stellt mit dieser Chronik doch einer unserer kenntnisreichsten Literaturhistoriker mutig seinen eigenen Kanon von rund 1.500 Werken aus der deutschen Literatur vom 8. Jahrhundert bis 1980 vor! Man merkt den Artikeln an, daß sie aufgrund eigener Lektüre geschrieben sind und nicht sekundär zusammengeholte Informationen verarbeiten. Das ist bei einem Unternehmen wie diesem schon sehr viel - kommt doch auch das fleißigste professionelle Leseleben auf nicht mehr als 8.000 oder 9.000 (gelesene!) Bücher! Glaubhaft also, wenn der Verfasser auf S. 697 dem letzten Eintrag (zu der Erzählung Der Vater eines Mörders) den Stoßseufzer "nequeo" aus dem Reichenauer Georgslied (um 900) folgen läßt.

Der Titel ... Chronik könnte in die Irre führen. Es handelt sich nicht um eine Datensammlung, sondern um eine Literaturgeschichte in Gestalt von Werkbeschreibungen. Die Reihenfolge ergibt sich - bis auf begründete Ausnahmen - aus der Chronologie der Publikationsdaten. Dadurch unterscheidet sich das Buch von einem typischen Werklexikon mit alphabetischer Anlage. Auf Angaben zur Forschungsliteratur ist verzichtet, lediglich primärbibliographische Daten werden im Text geboten. Den Kern der Artikel bilden jeweils ausführliche, gut lesbare Inhaltsangaben, mit denen sich - in wechselnder Akzentuierung - Hinweise zu Entstehung, ästhetischen und wirkungsgeschichtlichen Aspekten verbinden.

Monita sind kaum aufgefallen. Nach den Amsterdamer Handschriftenfunden von 1987 ist die bisher nur indizienhaft erwiesene Autorschaft August Klingemanns für die Nachtwachen des Bonaventura nicht mehr zu bestreiten (S. 323); die "Stofffülle" (S. 455) stört. Für manches, was man vermißt (z. B. W. v. Niebelschütz), wird man durch unerwartete Funde belohnt (z. B. Louise von Fran‡ois: Die letzte Reckenburgerin).

Es versteht sich, daß bei der Anlage gattungspoetische Zusammenhänge oder Fragen der Epochenzugehörigkeit nur am einzelnen Exempel punktuell in den Blick kommen können. Kein eigentliches Nachschlagewerk, sondern eher ein protreptisches Buch, das zum Lesen der vorgestellten Werke anregen sollte.

Hans-Albrecht Koch


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