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Denkmälerinventare und ähnliche Verzeichnisse für Frankreich


96-2/3-289 bis 96-2/3-295 (Vorspann)

Denkmälerinventare und ähnliche Verzeichnisse für Frankreich

von

Angela Karasch

1 Historischer Abriß

Staatlicher Denkmalschutz besitzt in Frankreich eine lange Tradition: er setzte bereits in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ein.[1] Das 1830 eingerichtete Amt des Inspecteur Général des Monuments Historiques und die 1837 folgende Commission Supérieure des Monuments Historiques waren dabei entscheidend für die Ausbildung eines Prinzips der Denkmalklassifizierung und für die Erarbeitung erster Denkmalschutzgesetze. Bereits 1840 wurde für die praktischen Bedürfnisse der Denkmalpflege eine Liste der staatlich geschützten Denkmäler zusammengestellt und diese in der Folge dann mehrfach erweitert und modifiziert. Das Jahr 1887 brachte dann die erste entscheidende gesetzliche Rahmengebung für das classement eines Denkmals. Weitere Gesetzesfassungen des 20. Jahrhunderts zum Denkmalschutz berücksichtigten zudem - im europäischen Vergleich recht früh - Landschaftsbereiche und Umgebungsschutz und formulierten den Schutz von Denkmalensembles. Es kann an dieser Stelle nicht die Geschichte des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in Frankreich skizziert werden, doch sei es abschließend zu diesen wenigen einführenden Bemerkungen erlaubt, sie in einer Verkürzung auf Personen mit wenigen Namen entscheidend zu markieren: Für das 19. Jahrhundert sind als herausragende Impulsgeber zu nennen der französische Schriftsteller und Archäologe Prosper Mérimée, der 1831 erster Inspecteur der Monuments Historiques wurde, insbesondere aber der französische Architekt und Kunsttheoretiker EugŠne Emmanuel Viollet-le-Duc, der vor allem mit seinen Veröffentlichungen entscheidend das Interesse für die Denkmalpflege weckte und denkmalpflegerische Initiativen begleitete. Gleichwohl führte dies nicht zu umfassenderen Unternehmungen der Denkmalverzeichnung. Für das 20. Jahrhundert nun wird man eine Geschichte der Denkmalpflege und vor allem der Denkmaldokumentation in Frankreich nicht ohne Nennung von André Malraux aber auch von André Chastel schreiben können. Beiden kommt nicht nur das Verdienst zu, die Traditionen des Denkmalschutzes und der Denkmalschutzgesetzgebung in Frankreich für die Moderne gestalterisch fortgeschrieben und/oder publizistisch beeinflußt zu haben; viel mehr noch ist es ihr Verdienst, auch die Defizite der französischen Denkmalpflege thematisiert und deren Korrektur initiiert zu haben. Sie betreffen in erster Linie die Denkmalverzeichnung, gab es doch - abgesehen von den erwähnten kurzen Denkmallisten - bis in die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts in Frankreich keine umfassende Denkmalinventarisierung und -beschreibung, vergleichbar etwa mit der in Deutschland schon im 19. Jahrhundert einsetzenden Erstellung von Großinventaren, ebensowenig eine kürzere, handbuchartige, dem Dehio vergleichbare systematische Dokumentation.[2] André Chastel hat über Jahrzehnte diesen und andere Einzelaspekte und Anliegen der französischen Denkmalpflege publizistisch begleitet.[3] Aber erst unter André Malraux als französischem Kultusminister konnte 1964 das Inventaire général des monuments et des richesses artistiques de la France institutionalisiert werden mit der Aufgabe, durch umfassende (kunst-)historiographische, photographische und graphische Dokumentation die Denkmäler Frankreichs bekannt zu machen.[4]

