Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 1
[ Bestand in K10plus ]

Automated information retrieval in libraries


94-1-003
Automated information retrieval in libraries : a management handbook / Vicki Anders. - Westport, Conn. ; London [u.a.] : Greenwood Press, 1992. - X, 248 S. ; 25 cm. - (The Greenwood library management collection). - ISBN 0-313-27361-8 : $-Preis nicht mitgeteilt, œ 49.95 (EUROSPAN, London)
[1895]

Mit diesem Handbuch wendet sich V. Anders an die Abteilungen der Informations(v)ermittlung. Unter "automated information retrieval" versteht sie EDV-gestützte Recherchen in kommerziellen Online-, Ondisk-[1] oder sonstigen lokal vorgehaltenen Datenbanken, wobei Recherchen sowohl vermittelte als auch Endnutzer-Recherchen sein können. In 8 Kapiteln beschreibt sie umfassend alle damit zusammenhängenden Sachverhalte und Begleiterscheinungen, wie Geschäftsgang, Auswirkungen auf andere Dienststellen, technische Ausrüstung, Kosten, Personal, Benutzerverhalten,[2] Erfahrungen mit Hosts sowie Planungen für die Zukunft. Jedem Kapitel folgt eine referierende Bibliographie; insgesamt gibt sie über 350 bibliographische Hinweise. Datenbankverzeichnisse, wichtige Zeitschriften und sonstige Nachschlagewerke beschreibt sie innerhalb der jeweiligen Kapitel, ohne sie in der Bibliographie ein weiteres Mal aufzuführen.

Der Schwerpunkt des Buches liegt bei der sehr treffenden Schilderung des Verhaltens der Benutzer, ihrer Erwartungen, ihrer Denk- und Suchweisen und ihrer typischen Fehler. Benutzer bevorzugen computergestützte Literaturrecherchen und ignorieren zunehmend die gedruckten Bibliographien. Da sie die Menge der verfügbaren Informationen unterschätzen und nicht wissen, daß zur erfolgreichen Literatursuche auch Kenntnisse des Datenbankinhalts und -aufbaus sowie der Retrievalfunktionen notwendig sind, erweisen sich ihre Recherchen oft als anspruchslos und die erzielten Ergebnisse als Zufallstreffer. Nachdrücklich weist Anders darauf hin, daß Benutzer der ständigen Hilfestellung durch fachkundiges Personal bedürfen. Als Folge der Endnutzer-Recherchen reduziert sich die Zahl der vermittelten Recherchen, die jedoch komplexer, anspruchsvoller und teurer werden. Wenn man den Endnutzern den Online-Zugang eröffnet, entstehen damit den Bibliotheken kaum zu kalkulierende Ausgaben. Die vorgestellten Kostenberechnungen lassen sich jedoch nicht ohne weiteres übernehmen, da die Nutzung von Online-Datenbanken in Deutschland viel teurer ist und nur in Ausnahmefällen die Kosten für eine Anschaltstunde mit 60 $ (ca. DM 100) angesetzt werden können.[3] Von den in den USA selbstverständlich genutzten Mondschein-Tarifen der Hosts können die Bibliotheken hier auf Grund der üblichen Dienst- bzw. Öffnungszeiten nur sehr wenig profitieren. Nutzung teurer Datenbanken führt immer auch zu dem Problem des "fee or free", zu dem umfassende Überlegungen angestellt werden.

