Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Guide bibliographique des études de philosophie


93-3/4-154
Guide bibliographique des études de philosophie / par Jacques Follon. - Louvain-la-Neuve : Editions de L'Institut Supérieur de Philosophie ; Peeters [u.a.], 1993. - X, 220 S. ; 24 cm. - (BibliothŠque philosophique de Louvain ; 37). - ISBN 90-6831-485-8 - ISBN 2-87723-058-9 : FB 980
[1680]

Zielgruppe des vorliegenden Bandes sind Studenten der Philosophie sowie "junge Lehrende" im außeruniversitären Bereich - zwei Kategorien von "Philosophie-Lehrlingen" (S. V) also, die hier mit den nötigen bibliographischen Informationen versorgt werden sollen. Die Arbeit setzt die ausgezeichnete Löwener Tradition[1] fort und schöpft daneben vor allem aus den Führern von DeGeorge,[2] H. J. Koren[3] und Varet[4]. Sieht man auf den deutschsprachigen Raum, so kann man der Fülle dieses bibliographischen Führers nur den Band von Detemple[5] entgegenstellen, der sich allerdings stärker auf Suchtechniken beschränkt und im Material keinesfalls vergleichbar ist, sowie die dem Titel entsprechend etwas breiter angelegte Allgemeine Bücher- und Institutionenkunde von L. Geldsetzer,[6] die aber ebenfalls materialmäßig weit zurücksteht, wiewohl sie gut aufbereitet ist. (Ihre Neubearbeitung wäre ein dringendes Desiderat für "Philosophie-Lehrlinge" in Deutschland!) Wegen des unvergleichbar größeren inhaltlichen Reichtums wird man den Nutzen von Follons Arbeit jedoch nicht auf die genannte Zielgruppe beschränken, sondern künftig das Buch zur Grundausstattung philosophischer Informationsmittel zählen müssen.

Eine gravierende Einschränkung stellt allerdings die Ausrichtung auf franko- und anglophone Studenten dar (S. VI), wobei erstere faktisch nochmals bevorzugt sind. Zwar werden auch anderssprachige Werke genannt[7] und auch deutschsprachige Literatur ist vielfach präsent und schließlich ist die Eingrenzung bei den Grundlagenwerken, Editionen etc. aufgehoben, doch wäre es nicht schwer gewesen, vor allen Dingen durch Überarbeitung der einleitenden Teile diese Sprachschranke noch weiter aufzulockern, um wenigstens die Sprachen des europäischen "philosophischen Binnenmarkts" angemessen zu repräsentieren. Follons Arbeit wäre dann der Standard für diesen Bereich, wie er es jetzt zumindest für den französischen Sprachraum ist. Kritik an Bibliographien, Nennung von Auslassungen und Fehlern ist oft ebenso leicht wie beliebig. Wir fügen deshalb nur einige gravierendere Punkte, die vielleicht in einer Neubearbeitung bedacht werden könnten, der folgenden Übersicht über den Aufbau des Buches ein. Sie betreffen vor allem die Organisation des Materials.

Bei den ersten beiden Kapiteln Einleitung in die Philosophie und Handbücher der Philosophie ist die Sprachbeschränkung am gravierendsten. In den Annexen über Schriften en d'autres langues ist die Auswahl nicht immer überzeugend, während das Französische m.E. um einiges zu populäres und peripheres Schrifttum entlastet werden könnte, das wohl nur für den pädagogischen außeruniversitären Bereich interessant sein kann, über den normalen Buchhandel genügend zugänglich und außerdem auch zu sehr auf den Tag bezogen ist.