2 Inventaires topographiques

Kernstück der in den 60er Jahren in Frankreich einsetzenden Denkmalverzeichnung sind die in der Reihe Inventaires topographiques veröffentlichten Inventare. Die auf Gesamterfassung der französischen Kunstdenkmale zielende Unternehmung folgt dabei dem klassischen Prinzip einer topographischen Ordnung: Regionalredaktionen legen die Inventarisierungsergebnisse nach Départements bzw. nach Kantonen und Orten als kleineren Verwaltungseinheiten strukturiert vor. Der Textteil eines jeden Bandes bringt vorab eine grundlegende Dokumentation zur Denkmalsituation des jeweiligen Gebiets mit Zusammenstellungen der Quellen, Hinweisen auf ältere Repertorien und mit bibliographischen Angaben. Die Texte selbst geben einen geographischen und historischen Überblick zur betreffenden Region, Statistiken, übergreifende bzw. zusammenfassende Charakterisierungen der kunsthistorischen Situation, schließlich Hinweise auf die Erfassungs- und Verzeichnungsgeschichte der Denkmale der Region. Es folgt dann das eigentliche Inventar in alphabetischer Abfolge nach Kommunen mit jeweils gleichbleibendem Beschreibungsraster: Charakterisierung des Ensembles bzw. der Stadtanlage, Sakralarchitektur, öffentliche und private Profanarchitektur, öffentliche Sammlungen. Ausstattungsgegenstände werden nach feststehenden Klassen geordnet direkt bei der beherbergenden Architektur beschrieben. Die Beschreibung selbst ist äußerst knapp, letztlich auflistend unter Berücksichtigung folgender Kriterien zu jedem Beschreibungsgegenstand: kurze Objektgeschichte, genaue Bezeichnung, Plazierung, Ikonographien, Künstler/Zuschreibung, Datierung, Material, Maße, Erhaltungszustand, Inschriften, Dekorationen, Hinweis auf den Denkmalstatus (Klassierung als monument historique oder Eintragung in das inventaire supplémentaire). Umfangreiches Bildmaterial (Photos und sonstige Abbildungen, Risse, Zeichnungen), Karten und Pläne sowie exhaustive Register runden die Inventarbände ab. Mit diesen Publikationen hat Frankreich, wenn auch spät, zu den großen Denkmalverzeichnungsprojekten anderer Länder aufgeschlossen, ohne aber bis jetzt - gemessen an der Zahl der publizierten Bände - einen anderen Ländern vergleichbaren Verzeichnungsstand aufzuweisen. Überblickt man die bislang in der Reihe Inventaires topographiques publizierten Bände, so ist unschwer vorauszusagen, daß Frankreich auch noch lange Zeit weit davon entfernt sein wird, über ein abgeschlossenes Denkmälerinventar zu verfügen; nicht einmal für einzelne Regionen ist die Verzeichnung bislang vollständig abgeschlossen und publiziert. Am besten dokumentiert ist zur Zeit noch das Elsaß mit 3 Bänden zu Kantonen des Département Haut-Rhin und einem Band zum Kanton Saverne des Département Bas-Rhin.[5] Diese auch in Relation zu vergleichbaren neueren Verzeichnungsprojekten wie etwa der Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland[6] sehr zögerliche Dokumentation und das Fehlen älterer umfassender Inventare hat zur Folge, daß für große Teile des französischen Denkmälerbestandes nach wie vor andere Informationsquellen herangezogen werden müssen. Wohl auch mit Blick auf dieses Defizit wurde von den das eigentliche Inventar initiierenden staatlichen Institutionen schon frühzeitig auf ergänzende, aber anders konzipierte und auf Zielgruppen mit unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen ausgerichtete Publikationsformen gesetzt.