Zu Beispielen werden häufig die Hosts DIALOG und WILSONLINE herangezogen. In einer Übersicht über die wichtigsten ausländischen Hosts finden sich DATA-STAR,[4] ESA-IRS, QUESTEL und aus Deutschland nur DIMDI. STN wird als "home vendor" von Chemical Abstracts erwähnt, ansonsten aber den US-Hosts zugeordnet.[5] Anfang 1993 erschien ein deutschsprachiges Handbuch Die Informationsvermittlungsstelle von R. Pörzgen und M. Schreiber,[6] das die vermittelte Recherche und ihr Umfeld behandelt. Wenn auch bei Anders die Endnutzer-Recherchen im Mittelpunkt stehen und vermittelte Recherchen eher am Rande mitbetrachtet werden, so ist ein Vergleich doch aufschlußreich und zeigt einmal mehr, daß die Benutzerdienste in den USA einen ganz anderen Stellenwert haben. So widmen Pörzgen/Schreiber dem Benutzer 2 Seiten und den Anforderungen an den Informationsvermittler 4 Seiten; dagegen schildert Anders auf 38 Seiten die "End-User Services" und auf 26 Seiten den "Staff". Datenverarbeitung, Hard- und Software sowie Netzwerke beanspruchen 39 Seiten bei Pörzgen/Schreiber, die ausführlich mit viel programmiertechnischem Hintergrundwissen erläutern, wie man Recherche-Ergebnisse in relationale Datenbanken überführt oder mit einem Textverarbeitungsprogramm weiterverarbeitet. Anders vermittelt dem EDV-technischen Laien auf 14 Seiten einen Überblick darüber, was Hard- und Software leisten müssen, ohne den Leser mit technischen Daten zu überfordern.

Wer sich in neue Aufgaben einarbeitet und eines Ratgebers bedarf, möchte die Hilfestellung nicht unbedingt in einer Fremdsprache erhalten. Jedoch hat das Schulenglisch der Rezensentin, das in den letzten Jahren nur durch Vokabeln der EDV- und Datenbank-Welt erweitert worden ist, zum Verständnis völlig ausgereicht. Anders schreibt in leicht verständlichen Sätzen und ihr munterer Stil sorgt für gelegentliche Heiterkeit.[7] Obwohl aus amerikanischen Erfahrungen entstanden, können wir beim Aufbau und Ausbau von Informationsabteilungen viele ihrer Anregungen umsetzen; der Leitfaden kann zur Bewältigung täglicher Aufgaben und für den Umgang mit den Benutzern uneingeschränkt empfohlen werden.

Angelika Weber


[1]
"Ondisk ... includes CD-ROM, optical disks, laser disks, and ... databases distributed on floppy disks ... to be loaded on ... hard disks of microcomputers." (zurück)
[2]
Typische Verhaltensweisen von Benutzern von Informationsvermittlungsstellen schildert am Beispiel der Bibliothek der Technischen Hochschule Aachen der folgende Beitrag: Datenbankrecherchen für ein Butterbrot / Angelika Weber. // In: Bibliotheksdienst. - 28 (1994),1, S. 33 - 38. (zurück)
[3]
Zum Vergleich: bei FIZ Technik kostet 1994 (bis auf 2 Ausnahmen) eine Online-Stunde DM 276.00 (zurück)
[4]
Für DATA-STAR wird die Londoner Adresse seiner Marketing-Abteilung angegeben. Der Leser erfährt nicht, daß es sich um einen schweizerischen Host handelt, jedenfalls war er das noch im Erscheinungsjahr von Anders' Buch. Erst im März 1993 wurde die Übernahme von DATA-STAR durch den amerikanischen Medienkonzern Knight-Ridder, dem bereits DIALOG gehört, bekanntgegeben. (zurück)
[5]
STN wird von 3 Partnern gemeinsam betrieben: der American Chemical Society (ACS), dem Fachinformationszentrum Karlsruhe und dem Japan Information Center of Science and Technology (JICST). (zurück)
[6]
Die Informationsvermittlungsstelle : Planung, Einrichtung, Betrieb / Rainer Pörzgen ; Martin Schreiber. - München [u.a.]: Saur, 1993. - 124 S.; 22 cm. - (Bibliothekspraxis; Bd. 33) - ISBN 3-598-21164-3 : DM 58.00. - Vgl. dazu meine Rezension im Mitteilungsblatt / Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen. - 43 (1993),3, S. 331 - 333. (zurück)
[7]
So z.B. wenn sie die Notwendigkeit eines schnellen Druckers oder Buffers beschreibt: "An end-user twiddles his thumbs and watches the CD-ROM workstation printer do its thing while other users grind their teeth in frustration as they wait for a chance to use the same database." (zurück)

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