Die Typologie der behandelten Gattungen führt zu Gliederungen, die manchmal die Übersicht erschweren. So findet man bei den Einführungen in besondere Richtungen, den Anthologien und den thematischen Handbüchern viele identische Rubriken ohne Querverweise. Da das Buch leider nur ein Personen-, jedoch kein Sachregister enthält, in dem man etwa phénomenologie oder thomisme ermitteln könnte, setzt eine erschöpfende Nutzung des Buches ein sehr genaues Durcharbeiten der Gliederung voraus. Im dritten Kapitel, das Enzyklopädien, Lexika und biographische Werke umfaßt, scheint mir die Trennung von encyclopédie und dictionnaire in der vorgenommenen Weise nicht tragfähig, weil zu sehr an Titelstichwörtern orientiert. Daher finden sich umfassende lexikalische Darstellungen des Fachs (P. Edwards) neben thematisch begrenzten (Encyclopedia of morals / V. Ferm), handbuchartige, nicht-lexikalische Übersichtsdarstellungen (R. Klibansky; G. Floistad) neben Kurzlexika (J. O. Urmson). Bei den Hilfswissenschaften der Philosophie ist das noch gravierender, da hier gelegentlich sehr große, inhaltlich divergente Gebiete zusammengefaßt und auf diese fiktiven Genera verteilt werden; das läßt sich am Beispiel Religion/Theologie S. 41 - 43, 65 - 67 besonders leicht zeigen, etwa bei den verschiedenartigen Nachschlagewerken zur Bibel von völlig unterschiedlichem Ansatz, Forschungsstand und Relevanz.[8] Positiv schlägt aber hier die materiale und sprachliche Breite (s.o. Foclóir...) und auch die formale Ausweitung auf Konkordanzen und Hilfsmittel bei den einzelnen Philosophen zu Buche.

Das 4. Kapitel zur Philosophiegeschichte wäre um einiges Populäre im französischen Bereich zu kürzen. Hier sind auch wieder philosophische Richtungen vertreten, die schon im 1. Kapitel auftauchten; bei anderen fragt man sich dagegen "warum dort und nicht hier?". Problematisch ist der Abschnitt mit monographischen Studien über einzelne Philosophen, der die "klassischsten" Werke zu nennen sucht, die oft einen sehr alten Forschungsstand repräsentieren (X. Léon zu Fichte oder L. Brunschvicg zu Pascal), teils - als zeitgenössisch - das Werk des behandelten Philosophen noch gar nicht vollständig darstellen konnten (V. Jankélévitch zu Bergson), teils nur Einführungen en miniature sind (J. Lacroix zu Blondel). Gerade dieser Abschnitt ist im übrigen wiederum durch die Sprachbeschränkung von nur begrenztem Wert.

Daß im 5. Kapitel über die Editionen philosophischer Texte wiederum eine Serie über einzelne Philosophen nötig ist, zeigt erneut die Problematik der Gliederung. Geldsetzers Ineins von Editionen, Personalbibliographien (bei Follon leider ganz fehlend) und Hilfsmitteln ist da von der Anlage her günstiger. Schon ein Vergleich mit der Liste Geldsetzers von 1971 zeigt übrigens, daß bei den Editionen einzelner Philosophen noch kräftig ergänzt werden könnte: Von Meister Eckhart bis Erasmus, von Maine de Biran bis Rosmini, von Herbart oder Feuerbach bis Wust, Adorno oder Gadamer und Löwith reichen unterschiedlich gewichtige Auslassungen.

Zwei Kapitel über philosophische Zeitschriften und bibliographische Hilfsmittel[9] folgen. Letzteres ist eine grundlegende Einführung in die allgemeine und speziell-philosophische Bibliographie und wäre logisch vielleicht an den Anfang eines guide bibliographique zu stellen. Ein nützlicher Anhang über die Benutzung des Répertoire bibliographique de la philosophie und ein kurzer Annex über die Namen philosophischer Schulen und die Beinamen mittelalterlicher Philosophen schließen das Buch.

Ein letztes Desiderat für eine Neuausgabe wird sich bis dahin von selbst aufdrängen: Die Berücksichtigung der elektronischen Informationsmittel. Schon beim heutigen Stand ist es seltsam, auf Konkordanzen zu verweisen, wenn die Texte relativ leicht elektronisch zugänglich sind (Kant, Augustinus und die weiteren im Corpus Christianorum edierten lateinischen Kirchenväter und mittelalterlichen Theologen etc.) oder gar noch über den schwierigen Umgang mit dem pionierhaften Index Thomisticus zu informieren, dessen CD-ROM-Version vorliegt. Das gilt ebenso für Bibliographien wie Philosopher's index oder das Bulletin signalétique, Nationalbibliographien und Buchhandelsverzeichnisse, deren elektronische Angebotsformen wenigstens genannt werden müßten. In einzelnen Fällen mag hier allerdings die Entwicklung die vielleicht langsame Drucklegung des Buches überholt haben.

