Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2

98-1/2-169

Das neue Historische Lexikon der Schweiz (HLS)

von

Marco Jorio[1]

1. Zur Vorgeschichte des HLS

Die Schweiz hat eine lange lexikographische Tradition. Bereits 1677 hat der Basler Professor Johann Jakob Hofmann das erste bekannte schweizerische Lexikon herausgebracht: Lexicon universale historicogeo-graphico-chronologico-poetico-philologicum, worin auch die Schweiz behandelt wurde. Rein schweizerisch war dann das 1721 erschienene Werk des Berner Staatsrechtsprofessors Johann Rudolf von Waldkirch (1678 - 1757) Gründliche Einleitung zu der Eydgenössischen Bunds- und Staats-Historie.

Der erste grosse historiographische Wurf gelang eine Generation später dem Zürcher Ratsherrn Hans Jakob Leu (1689 - 1768), der von 1747 bis 1765 ein 20 Bände umfassendes Lexikon zur damaligen Eidgenossenschaft und zur Geschichte herausgab. Mitarbeiter aus der ganzen Schweiz lieferten dem Herausgeber Informationen über die wichtigsten geographischen Begriffe und über die wichtigsten Familien und historischen Persönlichkeiten. Der Zürcher Apotheker Hans Jakob Holzhalb (1720 - 1807) liess dem Leu von 1786 bis 1795 sechs Supplementbände folgen. Das imposante Opus der beiden Zürcher Gelehrten fasste die historischen Kenntnisse, welche sich in der Eidgenossenschaft vom "Vater der schweizerischen Geschichtsschreibung", Aegidius Tschudi (1505 - 1572), bis zum Ende des Ancien Régime angesammelt hatte, lexikographisch zusammen. Während über hundert Jahren war der Leu das Standardwerk zur Schweizergeschichte.

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wagte sich wieder ein Verleger an ein nationales lexikographisches Grossprojekt heran. Nach der erfolgreichen Publikation des Geographischen Lexikons der Schweiz (l902 - 1910) auf Deutsch und Französisch, begann der französischsprachige Neuenburger Verleger Victor Attinger (1856 - 1927) noch vor dem Ersten Weltkrieg mit den Vorbereitungen zu einem historischen Lexikon der Schweiz. Krieg und wirtschaftliche Probleme verhinderten aber vorerst die Realisierung. Von 1921 bis 1934 erschien schliesslich das Historisch-biographische Lexikon der Schweiz (HBLS), Dictionnaire historique et biographique de la Suisse (DHBS), in sieben Bänden. Und wie schon beim erfolgreichen Geographischen Lexikon der Schweiz liess Attinger alle Artikel von Deutsch auf Französisch übersetzen und umgekehrt. Zum ersten Mal erschien damit ein historisches Lexikon gleichzeitig in den beiden wichtigsten Landessprachen. Die beiden kleineren Sprachgruppen dagegen, die italienische und die rätoromanische, mussten sich noch bis zum Ende des Jahrhunderts gedulden.

Der Verleger Victor Attinger versicherte sich der Mitarbeit der besten Historiker seiner Zeit. So zeichneten als Mitherausgeber der Bundesarchivar Heinrich Türler (1861 - 1933) und der Direktor der schweizerischen Landesbibliothek Marcel Godet (1877 - 1949). Wie schon Johann Jakob Leu im 18. Jahrhundert, bauten die Verleger ihr Projekt entsprechend der föderalistischen Struktur der Eidgenossenschaft auf Mitarbeitern in den 25 Kantonen auf. Das HBLS zeichnete sich durch die Reichhaltigkeit des Materials, das hohe Niveau eines grossen Teils der Artikel, die Handlichkeit und die einfache Sprache aus. Es wies aber auch einige Mängel auf. Die Auswahl der Sachartikel war oft zufällig. Die ursprüngliche Konzeption konnte aus kommerziellen Gründen nicht durchgehalten werden. Bereits nach dem ersten Band musste es geändert und die Stichwortliste sowie der Umfang der Artikel reduziert werden: Hätten die Herausgeber das HBLS so zu Ende geführt, wie sie begonnen hatten, wären anstatt der 7 Bände (und des Supplementbandes) rund 13 Bände erschienen. Da keine starke Zentralredaktion vorhanden war, hing die Qualität der Artikel fast ausschliesslich von den Autoren ab, und so finden sich im HBLS neben ausgezeichneten Artikeln auch zahlreiche schwache Beiträge. Zudem sind die einzelnen Bereiche sehr ungleich gewichtet und die Stichwortliste nicht immer kohärent.