3 Cahiers de l'inventaire; tudes du patrimoine; Cahiers du patrimoine

Die Buchreihe Cahiers de l'inventaire wurde 1993 mit der sie begleitenden und gerade auch die photographische Dokumentation betonenden Reihe tudes du patrimoine zusammengelegt und beide wurden unter dem Titel Cahiers du patrimoine weitergeführt. Dieser Reihe kommt dabei die Aufgabe der vertieften wissenschaftlichen Dokumentation und detaillierten Beschreibung von Einzelaspekten zu. Schon die Selbstcharakteristik dieser Reihe verdeutlicht dabei, in welchem Ausmaß hier auf ein Auswahlprinzip bei der dokumentarischen Veröffentlichung einerseits und in der Breite ihrer wissenschaftlichen Präsentation gesetzt wird: "Sur les sujets les plus variés, les Cahiers présentent l'état d'une question, approfondissent une réflexion méthodologique ou révŠlent des aspects inconnus du patrimoine fran‡ais."[7] Die Themen der Bände dieser Reihe sind äußerst vielfältig: Beschreibung einzelner herausragender Baudenkmäler und ebenso ganzer Stadtensembles, Zusammenschau des regionalen oder lokalen Werkes einzelner Architekten, Dokumentation beweglicher Kulturgüter oder regionaler kunstgewerblicher Produkte u.v.a.m., wobei die Publikationsform von der Monographie über den Sammelband bis zum Lexikon reichen kann. Beispielhaft für die Dokumentation eines einzelnen Baudenkmals sei auf eines der ersten Cahiers, auf die 1985 erschienene Beschreibung des H“tel de Vigny in Paris eingegangen:[8] Obgleich mit 64 Seiten im Vergleich zu den späteren Veröffentlichungen der Reihe noch von bescheidenem Umfang, präsentiert sich das Heft als Sammelband von Beiträgen mehrerer Autoren zu diesem Bauwerk und nicht als eine in sich geschlossene Einzelbeschreibung. Nach einem Beitrag zur Urbanisationsgeschichte des gesamten (Stadt-) Viertels (Histoire d'un territoire) folgen Ausführungen zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Denkmals. Weitere Beiträge befassen sich mit ausgewählten Einzelheiten der Ausstattung (schmiedeeisener Treppenhauslauf, Deckenmalereien, wobei diese inventarartig erfaßt und dokumentiert werden) und vergessen nicht, die aktuelle Nutzung des Gebäudes als Sitz des Inventaire Général des Monuments Historiques zu dokumentieren. Die Gesamtdokumentation wird ergänzt durch Photographien, Pläne und Wiedergaben historischer Abbildungen; bibliographische Angaben finden sich bei den Einzelbeiträgen. Diesem Grundraster - historischer Überblick und Hintergrund, Bau- und Nutzungsgeschichte, Beschreibungen von Einzelheiten, Grundrisse, Zeichnungen, Abbildungen, bibliographische Angaben, Quellenverzeichnis - folgen auch die neueren, inzwischen wesentlich umfangreicheren Cahiers, soweit sie Baudenkmäler dokumentieren.[9] Die neueren Cahiers sind allerdings zunehmend weniger einzelnen Baudenkmälern gewidmet, sondern vor allem auch Kulturgütern, die in der herkömmlichen Denkmälerverzeichnung höchstens im Rahmen der Nennung von Ausstattungsgegenständen Berücksichtigung fanden, deren umfassende Dokumentation gegebenenfalls speziellen Inventarisierungsprojekten vorbehalten war, oder aber sie betreffen sonstige Einzelaspekte, die im Rahmen der Sicherung und Erfassung des kulturellen Erbes von Bedeutung sind. Beispielhaft hierfür genannt sei das Verzeichnis der Marken der Pariser Gold- und Silberschmiede.[10] Diese als Nachschlagewerke konzipierten Bände sind im strengen Sinne Repertorien der nachweisbaren Gold- und Silberschmiede mit Abbildung der von ihnen verwendeten Stempel, Nennung ihrer Wirkungstätte und Zulassung usw., nicht aber Inventare entsprechender Sammlungen der Gold- und Silberschmiedekunst. Hier wird sicher besonders augenfällig, inwieweit sich die Cahiers du patrimoine in ihrer Konzeption vom klassischen Kunstdenkmälerverzeichnis, dem sich das Inventaire topographique verpflichtet sieht, entfernen. Rein quantitativ betrachtet, haben sich inzwischen die Cahiers du patrimoine längst vor das eigentliche Inventar geschoben und sich so publizistisch in den Vordergrund gestellt. Gerade wegen der langen Bearbeitungszeiten eines umfassenden Denkmälerinventars mag eine schnellere Präsentation von Einzelergebnissen in den Cahiers eine "Verlockung" sein, sie wird aber zur Gefahr, wenn damit eine grundsätzliche Prioritätenverschiebung und somit zugleich eine schleichende Verabschiedung vom Projekt eines publizierten Gesamtinventars verbunden sein sollte. Nicht die abweichende Erfassungs- und Beschreibungskonzeption der Cahiers gilt es zu kritisieren, sondern die Prioritätensetzung vor dem Hintergrund einer für die Kunstdenkmäler im engen Verständnis noch weitgehend rudimentären Verzeichnung in Frankreich. Denn die Funktionen eines klassischen Denkmalverzeichnisses können und wollen die Cahiers du patrimoine nicht vollständig mitübernehmen.

