Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 3/4
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Autorenlexikon Lateinamerika


93-3/4-171
Autorenlexikon Lateinamerika / hrsg. von Dieter Reichardt. - 1. Aufl. - Frankfurt : Suhrkamp, 1992. - XVI, 738 S. ; 22 cm. - ISBN 3-518-40485-7 : DM 98.00
[1550]
93-3/4-172
Spanish American authors : the twentieth century / Angel Flores. - New York : Wilson, 1992. - XVI, 915 S. ; 26 cm. - ISBN 0-8242-0806-4 : $ 100.00, $ 110.00 (außerhalb Nordamerikas)
[1592]

Nach einer bescheidenen ersten Auflage[1] und einer wesentlich erweiterten zweiten[2] erscheint jetzt dieses Nachschlagewerk erneut in wesentlich erweiterter Form, wiederum unter einem neuen Titel und ist mit seinen über 900 Autoren in der Tat "umfassend wie kein anderes europäisches Lexikon[3] bezüglich lateinamerikanischer Literatur" (wie es im Waschzettel heißt). Die Veränderungen gegenüber der Vorauflage beschränken sich jedoch keineswegs auf die Vermehrung der Namen und auf die Aktualisierung; vielmehr handelt es sich insofern um ein neu bearbeitetes Werk, als die Auswahl der Autoren, die sich in den beiden Vorauflagen an der Existenz von deutschsprachigen Übersetzungen orientierte, sich also von den Zufällen des Literaturmarktes abhängig machte, jetzt allein auf Grund der Bedeutung der Autoren im Rahmen der jeweiligen Nationalliteratur getroffen wurde, was subjektive Momente zwar nicht ausschließt, jedoch zu einem wesentlich ausgewogeneren Bild der spanisch- und portugiesischsprachigen Literatur des amerikanischen Kontinents im Spiegel ihrer Autoren aus allen Epochen führt. Das hat allerdings auch zur Folge - was leider dem Vorwort nicht zu entnehmen ist - daß nicht wenige in der Vorauflage noch behandelte Autoren jetzt ganz fehlen und durch neue ersetzt wurden,[4] was bedeutet, daß man in vielen Fällen auf die Vorauflage nicht verzichten kann und es ist bedauerlich, daß der Verfasser der neuen Auflage nicht wenigstens eine Liste der nicht übernommenen Autoren mit Hinweis auf die Fundstelle in der Vorauflage beigegeben hat (diese Namen hätten auch - mit besonderer Markierung - in das Gesamtregister eingefügt werden können). Die Vorauflage ist darüber hinaus auch deswegen nicht ersetzt, als sie unselbständig publizierte Übersetzungen (vor allem in Anthologien) nachweist, die in der neuen, auf monographische Werkausgaben beschränkten Auflage fehlen. Die Anlage ist gleich geblieben, nämlich im Alphabet von 21 Ländern (einschließlich der in der Vorauflage noch fehlenden USA für die dortigen Chicano-Autoren), innerhalb im Autorenalphabet, jedoch in allen Fällen mit einer vorangestellten, nach dem Geburtsjahr chronologisch geordneten Übersicht über die behandelten Autoren. Die überwiegend von Reichardt (Universität Hamburg) selbst stammenden Artikel - die von 14 weiteren Mitarbeitern verfaßten sind mit deren Namenskürzeln gezeichnet - sind im allgemeinen kurz (im Schnitt eine Spalte), geben die in Autorenlexika üblichen Informationen ohne sich wertenden Urteilen zu enthalten. Die Besprechung der Werke beschränkt sich "in erster Linie auf Buchveröffentlichungen"; letzteres gilt ausnahmslos für die Abteilung "Werke" der bibliographischen Zusammenstellungen am Ende jedes Artikels, während die zitierten Untersuchungen außer Monographien auch Aufsätze berücksichtigen. Als Beigabe findet sich im Anhang eine achtseitige Bibliographie mit Nachschlagewerken und literaturgeschichtlichen Darstellungen zum Gesamtgebiet und zu den einzelnen Nationalliteraturen. - Nicht nur in Anbetracht der starken Beachtung, die einige lateinamerikanische Autoren (z.B. Isabel Allende, Gabriel García Márquez) in den letzten Jahren auch in Deutschland gefunden haben unverzichtbar für alle Typen von Bibliotheken, die überhaupt schöne Literatur pflegen.