Trotzdem: Das HBLS war eine gewaltige Leistung der schweizerischen Historikerschaft der Zwischenkriegszeit. War der Leu so etwas wie die Synthese der historischen Erkenntnisse des ausgehenden 18. Jahrhunderts, so kann das HBLS als (verspätete) lexikographische Synthese des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. Obwohl kommerziell kein Erfolg, fand es eine grosse Verbreitung und ist noch heute das Standardlexikon zur Schweizer Geschichte. Das Erscheinen des HBLS fiel in eine politisch bewegte Zeit. Die Schweiz hatte eben den Ersten Weltkrieg unbeschadet überstanden. Im Innern aber war das Land zerrissen: Die Klassengegensätze prallten unversöhnlich aufeinander; der Landesstreik vom November 1918 hatte die Schweiz an den Rand eines Bürgerkriegs geführt. Das HBLS war offensichtlich darauf angelegt, die inneren Widersprüche zu überwinden und den "Geschichten" aller Regionen und Volksgruppen gerecht zu werden: den im 19. Jahrhundert von den Liberalen bedrängten Katholiken, der Arbeiterschaft, der französischsprachigen Schweiz. Selbst die aufstrebende Frauenbewegung fand sich bereits mit einigen Biographien und Sachartikeln vertreten. Der Wille zum nationalen Konsens war unübersehbar. Damit nahm das HBLS die "Geistige Landesverteidigung" der Dreissiger- und Vierzigerjahre voraus, als es darum ging, die Reihen innerhalb des Landes zu schliessen und der Bedrohung durch das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien eine eigene demokratisch-schweizerische Identität entgegenzusetzen.

Neben dem Leu und dem HBLS, den beiden grossen nationalen Lexika zur Schweizer Geschichte, erschienen in der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert eine Reihe von anderen Lexika. Dabei können zwei Hauptgruppen ausgemacht werden: kantonale, also auf einen geographischen Raum beschränkte, und Speziallexika. Bei den kantonalen Nachschlagewerken überwogen biographische Lexika: Eine Reihe von Kantonen haben ihren grossen Männern (und manchmal auch ihren Frauen) Lexika gewidmet, so etwa Bern (1884 - 1906), Aargau (1958), Graubünden (1970). In der französischsprachigen Schweiz sind im 19. Jahrhundert bis heute unentbehrliche Werke zu den Gemeinden und Siedlungen entstanden (Waadt, Freiburg, Jura). Bei den Speziallexika herrscht eine grosse Vielfalt, wobei es sich fast ausschliesslich um biographische Lexika handelt. So finden sich Nachschlagewerke zu den schweizerischen Künstlern (1981), den Frauen, den Pädagogen, den Musikern (Tänzern), den Bundesräten (1991), den Militärs und anderen mehr. Das grösste zurzeit noch laufende Lexikonunternehmen (neben dem HLS) ist die Helvetia sacra, die seit 1972 die Geschichte der katholischen Kirche in der Schweiz (Bistümer, Klöster, Kongregationen, Orden) biographisch und institutionell aufarbeitet. Bis heute sind 20 Bände erschienen.

