Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

RAK für Online-Kataloge


93-3/4-151
RAK für Online-Kataloge : Vorschläge für eine Reform / Kommission des Deutschen Bibliotheksinstituts für Erschließung und Katalogmanagement, Expertengruppe Online-Kataloge. [Hrsg. und mit einer Einl. versehen von Margarete Payer. Die Texte wurden im Auftr. der Expertengruppe verfaßt von Hans Popst ...]. - Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1993. - 133 S. ; 21 cm. - (Dbi-Materialien ; 124). - ISBN 3-87068-924-2 : DM 14.00
[1713]

Waren bisher die Verbünde bestrebt, in ihren Datenformaten bzw. den Handbüchern dazu, die RAK-WB als Grundlage zu betrachten und dementsprechend die Kategorien und deren Inhalt festzulegen (so jüngst bei Pica 3), falls nicht gar einzelne Paragraphen ausführlich zitiert wurden (wie beim NRW-Verbund), so ist der vorliegende Entwurf der erste Versuch, den umgekehrten Weg zu gehen, d.h., die Möglichkeiten des Online-Katalogs schon im Regelwerk zu berücksichtigen. Im Grunde genommen wird hier ein Versäumnis aus den frühen achtziger Jahren gutgemacht, denn beim Übergang von den RAK (1977) zu den RAK-WB (1983) stand der Zettelkatalog zu sehr im Vordergrund, als daß man an die vielfältigen Suchmöglichkeiten eines Online-Katalogs gedacht hätte. Nur an versteckter Stelle ( 179, 4, Anm.) wird die "On-line-Verarbeitung" genannt.[1]

Die Nennung der EDV an gerade dieser Stelle (Nebeneintragungsvermerke) weist auf den grundlegenden Unterschied der Suche in einem Zettel- oder Listenkatalog und in einem Online-Katalog hin. Da sich im Online-Katalog die Suchmöglichkeiten aus den recherchierbaren Kategorien ergeben und da weiterhin nicht die vollständige Namensansetzung (z.B. bei Körperschaften) und auch nicht der komplette Sachtitel bekannt sein müssen, erübrigt es sich, von Haupt- und Nebeneintragungen (HE, NE) zu sprechen. Hinzu kommt, daß auch alle Verfasserschriften unter dem Sachtitel resp. Stichworten daraus auffindbar sind.[2] Wenn die DBI-Kommission für Erschließung und Katalogmanagement eine Expertengruppe beauftragt hat, die RAK-WB daraufhin durchzusehen, ob die Regeln den Anforderungen des Online-Retrievals gerecht werden, so soll theoretisch nachgeholt werden, was in der Praxis längst üblich ist. Entsprechend der Entwicklung hin zu Online-Publikumskatalogen kamen Überlegungen zu einer Angleichung der Ansetzungsregeln für Personen- und Körperschaftsnamen in RAK-WB und RSWK hinzu; eine Forderung übrigens, die bald nach Vorliegen des ersten RSWK-Entwurfs erhoben worden ist.

Dieser Aufgabenstellung entsprechend, bzw. ihr nicht entsprechend, hat sich die Expertengruppe unter Vorsitz von Margarete Payer in drei Sitzungen auf die genannten Fragen konzentriert und einen Entwurf für die  1 - 34 (Grundbegriffe), 101 - 192 (Allgemeine Bestimmungen), 502, 601 - 685 (Haupt- und Nebeneintragungen) und 701 - 706 (hier: Sucheinstiege für Online-Kataloge überschrieben) vorgelegt. Die beiden zuletzt genannten Paragraphengruppen liegen in drei Versionen vor, im Anhang (S. 105 - 133) sind Auszüge aus den Protokollen der Arbeitssitzungen abgedruckt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, daß im Online-Katalog eine Titelaufnahme (soll dieser Begriff überhaupt beibehalten werden? Wäre nicht Datensatz sinnvoller?) nur einmal gespeichert ist, und daß beliebig viele Sucheinstiege möglich sind, je nach der Zahl der Kategorien, die retrievelfähig gemacht werden. Leider ist die Expertengruppe über diese an sich klare Aufgabenstellung hinausgegangen und wollte, "jede Regel hinterfragen, ob sie in einem Online-Katalog noch notwendig ist und ob nicht auch der herkömmliche Katalog auf die entsprechende Regel verzichten kann" (S. 11). Das hat mit einer Durchsicht der RAK-WB für die Erfordernisse von Online-Katalogen nicht mehr viel zu tun und soll es wohl auch nicht, denn die Aufgabe der Expertengruppe, die sie sich offensichtlich gesetzt hat, ist es, ein Regelwerk zu schaffen, das auch für die bisherigen Listen- und Kartenkataloge anwendbar ist. Dies war aber bislang die Aufgabe der DBI-Kommission für Alphabetische Katalogisierung (seit 1990: Expertengruppe RAK der DBI-Kommission für Erschließung und Katalogmanagement). Arbeiten jetzt zwei Expertengruppen neben-, gegen- oder miteinander? Verwundert liest man, daß die Expertengruppe Online-Katalog "kein Online-Regelwerk neben RAK-WB bzw. RAK-ÖB anstrebte, sondern eine Überarbeitung ... im Hinblick auf Online-Erfordernisse empfiehlt" (S. 8). Man weiß nicht recht, wie man dies mit dem Titel der Publikation und dem Namen der Expertengruppe in Einklang bringen soll. Irritierend (oder schon nicht mehr) ist auch die (gewollte?) sprachliche Ungenauigkeit: die Gruppe empfiehlt nicht die Überarbeitung, sie legt sie ja vor!

