Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 1/2
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Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland


93-1/2-036
Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland / hrsg. von Bernhard Fabian. Redaktion: Karen Kloth. - Hildesheim [u.a.] : Olms-Weidmann. - 30 cm
[1421]
Bd. 3. Nordrhein-Westfalen : A - I / hrsg. von Severin Corsten. Bearb. von Reinhard Feldmann. - 1992. - 367 S. - ISBN 3-487-09577-7 : DM 148.00, DM 118.00 (Subskr.-Pr.)
Bd. 5. Hessen : A - L / hrsg. von Berndt Dugall. Bearb. von Sabine Wefers und Eve Picard. - 1992. - 363 S. - ISBN 3-478-09579-3 : DM 148.00, DM 118.00 (Subskr.-Pr.)

An das Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, für das man wohl das Akronym HHBD verwenden sollte, obwohl es bisher in der bibliothekarischen Umgangssprache nach seinem Initiator, Promotor und Korrektor als "Fabian-Handbuch" zitiert wurde, und von dem Anfang Juli 1992 der erste Teilband erschien, knüpfen sich hohe Erwartungen. Die bibliothekarische Öffentlichkeit war nicht nur durch begleitende Publikationen,[1] die durchaus auch kontrovers Stellung bezogen,[2] über den Fortgang des von der Stiftung Volkswagenwerk mit bisher 8,5 Millionen DM[3] geförderten Unternehmens informiert worden, sondern wurde auch Zeuge davon, welch erhebliche zusätzliche Belastung auf große Bibliotheken mit bedeutenden Altbeständen durch die Erstellung der Eintragungen für das HHBD zukam. Daß sich dieser Aufwand, zu dem noch der bei der Zentralredaktion in Münster und bei den fünf Regionalredaktionen in den alten Bundesländern hinzukommt, insgesamt gelohnt hat, kann man bereits nach Vorliegen des dieser Besprechung zugrunde liegenden ersten Teilbandes für Hessen konstatieren, auch wenn sich kritische Bemerkungen nicht unterdrücken lassen.

Zunächst jedoch eine Beschreibung des Planes für das Gesamtwerk sowie der Anlage und des Aufbaus der Artikel. Ursprünglich auf die alten Bundesländer beschränkt, wird das Unternehmen seit der Wiedervereinigung auf die neuen Bundesländer ausgedehnt: für erstere sind die Bände 1 - 10, für letztere die Bände 12 - 14 vorgesehen, während Band 11 jetzt Gesamt-Berlin behandeln soll; dazu kommt ein Gesamtregister in den Bänden 15 - 16. Die Planungen gehen allerdings inzwischen über das vereinigte Deutschland hinaus: in Vorbereitung ist nämlich ein von der Österreichischen Nationalbibliothek betreutes Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich sowie ein Handbuch deutscher historischer Buchbestände in europäischen Bibliotheken des nicht-deutschsprachigen Bereichs, für das die Zentralredaktion in Münster ebenso zuständig ist wie für das geplante Generalregister zu allen drei Handbüchern.

Jeder Regionalteil enthält: 1. Vorwort und Benutzungsanleitung zum Gesamtwerk. 2. Vorwort zum Regionalteil, d. h. ggf. mehrere Vorwörter, wenn mehr als ein Bundesland behandelt wird, im vorliegenden Fall also Hessen getrennt von Rheinland-Pfalz. 3. Historischer Überblick über die Bibliothekslandschaft(en). 4. Bibliotheken im Ortsalphabet, wiederum getrennt nach Ländern. 5. Gemeinsames Regionalregister. Von Nordrhein-Westfalen (Bd. 3 - 4) und Bayern (Bd. 9 - 10) abgesehen, betreuen die Regionalredaktionen jeweils mehr als ein Bundesland. Der erste Teilband für die hessischen Orte von A - L enthält Beschreibungen von 73 Bibliotheken, angefangen von Kleinstbibliotheken wie z. B. der Bibliothek des Dreieich-Museums in Dreieichenhain mit 151 einschlägigen Titeln (von der man noch nie etwas gehört hat und wohl auch künftig nichts mehr hören wird, obwohl sie ihre Titel immerhin in einer Computerdatei gespeichert hat) oder der Bibliotheca Schottensis im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Darmstadt mit einem potentiell wertvollen Altbestand, der jedoch nicht benutzbar ist, "da die Bücher in Kisten verpackt sind" (S. 104) bis hin zur umfangreichsten Eintragung für die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt einschließlich dreier Universitätsinstitute mit 58 Seiten (zusammen mit der Senckenbergischen Bibliothek sind es sogar 72 Seiten), gefolgt von der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt mit 42 Seiten.