2. Auf dem Weg zum Historischen Lexikon der Schweiz

Nachdem die Schweiz den Zweiten Weltkrieg fast unversehrt überstanden hatte, erlebte sie seit 1945 eine rasante Modernisierung. Die Wirtschaft blühte, der Bundesstaat und die Kantone verfügten über rasch wachsende Einnahmen, die Universitäten wurden zügig ausgebaut, der Forschung standen immer mehr Mittel zur Verfügung. 1958 regte Bundesrat Philipp Etter (1891 - 1977) als Wissenschafts- und Kulturminister eine Aktualisierung oder Neuherausgabe des HBLS an. Seither verstummte der Ruf nach einem neuen historischen Lexikon nicht mehr. Regierungsmitglieder, Forschungspolitiker und Historiker wiederholten periodisch die Notwendigkeit, die Resultate der ebenfalls blühenden Geschichtswissenschaft der Fachwelt und der Öffentlichkeit in lexikographischer Form zugänglich zu machen. Während Jahrzehnten wurde diskutiert, aber nichts realisiert. Man konnte sich nicht von der Vorstellung lösen, dass - wie beim alten HBLS - ein privater Verlag das Unternehmen an die Hand nehmen sollte. Aber es fand sich kein Verlag, der das grosse unternehmerische Risiko im kleinen Schweizer Markt übernehmen wollte und konnte. 1981 fanden sich schliesslich zwei Zürcher Verleger, die im Hinblick auf die 700-Jahrfeier der Eidgenossenschaft im Jahre 1991 eine Neuherausgabe des HBLS in Angriff nehmen wollten. Als sie aber vorschlugen, dass die Hauptlast des grossen Unternehmens auf den Schultern der kantonalen und kommunalen Archive liegen sollte, lehnten die Archivare das Projekt ab. Damit wurde klar, dass ein künftiges Lexikon nicht mehr als privates Unternehmen realisiert werden konnte; die Unterstützung der öffentlichen Hand war unabdingbar.

1982 beschloss die Schweizerische Akademie der Sozial- und Geisteswissenschaften (SAGW), eine Projektstudie ausarbeiten zu lassen, die von 1985 bis 1987 von einer kleinen Projektgruppe durchgeführt wurde. 1987 legte die Akademie den Bundesbehörden ein Projekt für ein neues Historisches Lexikon der Schweiz vor, nachdem die Abklärungen die Notwendigkeit eines neuen Nachschlagewerkes bewiesen hatten. Bereits im selben Jahr beschlossen Regierung und Parlament, die Finanzierung des Projekts bis zur Druckreife vollständig zu übernehmen. Am 1. Januar 1988 begannen die Arbeiten.

Das HLS-Projekt überwand die politischen und finanziellen Hürden in kürzester Zeit - für schweizerische Verhältnisse sogar sensationell schnell. Der Grund für die Eile lag einerseits in der günstigen Finanzlage des Bundes in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre, andererseits aber auch im nahenden Jubiläum der 700-Jahrfeier von 1991. Anfangs 1987 hatten die Stimmberechtigten der Innerschweizer Kantone ein gigantisches Projekt für eine Landesausstellung 1991 aus finanziellen und ökologischen Gründen abgelehnt. Die Organisatoren der Jubiläumsfeiern standen mit leeren Händen da. Mit dem HLS lag nun ein Projekt vor, das sich bestens in das historische Jubiläumsjahr eingliederte und erst noch gleichzeitig das ganze Land umfasste. In der parlamentarischen Debatte und in der Öffentlichkeit wurde denn auch vor allem dieser staatspolitische Aspekt hervorgehoben. Das gesamtschweizerische historische Nachschlagewerk sollte vier Funktionen erfüllen:

3. Das Konzept

Geplant ist die Publikation von zwölf Bänden zu je 720 Seiten. Das Lexikon - und das ist wohl das Einzigartige an diesem Projekt - erscheint vollständig auf Deutsch, Französisch und Italienisch. Damit erhält die italienischsprachige Schweiz zum erstenmal in ihrer Geschichte ein Nachschlagewerk in ihrer Sprache.