Kritische Anmerkungen gewinnen bei einer Darstellung, wie wir sie versucht haben, leicht zu viel Gewicht im Verhältnis zur positiven Leistung des besprochenen Werkes. Diesem Anschein sei ausdrücklich entgegengetreten. Der inhaltliche Reichtum der Arbeit wird durch kritische Bemerkungen zur Organisation des Materials nicht berührt. Die genannten Punkte sollten vielmehr zeigen, daß dieses Buch durchaus für einen größeren Kreis als die "Lehrlinge" der Philosophie und für einen größeren Sprachraum als den angezielten das grundlegende bibliographische Informationswerk werden könnte und in mancher Hinsicht schon ist. Einstweilen wird man sich mit dem so Geleisteten begnügen müssen. Auch dies zeigt Follon schon als einen ¯doctor profundus® der philosophischen Bibliographie, um ein Epitheton aus Annex II zu übernehmen. Die sorgfältige Redaktion des Buches sei eigens erwähnt. Im bibliographischen Apparat philosophischer Abteilungen sollte es jedenfalls nicht fehlen.

Albert Raffelt


[1]
Introduction … la philosophie / L. de Raeymaeker. - 6. éd. - Louvain : Publications Universitaires ; Paris : Béatrice-Nauwelaerts, 1967 sowie die nicht publizierten Löwener Unterrichtsmaterialien von C. Wenin. (zurück)
[2]
A Guide to philosophical bibliography and research / Richard T. De George. - New York, 1971; vgl. von ihm auch das S. 29 genannte Werk The philosopher's guide to sources, research tools, professional life, and related fields / Richard T. De George. - Lawrence : The Regents Press of Kansas, 1980. - Rezension in ABUN in ZfBB 28 (1981),1, S. 62 - 63. (zurück)
[3]
Research in philosophy / Henry J. Koren. - Pittsburg, Pa. : Duquesne University Press, 1966. (zurück)
[4]
Bibliographie générale / Gilbert Varet. // In: Encyclopédie philosophique universelle. - Paris : Presses Universitaires de France. - 1. L'univers philosophique. - 1989, S. 1741 - 1908.
Vergleichbar ist insbesondere noch der bei Follon genannte, auf englischsprachige Literatur eingeschränkte Research guide to philosophy / Terrence N. Tice and Thomas P. Slavens. - Chicago : American Library Association, 1983. - (Sources of information in the humanities ; 3); vgl. die Rezension in ABUN in ZfBB 33 (1986),5, S. 398. Darüber hinaus noch: Philosophy : a guide to reference literature / Hans E. Bynagle. - Littleton, Colo. : Libraries Unlimited, 1986; vgl. die Rezension in ABUN in ZfBB 34 (1987),1, S. 47-48. (zurück)
[5]
Wie finde ich philosophische Literatur / Siegfried Detemple. In Zsarb. mit Frank Heidtmann. - Berlin : Berlin Verlag Spitz, 1986. - (Orientierungshilfen ; 24). (zurück)
[6]
Allgemeine Bücher- und Institutionenkunde für das Philosophiestudium : wissenschaftliche Institutionen, bibliographische Hilfsmittel, Gattungen philosophischer Publikationen / Lutz Geldsetzer. - Freiburg ; München : Alber, 1971. (zurück)
[7] Bis hin zum ein wenig exotischen irischen Lexikon Foclóir Fealsaimh / C. O'Huallachain. - Dublin, 1958 (S. 51). (zurück)
[8]
Daß Wetzer und Weltes Kirchenlexikon oder Encyclopädie der katholischen Theologie als encyclopédie läuft, das dessen Tradition fortsetzende Lexikon für Theologie und Kirche jedoch ein dictionnaire ist und die wahrhaft magistrale, bereits über zwanzigbändige Theologische Realenzyklopädie ganz fehlt, zeigt, daß hier noch manches zu verbessern ist. (zurück)
[9]
Im Abschnitt für die Allgemeinbibliographien finden sich zahlreiche veraltete Angaben wie z.B. Arnim (S. 151), Winchell (S. 152), GAZS (S. 153) statt der maßgeblichen ZDB, Bibliographie de la France (S. 155) oder in diesem Zusammenhang unnötige Titel wie die Berliner Titeldrucke (S. 156). [sh]. (zurück)

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