Unabhängig von der Größe der Bibliothek sind alle Artikel einheitlich gegliedert, beginnend mit den Elementardaten: Adreßinformationen, Sigel, Unterhaltsträger, Funktion ("Schloßbibliothek"), Sammelgebiete ("Der Altbestand wird nicht vermehrt"), Benutzungsmöglichkeiten, Technische Einrichtungen für Benutzer, Hinweise für anreisende Benutzer ("Parkmöglichkeiten kaum vorhanden"). Darauf folgen die eigentlichen bestandsbezogenen Angaben in fünf Abschnitten,[4] hier verkürzt zitiert nach der Einleitung (S. 12 - 15) unter Verwendung von deren Terminologie: 1. Bestandsgeschichte in zusammenhängender Darstellung (Ursprünge, inkorporierte Bibliotheken, Kontinuität und Diskontinuität im Bestandsaufbau). 2. Die Bestandsbeschreibung "charakterisiert den Bestand in seiner chronologischen Schichtung, in seiner sprachlichen Aufgliederung und in seinem systematischen Aufbau"; die Zahlen (Bände und/oder Titel) beruhen auf Auszählung oder Hochrechnung, was jeweils angegeben ist; die chronologische Schichtung beginnt mit der Inkunabelzeit und schreitet weiter nach Jahrhunderten; der Anteil der fremdsprachigen Titel wird in absoluten Zahlen oder in Prozentzahlen angegeben; der systematischen Übersicht liegt die bibliothekseigene Systematik nach Sachgruppen zugrunde; "Bestandsgruppen sind häufig allgemein, fast ebenso häufig auch unter Nennung kennzeichnender Autoren oder Einzelwerke beschrieben worden", wobei ersteres Verfahren verständlicherweise von den großen Bibliotheken angewendet wird, letzteres vorzugsweise von kleinen Bibliotheken, deren Bestandsbeschreibungen nicht zuletzt deswegen überproportional umfangreich ausfallen, ohne daß dem Benutzer mit der Nennung von Autoren und Einzelwerken allzuviel gedient wäre, weshalb diese zu Recht auch nicht ins Register aufgenommen werden sollen und man sie also auch in der Regel gleich hätte weglassen sollen; es folgen Sondersammlungen, "die wegen ihres speziellen Charakters, ihrer formalen Eigenart, ihrer Provenienz oder aus anderen Gründen ... vom Hauptbestand separiert sind". 3. Aufführung der Kataloge und zwar der heute noch benutzten Allgemeinkataloge, sodann der modernen Sonderkataloge und schließlich der historischen Kataloge, die nur noch "für die Kenntnis und Auswertung eines Bestandes wertvoll" sind. Die beiden folgenden Abschnitte sind bibliographischer Natur:[5] 4. Quellen (auch archivalische) und Darstellungen zur Geschichte der Bibliothek. 5. Veröffentlichungen (darunter Ausstellungskataloge), "die über die Bestände ... zusätzlich zu Katalogen Auskunft geben". Alle Beiträge, bei großen Bibliotheken auch die Teilbeiträge, sind namentlich gezeichnet, obwohl sie in der Zentralredaktion überarbeitet und vereinheitlicht wurden, wofür der Benutzer in der Regel wohl dankbar sein kann, auch wenn dieses Verfahren offensichtlich zu Verzögerungen und im Einzelfall auch zu Auseinandersetzungen mit den Urhebern geführt haben mag.[6]