Damit die kleinste sprachliche Minderheit - die Rätoromanen - nicht ganz leer ausgeht, wird eine einbändige Ausgabe unter dem Namen Lexicon istoric da la Rumantschia (LIR) erscheinen. Sie wird die Artikel des HLS, welche den rätoromanischen Kulturraum (im wesentlichen den Kanton Graubünden) betreffen, beinhalten. Dazu ist rund ein Drittel neuer, eigens für das LIR verfasster Artikel vorgesehen. Bis vor wenigen Jahren besass das Rätoromanische keine gemeinsame Hochsprache. Das von Linguisten entwickelte Rumantsch grischun sollte die sprachliche Zersplitterung in eine Vielzahl von Dialekten überwinden. Aus praktischen Gründen wird das LIR in der neuen Hochsprache bearbeitet. Da die historische Terminologie noch nicht entwickelt ist, betätigt sich das HLS sprachschöpferisch. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das HLS im benachbarten Fürstentum Liechtenstein ein eigenes Lexikonsprojekt angeregt hat: das Historische Lexikon des Fürstentums Liechtenstein (HLFL). Dieses beruht konzeptionell auf dem HLS und ist mit dem schweizerischen mannigfach verbunden.

Wie das alte HBLS wird das neue HLS vier Stichwortkategorien beinhalten:

Biographien
24.500 Artikel
Ortsartikel
5300 Artikel
Sachartikel
3000 Artikel
Familienartikel
2500 Artikel

Rund 20% des Raumes ist für Illustration reserviert.

In der Projektierungsphase wurde die Frage eingehend diskutiert, ob die einzelnen Stichwortkategorien in getrennten Lexika untergebracht werden sollen, ob also - ähnlich wie in vielen anderen Ländern - eine Nationalbiographie, ein historisch-geographisches und ein historisches Sachlexikon erarbeitet werden sollten. Schliesslich hat man sich für ein integrales Lexikon entschieden, in dem alle vier Stichwortkategorien zusammen erscheinen. Vier Gründe gaben den Ausschlag: Mit dem HBLS ist dieses "integrierte" Konzept in der Schweizer Lexikographie gut eingeführt und hat sich bewährt. Zum zweiten versprach man sich eine kohärente lexikographische Aufarbeitung des Stoffes. Um ein Beispiel zu nennen: Firmengeschichten können in eigenen Sachartikeln (z.B. Swissair), in einem Familienartikel (z.B. Familienbetriebe), in einer Biographie (wenn die Geschichte der Firma an einer einzigen Person, z.B. ihrem Gründer, aufgezeigt werden kann) oder in einem Ortsartikel (z.B. die zahlreichen Bergbahnen) abgehandelt werden. Bei einer Trennung in verschiedene Lexika würden die Informationen auseinandergerissen, d.h. firmengeschichtliche Informationen müssten in drei oder gar vier verschiedenen Werken zusammengesucht werden. Der dritte Grund war die Grösse und Überschaubarkeit der Schweiz, die ein multifunktionales Lexikon gerade noch zulässt. Der letzte und nicht unwichtigste Grund war die nicht unbegründete Furcht, dass nach der Herausgabe des ersten Teillexikons, z.B des Biographielexikons, für die Folgelexika kein Geld mehr vorhanden sein könnte und ein lexikographischer Torso stehenbleiben würde. So hat man von Anfang an das höhere Ziel angestrebt, im Wissen, dass man sich damit einige Zusatzschwierigkeiten einhandeln würde.

Das HLS umfasst die Vergangenheit der ganzen heutigen Schweiz seit dem Auftreten der ersten Menschen im Paläolithikum bis zur Gegenwart. Um die einzelnen Zeitperioden ihrer Bedeutung gemäss ausgewogen im HLS zu repräsentieren, wurden approximative Zeilenkontingente zugewiesen, wobei der Zeilenanteil pro Jahrhundert zur Gegenwart hin kontinuierlich anwächst.

4. Organisation

Seit 1988 ist die Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz für das Projekt verantwortlich. Im 13-köpfigen Stiftungsrat sind alle Sprachregionen und die wichtigsten historischen Disziplinen und alle Hochschulen vertreten. Der Stiftungsrat trifft die wichtigen personellen und konzeptionellen Entscheide.