4 Weitere Publikationsreihen und Zeitschriften

Um aber über das Inventaire topographique und die in den Cahiers du patrimoine veröffentlichten Ergebnisse hinaus weitere Teile der in den Regionalzentren des Inventaire gespeicherten Daten und sonstige Informationen zum Themenkreis "kulturelles Erbe" einem größeren Publikum zugänglich zu machen, werden heute unter dem Dach der Direction du Patrimoine und der Caisse Nationale des Monuments Historiques et des Sites (CNMHS) häufig in Kooperation mit sonstigen Institutionen und Verlagen weitere Buch- und Heftreihen unterschiedlichen Charakters und mit unterschiedlicher Zielsetzung publiziert. Dies können um Kartenmaterial und Pläne erweiterte regionalspezifische Auszüge aus den Datenbanken der Regionalzentren des Inventaire sein (so die Reihe Indicateurs du patrimoine) oder aber regionalspezifische - inzwischen für viele Regionen längst veraltete - bibliographische Zusammenstellungen (in der Reihe Répertoires des inventaires). In einer eigenständigen, vom CNRS (u.a.) herausgegebenen und vertriebenen Publikationsreihe werden die Arbeiten der französischen Arbeitsstelle des Corpus vitrearum Medii Aevi vorgelegt (Recensement des vitraux anciens de la France); Kolloquiumsakten zu Grundsatzfragen der Denkmalpflege und Denkmalerfassung finden Eingang in die Reihe Actes des colloques; weitere eigene Reihen sind schließlich den Ergebnissen der archäologischen und ethnologischen (volkskundlichen) Erfassungen und Untersuchungen gewidmet; sie sollen ebenso wie der Hinweis auf die Herausgabe verschiedener Zeitschriften[11] und Sonderdrucke von Zeitschriftenbeiträgen in diesem Zusammenhang nur Erwähnung finden, um das Bild der wissenschaftlichen Publikationsaktivitäten dieser Institutionen abzurunden.

5 Itinéraires du patrimoine; Patrimoine au présent; Images du patrimoine

Umfangreich sind inzwischen auch die unter dem Dach der Direction du Patrimoine und der CNMHS firmierenden, vor allem in Kooperation mit französischen Verlagen realisierten publizistischen Aktivitäten zur Erstinformation eines breiteren Publikums. Grundsätzliches Ziel dabei ist es, allgemein ein größeres Interesse für das kulturelle Erbe Frankreichs zu wecken, vor Ort mit kürzer gefaßten Informationen zu einem Denkmal zu dienen und hierbei zugleich auch die Touristik- und Freizeitindustrie zu bedienen.[12] Es liegt auf der Hand, daß gerade aus der Perspektive fehlender umfassender Denkmalverzeichnisse diese Darstellungen von kompensatorischem Interesse sein können. Hinsichtlich der Kunstdenkmäler gilt dies insbesondere für die Reihen Itinéraires du patrimoine, Patrimoine au présent und Images du patrimoine.

Während die Itinéraires du patrimoine auf knappstem Raum (der Umfang beträgt meist nur 16 Seiten) Erstinformationen zu einzelnen Denkmälern oder Themen liefern und formal am ehesten dem Typ der Kleinen Kunstführer des Verlags Schnell & Steiner in Deutschland nahekommen, ohne jedoch deren Erfassungsdichte und Detailliertheit der Beschreibung zu erreichen, sind die Titel der Reihe Patrimoine au présent mit durchschnittlich 128 Seiten umfangreicher. Allerdings beschränkt sich diese jüngere Reihe, die zu einzelnen Titeln auch englischsprachige Ausgaben anbietet, vorerst noch auf die wirklich herausragenden kunsthistorischen und zugleich touristisch interessanten Baudenkmäler Frankreichs. Daher können die Veröffentlichungen beider Reihen zum jetzigen Zeitpunkt nur in äußerst begrenztem Umfang Ersatz für fehlende umfassende Inventare darstellen. Hinzu kommt, daß sich gerade auch die Bände der Reihe Patrimoine au présent bei aller namhaften Autorenschaft im Charakter sehr weit von einer exhaustiven und inventarartigen Beschreibung entfernen und eher dem Stil einer hinführenden, Verständnis stiftenden, die geschichtlichen Umstände erklärenden und beschreibenden, letztlich popularisierenden Darstellung zuneigen. Beispielhaft erkennbar wird diese Konzeption an dem 1993 von Anne Prache vorgelegten reich illustrierten Bändchen zur Kathedrale von Chartres mit dem in jeder Hinsicht sprechenden Untertitel "image de la Jérusalem céleste".[13]

