Lateinamerika / Literatur : Lexika und Handbücher
Tlön, Uqbar, Orbis Tertius : neue Gesamtdarstellungen lateinamerikanischer Literatur
0. Vorbemerkung Enzyklopädische Labyrinthe zwischen Fiktion und Wirklichkeit beschwor der argentinische Schriftsteller und zeitweilige Direktor der Nationalbibliothek Jorge Luis Borges in seiner phantastischen Erzählung Tlön, Uqbar, Orbis Tertius (veröffentlicht in Ficciones, 1944): In der Raubdruckausgabe der Encyclop‘dia Britannica tauchte ein Lexikoneintrag über das Land Uqbar auf, dessen Existenz sich mithilfe anderer Lexika einfach nicht verifizieren ließ und zu noch mysteriöseren Informationen über ein weiteres Land Tlön führte. Wenn im folgenden Neuerscheinungen lateinamerikanischer Literaturgeschichten und -enzyklopädien vorgestellt werden, so geschieht dies in der beruhigenden Gewißheit, daß dort genannte Autoren und Werke, wenn auch nicht immer typographisch oder in der Ansetzung korrekt, so doch mit Sicherheit nachweisbar sind.
Erst im Zuge des sogenannten "Booms" der Autoren, die in den 60er
Jahren den Durchbruch erzielten, trat die lateinamerikanische
Literatur in das Bewußtsein einer internationalen Öffentlichkeit. Ihre
plötzlich zur Weltliteratur erklärten Werke schienen aus dem Nichts
aufzutauchen. Nur sehr zögernd setzte sich die Erkenntnis durch, daß
sie Ergebnis einer langen Entwicklung waren, die bis in die
Kolonialzeit zurückreicht. "Die lateinamerikanische Literatur der
ersten Jahrhunderthälfte blieb weitgehend unbekannt, die vor 1900 fast
vollständig. Das Gerede vom ,jungen Kontinent' findet seine
Selbstbestätigung im Desinteresse an dessen kulturellen Traditionen."[1]
Neuere Gesamtdarstellungen der lateinamerikanischen Literatur eint das
Bemühen, dieses Bild zu korrigieren.
Regine Schmolling
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