Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 1
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Marburger Index


94-1-060
Marburger Index : Inventar der Kunst in Deutschland / Bildarchiv Foto Marburg, Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte, Philipps-Universität Marburg. - München [u.a.] : Saur, [1976 - ]. - Lfg. 1 - . - ISBN 3-598-30700-4 : DM 36.000 (Silberfiches, Gesamtwerk Lfg. 1 - 54 einschl. gedruckter Beigaben)
[1981]
94-1-061
Marburger Index. Gebrauchsanleitung : Inventar der Kunst in Deutschland / hrsg. vom Bildarchiv Foto Marburg. - 2. Aufl. - München [u.a.] : Saur, 1985. - 132 S. ; 21 cm. - ISBN 3-598-30722-5 : DM 20.00, kostenlos für Bezieher der Gesamted.
[1996]

Der Marburger Index gehört zu den ältesten auf Mikrofiches vervielfältigten Bildsammlungen. Er geht im Grundwerk auf das 1913 gegründete Bildarchiv Foto Marburg im Forschungsinstitut für Kunstgeschichte der Universität Marburg und auf das Rheinische Bildarchiv Köln, gegründet 1924, zurück und dokumentiert das in diesen Beständen vorhandene Bildmaterial zur Kunst in Deutschland (etwa 40% des Gesamtbestandes dieser Sammlungen). Das Grundwerk definiert "Deutschland" in den Grenzen von 1937, weshalb der Marburger Index in diesen ersten Lieferungen auch Abbildungen zur Kunst in Schlesien, Ostpreußen usw. enthält. Mit den Supplementen kamen insbesondere Bildsammlungen verschiedener Denkmalämter und Museen hinzu; Supplement 1 bringt z.B. einen sehr umfänglichen Zuwachs an Material zu Architektur und Sammlungen in Berlin; Supplement 2 dokumentiert hervorhebenswert umfangreich die Museumsbestände in Köln und Nürnberg. Beide Suppplemente zeigen im Vergleich zum Grundwerk für den Bereich der Architektur eine deutliche Ausweitung im Nachweis von (öffentlicher und privater) Profanarchitektur. Das seit 1991 erscheinende 3. Supplement bringt nun Material insbesondere aus den neuen Bundesländern: Die damit einsetzende Einarbeitung der Bestände der 1924 gegründeten, in ihren Wurzeln jedoch wesentlich weiter zurückreichenden Deutschen Photothek, einer Abteilung der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden, dem wichtigsten Photoarchiv auch zu DDR-Zeiten, schlägt sich bereits in sehr umfangreichen Lieferungen zu Architektur und Kunstsammlungen in Dresden sebst nieder. Mit zunehmenden Umfang des Marburger Index wird dabei der Inventarcharakter zur Kunst in Deutschland immer deutlicher.

Die in Grundwerk und Supplementen des Marburger Index publizierten Abbildungen gehen z.T. bis ins 19. Jahrhundert zurück und sind damit auch Quelle für historische Zustände, z.T. sogar Dokumentation für zerstörte, beschädigte oder verlorene Kunstwerke. Die durch ihre Herkunft aus verschiedenen Sammlungen und durch die Aktualisierung einzelner Sammlungen bedingten Materialüberlagerungen aus Grundwerk und Supplementen ergeben eine sich teilweise ergänzende bzw. verschiedene zeitliche Zustände eines einzelnen Objekts beschreibende Dokumentation. Bis 1992 war der Marburger Index auf ca. 920.000 Abbildungen von rund 500.000 Werken der Kunst in Deutschland angewachsen und wird auch u.a. durch das 1991 vom Kuratorium der VW-Stiftung verabschiedete Programm zur Inventarisierung und Dokumentation des historischen Baubestandes in Ostdeutschland in diesen Teilen weiter beachtlich anwachsen (vgl. hierzu die Ausführungen im weiter unten aufgeführten MIDAS-Handbuch).