An eine vergleichbare Zielgruppe wendet sich auch die zur Zeit mit fast 150 Bänden umfangreichste Reihe, die Images du patrimoine. Sie bringen jeweils auf ca. 60 bis 100 Seiten Hochglanzpapier einen großenteils farbigen Bilderquerschnitt zu einzelnen Baudenkmälern, zu den Denkmälern eines Ortes, eines Kantons oder zu einem umgrenzten Themenkreis. Kurze Legenden begleiten die Abbildungen und werden nur durch knappe Einführungstexte zusammengehalten. Obwohl ohne besonderen wissenschaftlichen Verzeichnungsanspruch, können diese Hefte gelegentlich dennoch von einigem Interesse für erste Denkmalinformationen sein, liegen sie doch auch für Bereiche vor, zu denen noch kein Inventarband erschienen ist und bieten hier einen ersten Querschnitt und vor allem Abbildungsmaterial.[14] Im Normalfall aber werden die Images du patrimoine Bildheftliebhaber beglücken.

6 Guides bleus; Reclams Kunstführer Frankreich; Guides du patrimoine; Einzelpublikationen

Bevor die im Rahmen des Publikationsprogramms der Direction du Patrimoine und der CNMHS seit 1992 im Verlag Hachette erscheinende Reihe Guides du patrimoine näher beschrieben werden soll, müssen die vom selben Verlag Hachette publizierten Guides bleus kurz charakterisiert werden, ohne daß hier allerdings die gesamte Editionsgeschichte[15] und die im Laufe der Jahrzehnte nicht ausgebliebenen Modifizierungen im Konzept dieser traditionsreichen Reiseführer für Kunstinteressierte im Detail nachgezeichnet werden soll. Vergleichsbasis soll vielmehr die aktuelle Konzeption dieser Führer sein. Der letzte Paris-Band in der Reihe Guides bleus erschien bereits 1990, neueren Datums ist aber u.a. der Führer durch die Picardie.[16] Dieser 1993 erschienene Band zeigt zugleich, daß für den Verlag Hachette die 1992 gestarteten Guides du patrimoine nicht als Fortsetzung bzw. Ablösung der Guides bleus gedacht waren, sondern daß beide Reihen im nebeneinander laufen und somit auch eine durchaus differierende Konzeption und Orientierung aufweisen. Klare Zielgruppe der Guides bleus ist ein (autoreisendes) kunst- und kulturinteressiertes Publikum. Die mit ausführlichem (Straßen-)Kartenmaterial und Routenvorschlägen ausgestatteten Bände bringen vorab zusammenfassende Beiträge zu Geographie, Geschichte, Kunst und Kultur, Industrie, Sozialstruktur usw. der jeweiligen Region mit einer bibliographischen Zusammenstellung zu diesen Schwerpunkten. Daran schließen sich die Ortsbeschreibungen (unter Einschluß der Umgebung) in alphabetischer Ordnung an. Alle Einträge folgen dem gleichen Beschreibungsraster: Geographische Situierung, verkehrstechnische Informationen, Ortsgeschichte; zusammenfassender Hinweis auf die kulturtouristischen musts, daran anschließend die Einzelbeschreibungen der mit Sternchen zusätzlich wertend klassierten Sehenswürdigkeiten. Unter ihnen finden neben den Museen die Baudenkmäler eine herausragende Berücksichtigung und ausführliche Beschreibung. Der Picardie-Band etwa bietet für die Kathedrale von Amiens neben praktischen Kurzhinweisen (Öffnungszeiten, Führungen usw.) und nach einführenden Informationen zur Baugeschichte und zur Bedeutung des Denkmals eine als Rundgang konzipierte ausführliche Beschreibung der Kathedrale und ihrer Ausstattung, wobei herausragende Einzelheiten durch zusätzliche Sternchen-Vergabe nochmals gekennzeichnet werden. Vom eigentlichen Text unabhängige, als Kästchen eingeschobene Informationen befassen sich in einführend und verständlich gehaltener Form beispielsweise mit Einzelheiten moderner Restaurierungsverfahren, mit biographischen Hinweisen zu Künstlern, mit Konstruktionsinformationen usw. Ein thematischer Index und ein Ortsregister beschließen den Band. Auf die weiteren, in einem umfassenden Reiseführer selbstverständlich mitberücksichtigten sonstigen Attraktionen und Ausführungen braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, auch wenn sie im Vergleich zu älteren Guides bleus an Umfang zu Lasten der früher stärkeren kunst- und kulturorientierten Ausrichtung der Führer zugenommen haben. Dennoch gilt weiterhin, daß die Guides bleus für viele Regionen Frankreichs auch heute noch die einzige handliche Zusammenstellung und Beschreibung ihrer wichtigsten Kunstdenkmäler bieten, und daß diese Führer trotz aller tourismusspezifischen Ausprägungen lange Zeit Ersatz für fehlende Kunstführer waren und vielfach immer noch sind.