Spanish American authors ist der jüngste Band in der ungezählten Reihe The Wilson author series, die sich in amerikanischen Public Libraries besonderer Beliebtheit erfreut und in der seit 1942 Bände zunächst über Autoren des 20. Jahrhunderts, dann solche für Autoren der englischsprachigen Literaturen, der Antike, der nicht englischsprachigen Literaturen Europas sowie über Autoren der Weltliteratur ohne zeitliche Begrenzung erschienen sind; alle diese Bände, die durch ein gemeinsames Register erschlossen werden,[5] wenden sich insbesondere an den literarisch interessierten Laien in englischsprachigen Ländern und treffen dementsprechend die Auswahl primär unter dem Aspekt der Rezeption in englischsprachigen Ländern, insbesondere in den USA, nicht dagegen unter dem der Reputation, die ein Autor in seiner Heimat genießt. Diese Beschränkung ist in den frühen Bänden der Reihe stärker als in den späteren; sie ist nicht mehr zu konstatieren in dem vorliegenden Band, dessen 333 spanischsprachige Autoren von dem 1992 im Alter von 92 Jahren verstorbenen Angel Flores ausgewählt wurden. Dies ist insofern bedeutungsvoll, als Flores der vermutlich wichtigste Vermittler zwischen spanischsprachiger und englischsprachiger Literatur in diesem Jahrhundert war[6] und der zudem fast alle der hier versammelten Literaten persönlich kannte und sie in zahlreichen Fällen dazu veranlaßte, autobiographische Texte zu diesem Werk beizusteuern. (Diese autobiographischen Teile in vielen Artikeln sind ein weiteres Charakteristikum der Bände dieser Reihe.) Die Artikel stammen zum Teil von Flores selbst, zum Teil von ca. 70 weiteren, überwiegend spanischsprachigen Mitarbeitern, deren Texte ins Englische übertragen wurden. Dagegen hat Flores die z. T. sehr ausführlichen Personalbibliographien im Anschluß an den biographisch-kritischen Text weitgehend selbst beigetragen; sie sind jeweils nach Werken und Untersuchungen unterteilt, erstere mit Untergliederungen für Werkausgaben und Einzelwerke, letztere nach Personalbibliographien, Anthologien mit literaturkritischen Texten sowie Sekundärliteratur. Beide Teile beschränken sich auf spanisch- und englischsprachige Titel und berücksichtigen sowohl Monographien als auch Aufsätze. Die von Flores ausgewählten Autoren finden sich bis auf wenige Ausnahmen auch bei Reichardt[7] und die Artikel sind - auch bei Abzug der autobiographischen Texte - verständlicherweise zumeist etwas länger als die bei Reichardt; dagegen übertreffen die Personalbibliographien i. d. R. die bei Reichardt ganz beträchtlich und machen nicht zuletzt den besonderen Wert des amerikanischen Nachschlagewerks aus.

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[1]
Schöne Literatur lateinamerikanischer Autoren : eine Übersicht der deutschen Übersetzungen mit biographischen Angaben / bearb. von Dieter Reichardt. - Hamburg : Institut für Iberoamerika-Kunde, 1965. - 270 S. - (Reihe "Bibliographie und Dokumentation" / Institut für Iberoamerika-Kunde ; 6) (zurück)
[2]
Lateinamerikanische Autoren : Literaturlexikon und Bibliographie der deutschen Übersetzungen / Dieter Reichardt. - Tübingen [u.a.] : Erdmann, 1972. - 718 S. (zurück)
[3]
An deutschsprachigen Werken aus neuerer Zeit ist nur zu nennen:
Lateinamerikanische Literatur der Gegenwart in Einzeldarstellungen / hrsg. von Wolfgang Eitel. - Stuttgart : Kröner, 1978. - LXII, 538 S. - (Kröners Taschenausgabe ; 462)
Enthält relativ ausführliche Darstellungen des Werkes von 28 lateinamerikanischen Autoren, jeweils gefolgt von einer Kurzbibliographie der Werke und der deutschen Übersetzungen sowie einem Verzeichnis wichtiger Untersuchungen (Monographien und Aufsätze).
Als Konkurrenz ist hier gar nicht einmal in erster Linie an Nachschlagewerke aus den lateinamerikanischen Ländern selbst zu denken, sondern an solche, die in den USA erscheinen, die auf diesem Gebiet führend sind, wie auch bei sonstigen Nachschlagewerken, insbesondere den Bibliographien zur lateinamerikanischen Literatur. Diese Nachschlagewerke sind bis zum jeweiligen Berichtsstand zusammengestellt in: A sourcebook for Hispanic literature and language / by Donald W. Bleznick. - 2. ed. - Metuchen, NJ [u.a.] : Scarecrow Press, 1983 [behandelt auch Spanish-American and Chicano ... literature] sowie in Spanish and Spanish-American literature / Hensley C. Woodbridge. - New York, NY : MLA, 1983; zu beiden vgl. die Rezension in ABUN in ZfBB 31 (1984),3, S. 267 - 268.
Seit dem Berichtsende dieser Führer erschienen weitere Autorenlexika und Bibliographien für einzelne Autorengruppen sowie für die Autoren einzelner lateinamerikanischer Länder. Sie lassen sich leicht in der neuesten Ausgabe des Guide to reference books. - Ed. 10 (1986) und dessen Suppl. 1985/90 (1992) ermitteln. Titel, die 1990 und später erschienen sind, werden in dem Übersichtsbericht in diesem Heft von IFB vorgestellt. In diesem fehlt nur die folgende Bibliographie, die dem Rezensenten bei Drucklegung noch nicht vorlag. Sie berücksichtigt die Literaturen in allen Sprachen des karibischen Raumes, beschränkt sich also nicht auf die spanischsprachige:
Caribbean women novelists : an annotated critical bibliography / comp. by Lizabeth Paravisini-Gerbert and Olga Torres-Seda. - Westport, Conn. ; London : Greenwood Press. - 1993. - 427 S. - (Bibliographies and indexes in world literature ; 36). - ISBN 0-313-28342-7 : $ 69.95 (zurück)
[4]
Nur eine Stichprobe: für El Salvador verzeichnen beide Auflagen zehn Autoren, von denen allerdings drei ausgetauscht wurden. (zurück)
[5]
Index to The Wilson author series. - Revised 1991. - New York : Wilson, 1991. - 108 S. ; 27 cm. - ISBN 0-8242-0731-9 : $ 25.00. - Eine Kurzübersicht über die in der Ausg. 1986 ausgewerteten Bände der Reihe findet sich im Guide to reference books. - 10. ed., Suppl., BD55. (zurück)
[6]
Er übersetzte z. B. T. S. Eliot ins Spanische. Daneben machte er Kafka in den USA bekannt, nachdem er 1926 nur zu dem Zweck nach Prag gereist war, um Max Brod und die anderen mit Kafka verbundenen Autoren persönlich kennenzulernen. (zurück)
[7]
Von den 26 Autoren mit A fehlt bei Reichardt nur eine (Elise Alvarado de Ricord). (zurück)

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