Das Ordnungsprinzip des Marburger Index ist - sowohl im Grundwerk als auch in den Supplementen - topographisch und bietet in normierter Anordnung Stadtansichten und -pläne, Abbbildungen zur Sakral- und (öffentlich und privaten) Profanarchitektur (mit Außen-, Innen- und Detailansichten in ebenfalls klar definierter Abfolge), zur Bauplastik, zu beweglichen Kunstgegenständen (Plastik, Malerei, Zeichnung, Kunsthandwerk usw.) in den jeweiligen Ortssammlungen. Die Ordnung der Fiches wird nicht nur durch die klare Leistenbeschriftung deutlich; auch dank der mitgelieferten Leitkarten (Ortsalphabete, z.T. mit Unterdifferenzierungen) ist ein schneller und bequemer Zugriff möglich. Obwohl Grundwerk und jedes Supplement eigene Alphabete bilden und somit Abbildungsmaterial zu einem Ort an verschiedenen Stellen zu finden ist, bedeutet dies dank des Leitkartensystems keine nennenswerte Beeinträchtigung für den Zugriff, ebensowenig für die Aufrechterhaltung der Ordnung bei starker Nutzung des Inventars, da alle Fiches über Grundwerk- und Supplementegrenzen hinweg durchlaufend numeriert sind.

Die Beschreibung der Kunstwerke auf den einzelnen Abbildungen ist - je nach Provenienz des Materials - von unterschiedlicher Ausführlichkeit und Güte, im allgemeinen aber jeweils eindeutig, ausreichend und lesbar, eine Feststellung, die nicht für alle auf Mikrofiches angebotenen Bildsammlungen zutrifft. Darüber hinaus erlaubt eine Konkordanz von Mikrofiche-Nummer mit Feldangabe und Objekt-Nummer den Zugriff auf ein Objekt-Inventar, das von den insgesamt rund 500.000 abgebildeten Kunstwerken zu ca. 100.000 (meist beweglichen) Werken die nachstehend aufgeführten Angaben und Beschreibungsaspekte normiert auflistet und gegebenenfalls ergänzt: Objektdefinition, Titel, Künstler (mit biographischen Daten), Spezifizierungen zu Material, Größe, Datierung, Standort, Verwaltung, ikonographische Zuordnung (dazu weiter unten), Zusatzerläuterungen und schließlich Abbildungshinweise nicht nur innerhalb des Marburger Index sondern auch zu anderen großen Abbildungssammlungen, wie z.B. denen des Courtauld Institute of Art in London; letzteres ist sicher ein in seinem Wert nicht zu unterschätzender Service. Zwar spiegeln die in diesem Objekt-Inventar angebotenen Beschreibungen im Einzelfall nicht immer den aktuellen Forschungsstand wider. Dies kann auch schwerlich von einer Abbildungssammlung dieser Art und Größe geleistet werden und liegt auch nicht in ihrer Zielsetzung. Gewisse Ungenauigkeiten in den Objektbeschreibungen sind somit als "systemimmanent" anzusehen und sind - wie bei älterer Literatur auch - durch weitere Forschungen von Fall zu Fall zu korrigieren; die gerade im Marburger Index vergleichsweise ausführlichen Datenangaben werden dies meistens erleichtern.

Eine Besonderheit des Marburger Index ist die sehr umfangreiche Erschließung durch Register, die ein "Aufbrechen" der topographischen Ordnung erlauben und das Inventar zusätzlich für ikonographische Fragestellungen zu einem sehr brauchbaren Nachweisinstrument machen. Hilfsgerüst bei der entsprechenden Aufbereitung des Materials ist das am Kunsthistorischen Institut der Universität Leiden entwickelte und auch in Deutschland inzwischen recht verbreitete, in gedruckter Form vorliegende ikonographische Ordnungssystem Iconclass[1]. Der Einstieg bei einer Recherche zu Darstellungsinhalten abendländischer Kunst erfolgt mit dem Suchbegriff über das Register (alphabetischer Index) und/oder direkt über die Systematik von Iconclass und führt zu der hier dem Sachverhalt zugeordneten Notation. Nach diesen Notationen wiederum sind die ikonographischen Mikrofiche-Register des Marburger Index geordnet; sie bringen zugleich die Verknüpfung mit den Abbildungsangaben (Nachweis von Fiche-Nummer und Feld) und führen so zum Bild.