An dieser Stelle ist auch an die Reihe Reclams Kunstführer Frankreich[17] zu erinnern, die sich speziell an den reisenden Kunstfreund wendete. Sie wird in dieser Form leider nicht fortgeführt und deckt deshalb auch bei weitem nicht alle Regionen Frankreichs ab.[18]

Gänzlich anders als die Guides bleus, jedoch vergleichbar mit Reclams Kunstführer Frankreich, muß die Bewertung der Reihe Guides du patrimoine ausfallen, in der Vorarbeiten für das eigentliche Inventaire topographique eine nützliche intermediäre Verbindung mit der Tradition der Guides bleus eingehen.

7 Verzeichnung von Denkmälern der Industrie und Landwirtschaft in Frankreich

Die bisher beschriebenen Publikationen konzentrierten sich schwerpunktmäßig auf den Nachweis von Kunstdenkmälern. Einzig Reiseführer wie die Guides bleus berücksichtigen zunehmend auch Denkmäler der Industrie und Landwirtschaft. Zu diesen Bereichen existieren zwei spezielle praktische Nachschlagewerke in Gestalt von kommentierten und farbig bebilderten Adreßbüchern:

8 Nachbemerkung

Sieht man all die publizistischen Bemühungen, die die staatlichen Einrichtungen der Denkmalpflege in Frankreich selbst oder in Kooperation mit anderen Einrichtungen bzw. mit Verlagen in den vergangenen dreißig Jahren unternommen haben, so vermag ihre Vielzahl und Vielfältigkeit durchaus zu beeindrucken. Gleichwohl behält das Faktum, daß es an einer flächendeckenden Denkmalverzeichnung in Frankreich weiterhin fehlt, nach wie vor seine Gültigkeit. Die Zeiten der "Solisten" (und ihrer Arbeitsgruppen), die in überschaubarem Zeitrahmen eine erste Kurzerfassung der Denkmäler eines Landes vorlegen konnten, sind längst vorbei; in Frankreich hat es sie gar nicht gegeben. Die seitdem stark gewachsenen Ansprüche an eine wissenschaftlichen Erfordernissen genügende Denkmalverzeichnung erschwert ebenso wie die Ausweitung des Denkmalbegriffs das schnelle Erreichen des Zieles und macht es unmöglich früher Versäumtes jetzt rasch nachzuholen. Daß trotzdem Großprojekte durchaus zu recht schnellen Ergebnissen, d.h. Publikationen führen können, belegen die von einzelnen Bundesländern im Rahmen der Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland vorgelegten Bände. Ein dem bayerischen Modell[19] folgendes Vorgehen wäre aus unserer Sicht auch für den Nachweis französischer Denkmäler denkbar: Sehr schnelle und umfassende Publizierung listenartiger Verzeichnisse als Basis, auf denen dann die langsam fortschreitende Arbeit an Großinventaren sowie Einzeldokumentationen aufbauen könnten. Solange jedoch die französische Denkmälerinventarisation trotz großer Fortschritte im einzelnen noch weit von einer flächendeckenden Beschreibung des ganzen Staatsgebietes entfernt ist, bleibt nur der Rückgriff auf die Guidenliteratur sowie auf Spezialpublikationen für einzelne Epochen der Kunstgeschichte, von denen im folgenden einige Beispiele vorgestellt werden.