Dem Vorwort (S. 9 - 11) sind Gegenstand und Ziele des HHBD - hier resümiert - zu entnehmen: Gegenstand ist das "vom Beginn des Buchdrucks bis zum Ausgang des neunzehnten Jahrhunderts erschienene Schrifttum in deutschen Bibliotheken" unter Berücksichtigung des gesamten Spektrums des Gedruckten vom Buch bis zum Gelegenheitsdruck, also unter Ausschluß der Handschriften. Gegenstand des HHBD ist nicht das einzelne Buch, sondern die Bestandsgruppen, die sich in den Bibliotheken gebildet haben und somit kann das HHBD natürlich kein Ersatz für Bibliotheks- oder Zentralkataloge sein. Ziele sind: 1. Summarische und dabei doch detaillierte Bestandsaufnahme der in deutschen Bibliotheken nach dem Zweiten Weltkrieg noch vorhandenen oder seither neu erworbenen historischen Bestände als Grundlage für künftige Bibliotheksplanung insbesondere im Hinblick auf die retrospektive Katalogisierung und die Konservierung der Altbestände. Dieses Ziel wird sicherlich erfüllt. 2. Vademecum für bibliothekarische und wissenschaftliche Arbeit mit historischen Beständen mit dem Ziel, den Benutzer zum Buch zu bringen und nicht umgekehrt; da letzteres auch heute schon angesichts der zunehmenden Zurückhaltung der Bibliotheken, Altbestände den Gefährnissen des Leihverkehrs auszusetzen, in zunehmendem Maße praktiziert werden muß, spricht vieles für detaillierte Bestandsbeschreibungen, eröffnen diese doch dem Benutzer die Möglichkeit, außer dem einzelnen, ihm auf dem Wege der Fernleihe verwehrten Titel auch gleich den ihm evtl. gar nicht bekannten umgebenden Sachkomplex anläßlich eines Besuches mit zu bearbeiten. Dabei ist eine Lösung der Probleme, die ein zunehmender bibliothekarischer Reiseverkehr mit sich bringen müßte, wohl überhaupt noch nicht bedacht worden; davon wären auch nicht nur die hier zahlreich vertretenen kleinen Bibliotheken ("Schriftliche Anmeldung und Genehmigung erforderlich") überfordert, auch die großen Bibliotheken wären vor kaum überwindbare Probleme gestellt, es sei denn, die anreisenden Benutzer gäben sich mit den häufig genug unzumutbaren Benutzungsmöglichkeiten am Ort zufrieden. Die kleineren Bibliotheken werden freilich kaum Ziel derartiger Reisen sein, da sie in der Regel nicht einmal die elementare Infrastruktur für die Benutzung zur Verfügung stellen können. Hier wäre ein Nachweis aller Titel und damit auch der unikalen in einem Verbundkatalog die einzig sinnvolle Vorgehensweise. Der Rezensent glaubt allerdings nicht daran, daß auf Grund des HHBD die Zahl der Bibliotheksreisen stark ansteigen wird, da das Interesse doch weithin Einzeltiteln gilt, die man sich, wenn der Leihverkehr schon ausscheidet, möglichst als Mikrofiche an seinen Arbeitsplatz holt, weshalb dem gezielten Titelnachweis durch Beschleunigung der retrospektiven Katalogisierung in Verbindung mit einer wesentlich breiter anzulegenden Überführung alter Bestände auf Mikrofiche die allererste Priorität zukäme. Da zumindest die retrospektive Katalogisierung großer Bibliotheksbestände auf gutem Weg ist, wird das zweite Ziel des HHBD mittelfristig erheblich an Bedeutung verlieren. 3. Das dritte Ziel, Arbeitsinstrument für die historische Bibliotheksforschung zu sein, das "nicht nur bereits formulierte Fragen beantwortete, sondern auch neue aufwerfen würde" ist dagegen sicherlich gleichfalls erreicht und stellt den vermutlich größten Aktivposten des HHBD dar.

