Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 1
[ Bestand in K10plus ]

A guide to the Oxford English dictionary


94-1-056
A guide to the Oxford English dictionary / Donna Lee Berg. - Oxford [u.a.] : Oxford University Press, 1993. - X, 206 S. ; 24 cm. - ISBN 0-19-869179-3 : œ 12.95
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Mit seinen 290.500 Eintragungen, 616.500 aufgeführten Wortformen und 580.000 Verweisungen stellt das Oxford English Dictionary (OED) allein schon in quantitativer Hinsicht (die Zahlen beziehen sich auf die 2. Aufl. von 1989) ein einzigartiges Wörterbuch dar, dem insbesondere auch die bislang unterentwickelte deutschsprachige Lexikographie nichts Ebenbürtiges an die Seite zu stellen vermag.

Das OED hat diachronischen Charakter, d.h. es verzeichnet nicht nur den gegenwärtigen Wortschatz des Englischen, sondern auch den historischen Sprachgebrauch seit Mitte des 12. Jahrhunderts. Die bewundernswerte Dokumentationsleistung wird mit Hilfe von etwa 2 1/2 Millionen Zitaten erbracht, die den Erstgebrauch eines Wortes und dessen Bedeutungsgeschichte belegen und das OED als "rich resource for both literary and social history" (S. 3) ausweisen. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich die deskriptive Ausrichtung des OED, das keine präskriptive (sprachnormierende) Intentionen verfolgt. Der effiziente Gebrauch eines solch umfangreichen, diffizil organisierten und mit zahlreichen lexikographischen Idiosynkrasien versehenen Wörterbuches, das durch "quantity and density of the text" (S. 6) erdrücken mag, bedarf einer detaillierten, informationsdidaktisch konzipierten Einweisung: diese wird mit dem vorliegenden, hervorragenden Guide von Donna Lee Berg erbracht, einem Hilfsmittel, das - so das vorgezogene Fazit - in jeder Universalbibliothek zweifach aufzustellen ist: neben der im Lesesaal zur Verfügung zu stellenden gedruckten Ausgabe des OED und zusätzlich in der Nähe der für die interaktive, nicht-lineare Abfrage erforderlichen CD-ROM-Version.

Der erste Teil des vorliegenden Buches, A user's guide to the OED (S. 1 - 81), stellt Anliegen und Konzeption des OED vor (zentral hier die Frage: welche Lemmata können erwartet werden?) und erläutert vor allem die komplexe Architektur - die structural conventions (S. 13) - der nach einem strikten letter-by-letter-Prinzip alphabetisch geordneten Haupteintragungen (main entries im Gegensatz zu den verweisenden cross-reference entries). Der main entry teilt sich ein in die headword section (man könnte dies mit Lemma-Sektion wiedergeben) und in die sense section (eine Bedeutungssektion). Zur Lemma-Sektion zählen - ohne daß all diese Elemente unbedingt realisiert sein müßten - 1. die dem Lemma vorangestellte Status-Angabe (z.B. obsolete), 2. das Lemma selbst, 3. ein Aussprachehinweis, 4. eine Angabe zur Wortart (part of speech), 5. eine Homonymennummer ("used to ensure that headwords with the same spelling and the same part of speech, but which warrant separate entries because of their distinct meanings and histories, are differentiated and given unique 'addresses'", S. 19), 6. eine label genannte Kennzeichnung des "usual context or status of a word" (S. 19) - die fünf wichtigsten labels sind status, regional (ein Beispiel hierfür: Austral. für Australia), grammatical, semantic und subject -, 7. Variante Formen, 8. Etymologie. In der Bedeutungs-Sektion spielen Wortdefinitionen und Zitate, die den jeweiligen Wortgebrauch im Kontext belegen, eine zentrale Rolle. Mit Hinweisen zu speziellen Lemmata (u.a. Buchstaben des Alphabets, Abkürzungen, Affixe, Eigennamen, spurious words) endet der systematische, mit vielen instruktiven Abbildungen exemplarischer Eintragungen versehene erste Teil des Bandes.