Die Zentralredaktion in Bern besteht aus dem Chefredaktor, den drei Sprachredaktionen für die einzelnen Sprachausgaben, einem Bildredaktor, einem Informatiker, dem Sekretariat und der Produktionsgruppe, welche für die Beschaffung der Artikel verantwortlich ist. Daneben bestehen zwei Aussenstellen: Ein Teil der italienischsprachigen Redaktion mit vier Mitarbeitern befindet sich in Bellinzona, dem Hauptort der italienischsprachigen Schweiz, da die italienische Ausgabe zu 95% aus Übersetzungen besteht und im eigenen Sprachgebiet am ehesten geeignete Übersetzer gewonnen werden können. Die Redaktion der rätoromanischen Ausgabe mit drei Mitarbeitern befindet sich in Chur, dem Hauptort des Kantons Graubünden, wo die Mehrheit der Rätoromanen lebt und wo alle kulturellen und wissenschaftlichen Institute für das Rätoromanische angesiedelt sind. Die Zentralredaktion befasst sich vorwiegend mit der Koordination, auch wenn in letzter Zeit vermehrt wissenschaftliche Aufgaben, z.B. das Abfassen oder Ergänzen von Artikeln, dazugekommen sind. Sie beschäftigt zurzeit 20 Mitarbeiter sowie mehrere Hilfskräfte.

Da die Zentralredaktion zu klein ist, um die Geschichte aller Landesteile, Disziplinen und Epochen wissenschaftlich kompetent zu betreuen, stehen ihr rund 110 wissenschaftliche Berater zur Seite, die für die Artikel ihres Fachbereichs zuständig sind: von der Aufnahme des Stichwortes, dem Vorschlag eines Autors bis zur wissenschaftlichen Prüfung (und notfalls der Korrektur) des geschriebenen Artikels. Die meisten Berater sind Hochschulprofessoren oder Archivare und sind entweder für einen der 26 Kantone oder für ein Sachgebiet (von der Urgeschichte über die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts bis hin zur Musik- und Sportgeschichte) zuständig.

Die grösste Gruppe der externen Mitarbeiter stellen die Autoren dar. Rund 2000 Autoren stehen zurzeit unter Vertrag und verfassen die über 35.000 Artikel. Dabei gibt es solche, die nur einen einzigen Artikel verfassen, während andere ganze Serien von Artikeln, in Einzelfällen sogar Hunderte von Artikeln beisteuern. Einige wenige von ihnen stehen in einem festen Anstellungsverhältnis.

Die rund 40 Übersetzer unterstehen den Sprachredaktoren. Sie haben die riesige Masse von Artikeln von der Originalsprache in eine der vier Sprachen zu übersetzen. Da die drei Sprachausgaben inhaltlich identisch sind, muss also gesamthaft das Volumen von zwei vollständigen Ausgaben übersetzt werden. Pro Ausgangs- und Zielsprache ergibt dies folgende Übersetzungsmengen:

von Deutsch in Französisch:
65% oder 630.000 Zeilen
von Deutsch in Italienisch:
65% oder 630.000 Zeilen
von Deutsch in Rätoromanisch:
8% oder 80.000 Zeilen
von Französisch in Deutsch:
30% oder 290.000 Zeilen
von Französisch in Italienisch:
30% oder 290.000 Zeilen
von Italienisch in Deutsch:
5% oder 50.000 Zeilen
von Italienisch in Französisch:
5% oder 50.000 Zeilen

Gesamthaft müssen demnach rund 2 Millionen Zeilen oder - bei 55 Zeichen pro Zeile - rund 110 Millionen Zeichen übersetzt werden. Damit ist das HLS zurzeit das grösste Übersetzungsprojekt der Schweiz.