Am umfangreichsten sind naturgemäß die Vorschläge für die  601 ff. und 701 ff. Der diffusen Aufgabenstellung entsprechend Haupt- und Nebeneintragungen unter Titeln, Personen und Körperschaftsnamen ; Sucheinstiege überschrieben. Dabei muß man wissen, daß unter Titel jetzt der Sachtitel verstanden wird. Wenn im Online-Retrieval ein Personenname und Stichwörter aus dem Sachtitel verknüpft werden können, dann ist es unerheblich, ob die Person der alleinige oder einer von mehreren Verfassern ist, oder ob es sich um einen Herausgeber, Übersetzer o.ä. handelt. In einem Regelwerk, das dieser Möglichkeit Rechnung trägt, kann es folglich die Begriffe HE und NE nicht mehr geben. Die bisher üblichen Funktionsbezeichnungen bei den sonstigen beteiligten Personen haben dann lediglich Informationswert. Der Vorschlag 2 (S. 77 - 97) für diese Paragraphengruppe ist hier am konsequentesten. Demgemäß werden in den 600er-Paragraphen die Titel festgelegt, unter denen gesucht werden kann, desgleichen die Personen. Eine Beschränkung auf zwei Verfasser und eine sonstige beteiligte Person ist bei einem Online-Katalog allerdings ein wenig lächerlich (S. 84, 86). Da jedoch wegen der Listen- und Kartenkataloge an den genannten Begriffen festgehalten wird, werden in Vorschlag 1 und 2 die HE stets unter dem Sachtitel (neue Terminologie: unter dem Titel) gemacht, Vorschlag 3 hält noch an einer HE unter dem (einzigen) Verfasser fest. Der Nachteil dieses Sucheinstiegs ist die hohe Trefferquote bei Sammlungen mit generellen oder gemischt-generellen Sachtiteln; hier soll der Sachtitel durch den Namen des Verfassers in Ansetzungsform ergänzt werden.[3] Wo ist bei einer Online-Recherche der Unterschied zu einer Verknüpfung von Sachtitel und Verfassernamen? Dererlei Ungereimtheiten resultieren ausschließlich aus dem hoffnungslosen Bemühen, die RAK-WB zu verbessern und den Online-Katalog dabei nicht aus dem Auge zu verlieren; nach dem Motto: RAK-Online ja, aber nicht zu viel.

Auch die einleitenden Ausführungen zeigen, daß sich die Expertengruppe selbst um den Erfolg ihrer Bemühungen gebracht hat. Einerseits wird die Unterscheidung von HE und NE für unnötig gehalten (S. 12 - 13), weil es aber noch Kartenkataloge gäbe, soll die HE unter dem Sachtitel gemacht werden und eine NE unter dem Verfasser. Schlagendes Argument ist dann ein Zitat aus einer amerikanischen Veröffentlichung, nach der 20 - 40 % der Katalogisierungszeit eingespart werde, unterscheide man nicht mehr zwischen HE und NE. Der Text begeht hier eine kleine Unredlichkeit, denn der in der Fußnote zitierte Aufsatz behandelt den Verzicht auf die HE (nonmain-entry) "and the automated catalog".

Aus dem entweder nicht präzise genug formulierten Arbeitsauftrag oder der unter der Hand erweiterten Aufgabenstellung resultiert auch die Revision der Grundbegriffe, dabei hält sich die Expertengruppe nicht mit Begriffen wie HE und NE auf, sondern zieht die Definitionen in  631, 649 - 651, 664 - 666, 679 - 681 nach vorn und fügt sie als  19 a - k ein. Das hat mit RAK-Online nun überhaupt nichts mehr zu tun, oder bahnt sich hier eine der nächsten RAK-WB-Änderungen an?

Richtig gesehen, aber wegen der unklaren Aufgabenstellung ganz an den Rand gerückt, ist die Angleichung bei der Ansetzung der Personen- und Körperschaftsnamen bei RAK-WB und RSWK. Dieses Ziel scheint aber erst wieder einmal in weite Ferne gerückt, schreibt doch die 2. Auflage der RAK-WB die bisher bekannten Regeln fort.

Der DBI-Kommission ist zu raten, den Arbeitsauftrag der Expertengruppe präziser zu formulieren oder sie anzuhalten, sich ausschließlich mit Fragen des Online-Katalogs zu befassen. Es kann nicht angehen, daß jede neue Expertengruppe anfängt, die RAK-WB nach Gutdünken zu revidieren. Eine bessere Koordination der verschiedenen Expertengruppen sollte doch möglich sein, wozu führt die Kommission schließlich den Begriff Management im Namen?

Rudolf Jung


[1]
Dieser nicht mehr ganz zeitgemäße Terminus findet sich auch in der 2. Auflage der RAK-WB, Berlin, 1993, S. 80, die in IFB 1 (1993),4 besprochen werden soll. (zurück)
[2]
Der zaghafte Ansatz dazu 1977 ( 695,2; 703) ist 1983 ersatzlos gestrichen worden. (zurück)
[3] Sollten dem Leser dieser Vorschlag und einige andere bekannt vorkommen, sie waren in dem Vortrag von Hans Popst beim Bibliothekartag 1991 enthalten: Überlegungen zu einer Reform der "Regeln für die Alphabetische Katalogisierung" / Hans Popst // In: Bibliotheksdienst. - 25 (1991),9, S. 1387 - 1396. (zurück)

Zurück an den Bildanfang