Der zweite Teil, A companion to the OED (S. 83 - 191), mit zahlreichen Verweisungen zu entsprechenden Passagen im ersten Teil ausgestattet, weist alphabetisch geordnete Stichwörter auf - enge wie weite, 'harte' wie 'weiche' - , die ein breites Spektrum abdecken. Dieser Teil enthält Namen von Personen und Institutionen, die für das OED eine zentrale Bedeutung haben (Beispiele: Henry Bradley, English Dialect Society oder das Scriptorium, Insider-Bezeichnung für den Arbeitsbereich, in dem die 1. Aufl. der OED zusammengestellt wurde); Beiträge zu den Bausteinen der OED-Eintragungen (Beispiel quotation); linguistische, insbesondere lexikographische Fachtermini, denen nicht selten im OED eine spezielle Bedeutung zukommt (etwa: die Unterscheidung zwischen adaptation of und adoption of); Sprachbezeichnungen, die für das OED eine Rolle spielen (z.B. Latin, Middle English); Label-Bezeichnungen (wie z.B. absolute, colloquial, dialect, elliptical); Ordnungsprinzipien (alphabetical order, chronological order); Beiträge zur Produktionsgeschichte (contributors) und zu einzelnen Stadien der Publikationsgeschichte des OED (z.B. New English Dictionary); Artikel zu zahlreichen 'Methoden', Gepflogenheiten und Charakteristika (unverzichtbar: die Beiträge über die wissensorganisatorisch relevante typography und über das Reading Programme) sowie zu nennenswerten Auffälligkeiten des OED (Shakespeare, der mit 33.000 Zitaten meistzitierte Autor; set: der längste Artikel). Besondere Aufmerksamkeit verdienen die zahlreichen Hinweise auf Pragmatismen, Hausstile, Ausnahmen, Sonderregeln, auf flexibel angewandte lexikographische Vorschriften und Irregularitäten (etwa bei der Wiedergabe von Titeln, S. 182). Erst deren genaues Studium gewährleistet einen optimalen Umgang mit dem OED. Die Grundlagen der Speicherung des OED auf maschinenlesbaren Datenträgern (etwa der CD-ROM-Version der 2. Aufl. von 1992) werden eher vernachlässigt. Zu diesem Thema finden sich nur wenige Beiträge (database, machine-readable, New OED Project, vielleicht noch integration) und einige eher kurze Hinweise, so etwa auf die Schwierigkeiten, die sich aus unterschiedlichen Gepflogenheiten bei Bibelzitaten ergeben, und die so recht nur für den Nutzer der elektronischen Version spürbar werden (S. 95). Neben vielen nützlichen, unmittelbar bei der praktischen Wörterbucharbeit anwendbaren, detailreichen Ratschlägen gewährt dieser Teil zahlreiche (auch das Anekdotische nicht scheuende) Einblicke in die Werkstatt des OED, erhellt den lexikographiegeschichtlichen Kontext dieses Wörterbuches und steht - dies ein ganz wichtiges Anliegen - auch im Dienste eines überzeugenden Wörterbuch-Marketings.

Den Band beschließen drei Anhänge: 1. OED facts and figures (S. 193 - 196): statistische Daten, bei denen der Verzicht auf gigantomanisches Schwärmen nicht gelungen scheint: wir erfahren beispielsweise, daß der Text der 2. Auflage 62,6 Kilo wiegt; 2. A chronology of events relevant to the history of the OED (S. 197 - 203): von 1755, dem Jahr der Erstveröffentlichung von Samuel Johnsons Dictionary of the English language bis 1992, dem Jahr der Veröffentlichung der CD-ROM der 2. Aufl. des OED; 3. Bibliography (S. 205 - 206): eine sparsame Bibliographie zum OED, die nur die wichtigsten Titel aufführt.

Werner Bies


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