Beispielsweise leitet die Suche nach Darstellungen der Muse Klio über Iconclass zu der Notation 92 D 42 1. Im Marburger Index erhält man mit dieser Angabe über das Register Primäre Ikonographie oder - gezielter - über das Register Antike Mythologie und Geschichte dann u.a. folgenden Hinweis: Tischbein d.Ä., Die Muse Clio, Kassel, Abb. Marburger Index: Fiche 897 F 3. Diese Abbildungsangaben erlauben ohne Kenntnisse von Standorten und damit unter Vernachlässigung der topographischen Grundordnung des Bildteils einen direkten Bildzugang, im genannten Beispiel also zu der unter Kassel abgelegten Abbildung des Tischbein-Gemäldes.

Folgende Register werden zur Zeit zum Marburger Index angeboten und in Abständen mit wachsendem Sammlungsbestand ergänzt bzw. aktualisiert:

Alphabetisch angelegt sind:

Künstler-Oeuvre-Katalog, Produzenten-Katalog/Druckgraphik, Künstlerinnen-Katalog, Auftraggeber-Katalog.

Nach Iconclass geordnet - wenn nicht in Klammer anders vermerkt - sind:

Primäre Ikonographie; Sekundäre Ikonographie; Allegorie und Symbol; metaphorische Darstellungen; Porträt-Katalog (Alphabet der Namen und Systematik nach Iconclass); topographische Ikonographie (alphabetisch); Ikonographie der Religion und Magie; Heiligen-Ikonographie; Ikonographie von Mensch und Natur; Ikonographie von Familie und Haushalt; Feste, Spiel, Sport; politische und Rechtsgeschichte; Gesellschaft und Ökonomie; Ikonographie der Kunst und Wissenschaft; dargestellte Kunstwerke (Begriffsalphabet), biblische Ikonographie; Literatur im Bild; antike Mythologie und Geschichte; Katalog der anonymen Werke; Ikonographie der Buchmalerei.

Wiederum alphabetisch geordnet sind:

Sachkatalog; Material und Technik; Besondere Anlässe; Katalog der dislozierten Werke (nach Standorten), Skulpturenkatalog (nach Ländern).

Von den alphabetisch geordneten Indizes des Marburger Index abgesehen, sind die anderern nur mit Kenntnis und Benutzung von Iconclass verwendbar. Für ungeübte oder fachfremde Nutzer mag dies zwar eine Einschränkung sein, doch steht dem ein erheblicher Gewinn gegenüber, der gerade auch interdisziplinären Fragestellungen zugute kommt. Im Vergleich zu anderen meist ebenfalls topographisch aufgebauten Bildinventaren bietet der Marburger Index somit dank seiner Vielfalt von Registern eine weit über die Norm hinausgehende Erschließungdifferenzierung des Abbildungsmaterials, was einen nicht gering zu veranschlagenden Vorteil bedeutet.

Die dem Grundwerk des Marburger Index beigefügte Gebrauchsanleitung in gedruckter Form ist durch die dialogische Darstellungsweise einer schnellen und gezielten Information eher hinderlich; hier wären präzisere und auch optisch besser strukturierte Begleitmaterialien vorzuziehen.


[1]
Iconclass : an iconographic classification system / H. van de Waal. Completed and ed. by L. D. Couprie ... - Amsterdam : North Holland Publ. Co., 1973 - 1985. - System. - 1 (1981) - 8/9 (1980). - Bibliography. - 1 (1983) - 8/9 (1980). - Index. - [1 - 3] (1985). - Zu den Bänden für die eigentliche Systematik erschienen parallel solche mit der Bibliographie; dazu kommen Registerbände. (zurück)

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