5. Zum Stand der Arbeiten (Januar 1998) und zur Publikation

Die Zentralredaktion nahm am 1. Januar 1988 ihre Arbeit auf. In den ersten drei Jahren wurde das Detailkonzept, basierend auf dem Grobkonzept von 1987, erarbeitet. Für jede Stichwortkategorie (BIO, GEO, FAM und TEM) sowie für die Illustration wurden Konzepte erstellt. Gleichzeitig wurden die komplizierten Arbeitsabläufe vorbereitet und die Stichwortliste aufgebaut. Anfang 1991 begann die Artikelproduktion, zuerst nur diejenige der Ortsartikel und der Biographien, ab 1992 diejenige der Familienartikel und ab 1994 die Produktion der Sachartikel. Da nur wenige Mitarbeiter lexikographische Erfahrung besassen, mussten sich alle, vor allem die Sprachredaktoren, in die Lexikographie einarbeiten. Anfang 1992 begann die Redaktion mit der Bearbeitung der Originalartikel in ihrer Sprache und nach einer längeren Versuchsphase 1993 mit derjenigen der übersetzten Artikel.

Der Abschluss der Stichwortliste dauerte länger als erwartet. Probleme boten vor allem die untereinander stark vernetzten Sachartikel. Diese Stichwortliste führte aufgrund der unterschiedlichen historiographischen Ansichten von einzelnen Beratern zu langen Diskussionen. Schwierig war auch die Biographieliste: Die einzelnen Biographiebereiche sind zurzeit in der Schweiz sehr unterschiedlich aufgearbeitet. So sind zum Beispiel die Künstler und die Politiker auf nationaler Ebene gut erschlossen, während die einflussreichen Chefbeamten, die Ingenieure und die Unternehmer nur schlecht bekannt sind. Obwohl bei den Biographien noch zahlreiche Kontrollen und Ergänzungen notwendig sind, konnte Ende 1994 die gesamte Stichwortliste abgeschlossen werden. Sie umfasste Anfang 1998 rund 35.300 Stichwörter.

Zum selben Zeitpunkt waren knapp die Hälfte aller Artikel bestellt und 46 % oder etwa über 16.000 auf der Redaktion. Vom ersten und zweiten Band (Buchstaben A bis Chz) sind alle Artikel bestellt und - ausser einigen wenigen - auch alle von den Autoren verfasst. Als Engpass erwies sich die Bearbeitung der Texte durch die Zentralredaktion. Von den zu publizierenden rund 106.000 Artikeln (dreimal 35.300) sind zurzeit 13 % von der Redaktion bearbeitet; für einen grossen Teil davon liegt auch das "Gut-zum-Druck" der Autoren vor.

Ursprünglich war geplant, im Jubiläumsjahr 1998 (150 Jahre Schweizerischer Bundesstaat) den jeweils ersten Band jeder Sprachausgabe zu drucken. Durch die Verzögerung in der redaktionellen Bearbeitung, aber vor allem auch die fehlenden Finanzen für die Drucklegung, haben die Stiftung HLS veranlasst, nach anderen Publikationsmöglichkeiten für 1998 zu suchen. 1997 wurde bereits erfolgreich eine Internet-Anwendung entwickelt. Seit August 1997 stehen für die zirka 2000 externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund 13.000 Artikel elektronisch zur Konsultation bereit. Zurzeit ist aber der Zugang nur mit Passwort möglich. Ab 1998 sollen die zur Publikation freigegebenen Artikel auch einem weiteren Benutzerkreis geöffnet werden. Zurzeit laufen Abklärungen, wie die grundsätzlich kostenpflichtige Nutzung des elektronischen HLS organisiert werden soll.

Die elektronische Publikation des dreisprachigen HLS wird zeitlich vorgezogen. Damit wird aber nicht auf eine Buchpublikation verzichtet. Nach unserer Auffassung muss ein historisches Lexikon gedruckt werden. Denn nur durch ein Buch kann die Langfristigkeit der Nutzung (wie steht es in 10, 50, 100 Jahren um die elektronisch gespeicherten Daten?) und eine breite Streuung in der Öffentlichkeit gewährleistet werden. Die ersten gedruckten Bände sollen 2000/2001 auf den Markt gebracht werden.

Es folgen drei Musterartikel für Biographien (copyright HLS)


[1]
Wenn der Herausgeber von IFB im folgenden Text ss statt ß stehengelassen hat, so wegen der Besonderheiten der Schweizer Graphie und nicht etwa wegen der Rechtschreibreform, die bis auf weiteres in IFB keine Anwendung findet. (zurück)

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