Noch nicht beurteilen läßt sich die Qualität der Register, da das Regionalregister für die Region Hessen/Rheinland-Pfalz erst im zweiten Teilband enthalten sein wird.[7] Die Qualität der Register wird jedoch ganz wesentlich über den Nutzen des HHBD entscheiden. Von den wenigen Hinweisen in der Einleitung wurde der erste - den Ausschluß einzelner Autorennamen und Titel betreffend - bereits zustimmend referiert; bedenklicher scheint dagegen die Absicht, Bestände unterhalb einer bestimmten Größenordnung und Bedeutung gleichfalls nicht in das Register aufzunehmen; hier würde der Rezensent für eine Aufnahme plädieren und zwar unter typographischer Markierung der Größenordnung. Zu hoffen ist auch, daß das Register nicht bloß auf die Seite verweist, sondern zusätzlich die Abschnittsnumerierung angibt, da man sonst bei dem Informationsreichtum, der sich auf jeder Seite ausbreitet, unnötig lange suchen müßte, bis man die exakte Stelle gefunden hat. Das größte Problem bei der Registerbearbeitung stellt jedoch sicherlich die Bildung einheitlicher Schlagwörter für den in den Einzelbeiträgen anzutreffenden nicht normierten Sprachgebrauch dar, doch besteht hierbei die Hoffnung, daß die Lösung dieses Problems gelingt, da die Register gleichfalls zentral in Münster und nicht bei den Regionalredaktionen erstellt werden.

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[1]
Das Handbuch der historischen Buchbestände in der Bundesrepublik und in West-Berlin / Bernhard Fabian. // In: ZfBB 32 (1985),5, S. 379 - 388. - Handbuch der historischen Buchbestände in der Bundesrepublik und in Berlin (West) : ein Zwischenbericht / hrsg. von Bernhard Fabian. - Münster, 1978. - 49 S. - Zu letzterem erschien eine wortreiche Rezension: Die Ökonomie des Geistes / Martin Schenkel. // In: Bibliothek : Forschung und Praxis. - 13 (1989),2, S. 233 - 238. - Ein Reiseführer für die Forschung : zur Arbeit der Regionalredaktion Hessen/Rheinland-Pfalz des Handbuchs der historischen Buchbestände / Sabine Wefers. // In: ABI-Technik. - 11 (1991),1, S. 39 - 46. (zurück)
[2]
Kritische Anmerkungen zum Projekt "Handbuch der historischen Buchbeständein der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin" / Wolfgang Schibel. // In: ZfBB 33 (1986),4, S. 216 - 227, auf die man eigentlich eine Entgegnung an derselben Stelle hätte erwarten können. (zurück)
[3]
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. - 159 (1992),54, S. 19. - Ebd. 159 (1992),58, S. 20 - 21 wurde auch bereits der erste Band von einem Mitarbeiter der größten in ebendiesem Teilband behandelten Bibliothek vorgestellt. (zurück)
[4]
Diesen geht bei großen Bibliotheken ein gesondertes Inhaltsverzeichnis voraus, das die Übersichtlichkeit ganz wesentlich verbessert. Die typographische Unstimmigkeit, die darin besteht, daß bei einer über eine Zeile hinausgehenden Eintragung die erste Zeile anstelle der Folgezeile um einen Anschlag eingerückt ist, wurde bei den folgenden Bänden beseitigt. (zurück)
[5]
Hierbei wären von den Regionalredaktionen volle bibliographische Angaben einschließlich Umfang und Zugehörigkeit zu einer Schriftenreihe dringend anzumahnen. (zurück)
[6]
Ihrem offensichtlichen Grollen darüber macht Frau Wefers, die in der Frankfurter Regionalredaktion für das HHBD zuständig ist, in ihrem oben zitierten Beitrag auf S. 42 Luft. (zurück)
[7]
Dieser gelangte Anfang April in die Bibliotheken, konnte aber für diese bereits im Druck befindliche Rezension nicht mehr berücksichtigt werden; die Besprechung wird demnächst nachgeholt. Hier zumindest die bibliographischen Angaben:
Bd. 6. Hessen : M - Z. Rheinland-Pfalz : A - Z / hrsg. von Berndt Dugall. Bearb. von Sabine Wefers und Eve Picard. Register / von Karen Kloth. - 1993. - 396 S. - ISBN 3-478-09580-7 : DM 148.00, DM 118.00 (Subskr.-Pr.) (zurück)

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