Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Katalog juristischer Dissertationen, Disputationen,


93-3/4-233
Katalog juristischer Dissertationen, Disputationen, Programme und anderer Hochschulschriften im Zeitraum von 1600 bis 1800 aus den Beständen der Universität Rostock / im Auftr. der Universitätsbibliothek an der Chuo-Universität hrsg. von Ryuichi Tsuno. - Tokyo : Chuo University Library, 1989. - Halbbd. 1 - 2 ; 22 cm. - ISBN 3-8051-0020-5 (Keip) : DM 380.00. - (Antiquariat und Verlag Keip GmbH, Bayernstr. 9, 63773 Goldbach)
[1689]

Es ist sicher außergewöhnlich, wenn ein Verzeichnis alter deutscher Dissertationen von einem Japaner bearbeitet wird, ein japanisches Impressum trägt und den Bestand einer japanischen Bibliothek nachweist. Verständlicher wird das Ganze, wenn man erfährt, daß Tsuno einige Zeit am Frankfurter Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte gearbeitet hat, eben in jener Forschungsstätte, die die große Bedeutung der alten Universitätsschriften für die rechtshistorische Forschung frühzeitig erkannt, eine Sammlung von über 60.000 juristischen Dissertationen aufgebaut und mit den von Filippo Ranieri betreuten bio-bibliographischen Hilfsmitteln[1] bereits wichtige Beiträge zur Erschließung jener Quellen geliefert hat. Die Frankfurter Juristen haben offensichtlich in ihrem japanischen Stipendiaten das Interesse an den alten deutschen Hochschulschriften geweckt. Nach Hause zurückgekehrt konnte er seine Heimatuniversität dazu bewegen, antiquarisch die vorliegende, aus der Universität Rostock stammende und etwa 12.500 Titel umfassende Sammlung zu erwerben. Die Dissertationen stammen entweder aus Altbeständen der Universitätsbibliothek selbst oder aus den in unserem Jahrhundert von dieser übernommenen Büchern der Bibliothek der Mecklenburgischen Ritter- und Landschaft (Landesbibliothek). Es sieht ganz so aus, als ob hier wie schon früher mit dem Verkauf der Sammlung Nettelbladt an das Frankfurter Max-Planck-Institut[2] die Universitätsbibliothek Rostock aus Devisenhunger nicht nur Dubletten, sondern auch unikalen Bestand an westliche Antiquariate verkauft hat.

Gemäß ihrer Provenienz enthält die Sammlung vor allem Dissertationen und Programme der protestantischen Universitäten Mittel- und Ostdeutschlands, also der stark frequentierten Universitäten Göttingen, Halle, Leipzig, Jena, Helmstedt, Wittenberg und der Ostseeanrainer Kiel, Rostock, Greifswald, Königsberg. Westdeutsche und niederländische Hochschulen sind deutlich geringer repräsentiert, die katholischen Universitäten des Reiches fehlen fast ganz. Auch die Akademischen Gymnasien sind unterrepräsentiert.

Wie Ranieri ordnet Tsuno alphabetisch nach Respondenten, deren Heimatorte und -regionen er im lateinischen Original übernimmt. Es folgen der Präses, der Sachtitel, der Universitätsort, das Disputationsdatum sowie das Impressum. Verzichtet wird auf die Umfangsangabe sowie den Nachweis von Dedicationes und Gratulationes. Zum Registerteil gehören ein Register der Präsides, ein Hochschul-, ein systematisches und ein deutsches Schlagwortregister.

Leider hat Tsuno nirgendwo den Versuch übernommen, Personen- und Ortsnamen zu normieren. So tauchen sie in bunter Vielfalt auf, in latinisierter wie in deutscher Version, in unterschiedlicher Orthographie, in Vollform oder abgekürzt. Der berühmte Hallenser Jurist Justus Henning Böhmer begegnet uns in nicht weniger als sieben verschiedenen Ansetzungen, neben Bützow steht Butzow, Frankfurt neben Frankfurt a.d. Oder als Universitätsort usw. Im Universitätenregister gibt es zudem Einträge unter Mecklenburg (Rostock, Bützow?) oder Salzwita(?). Diese mangelnde redaktionelle Bearbeitung ist sicher das größte Monitum an einer ansonsten wichtigen Dissertationenbibliographie, die wegen ihres entlegenen Publikationsortes der Fachwelt und auch deutschen Bibliotheken bisher weitgehen dentgangen ist.[3] Sie ergänzt die Verzeichnisse von Ranieri vortrefflich und ohne sie wäre diese umfangreiche Spezialsammlung europäischen Forschern wohl immer verborgen geblieben, was auch die verspätete Rezension rechtfertigt.

Manfred Komorowski


[1]
Juristische Dissertationen deutscher Universitäten : 17. - 18. Jh. ; Dokumentation / zsgest. von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Filippo Ranieri. - Frankfurt am Main : Klostermann, 1986. - Halbbd. 1 - 2 ; 25 cm. - (Ius commune : Sonderh. ; 27). - ISBN 3-465-01758-7. - Berichtet allerdings nur für die Jahre 1601/05, 1651/55, 1701/05, 1751/55 und für Respondenten mit Buchstaben E. - Vgl. die Rezension in ABUN in ZfBB 34 (1987),4, S. 314 - 315.
In diesem Zusammenhang ist auch die folgende sozialgeschichtliche Abhandlung zu nennen, die 737 Biographien und 571 Dissertationen Frankfurter Rechtsgelehrter nachweist und die demnächst in IFB besprochen werden soll:
Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert / Barbara Dölemeyer. - Frankfurt am Main : Klostermann, 1993. - XCVIII, 435 S. ; 25 cm. - (Ius commune : Sonderh. ; 60). - ISBN 3-465-02583-0.
Ferner: Biographisches Repertorium der Juristen im alten Reich : 16. - 18. Jahrh. / hrsg. von Filippo Ranieri. Unter Mitarb. einer Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte. - Frankfurt am Main : Klostermann, 1987 - 1991. - (Ius commune : Sonderh. ; ...). - Es erschienen nur die folgenden Bd.: A. (1989); C. (1991); D. (1990); E. (1987). Nach Auskunft des Herausgebers wird dieses Werk in gedruckter Form nicht weitergeführt. (zurück)
[2]
Ranieri (1986), S. 17. (zurück)
[3] Stichproben in drei Verbundkatalogen belegen dies. (zurück)

Zurück an den Bildanfang