[1]
Für die nachfolgenden Ausführungen vgl. insbesondere: Denkmalschutzgesetzgebung in Frankreich / Louis Grodecki. // In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege. - 29 (1971), S. 13 - 34. (zurück)
[2]
Zur Denkmälerverzeichnung in Deutschland vgl. IFB 95-3-403 - 412 und die dort zitierte Literatur. (zurück)
[3]
Mit aller Deutlichkeit wies Chastel auf das Defizit der Denkmalverzeichnung in Frankreich nochmals in einem Artikel für Le Monde. - 1961-09-22 hin und sah Frankreich deutlich außerhalb der vielfältigen europäischen Dokumentationstraditionen stehen. - Eine Auswahl seiner Artikel für die Tageszeitung Le Monde erschien jetzt auch in Buchform: Architecture et patrimoine : choix de chroniques du journal "Le Monde" / André Chastel. Textes réunis et annotés par Dominique Hervier ... - Paris : Imprimerie Nationale ditions ; Inventaire Général, 1994. - 248 S. - Vgl. auch: La notion de patrimoine / Jean-Pierre Babelon et André Chastel. - Paris : Levi, 1995. - 141 S. : Ill. - (Collection opinion) - ISBN 2-86746-119-7. (zurück)
[4]
Auf nationaler Ebene waren die Abteilung (sous-direction) des Inventaire Général et de la Documentation du Patrimoine, die Abteilung Archäologie und die Monuments Historiques der Direction du Patrimoine des französischen Kultusministeriums unterstellt und zusammen mit der gemeinsamen Aufgabe der Pflege des kulturellen Erbes Frankreichs betraut. Die praktische Arbeit der Dokumentation wurde organisatorisch in regionalen Zentren mit jeweils lokalen Arbeitsgruppen aufgebaut. (zurück)
[5]
Haut-Rhin : Canton Guebwiller / MinistŠre des Affaires Culturelles, Inventaire Général des Monuments et des Richesses Artistiques de la France, Commission Régionale d'Alsace. - Paris : Imprimerie Nationale. - ISBN 2-11-080747-4 : FF 450.00. - [1]. Texte. - 1972. - 351 S. - [2]. Illustration. - 1972 - 413 S. : Ill.
Haut-Rhin : Canton Thann ; texte et illustration / MinistŠre de la Culture et de la Communication, Inventaire Général des Monuments et des Richesses Artistiques de la France, Commission Régionale d'Alsace. - Paris : Imprimerie Nationale, 1980. - 467 S. : Ill. - ISBN 2-11-080742-3 : FF 350.00.
Bas-Rhin : Canton Saverne ; texte et illustration / Secrétariat d'tat … la Culture, Inventaire Général des Monuments et des Richesses Artistiques de la France, Commission Régionale d'Alsace. - Paris : Imprimerie Nationale, 1978. - 573 S. : Ill. - ISBN 2-1108-0714-8 : FF 450.00. (zurück)
[6]
Zur Konzeption der Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland und zum derzeitigen Bearbeitungsstand vgl. die ausführliche Besprechung in IFB 95-3-403, Abschnitt 5.1. (zurück)
[7]
So zuletzt im Catalogue des publications de la Direction du Patrimoine et de la Caisse Nationale des Monuments Historiques et des Sites. - 1995, S. 25. (zurück)
[8]
L'H“tel de Vigny / réd. Claude Mignot ... - Paris : Inventaire Général, 1985. - 64 S. : Ill. - (Cahier de l'inventaire ; 5). - ISBN 2-11-085008-6 FF : 60.00. (zurück)
[9]
Beispielhaft für eine neuere, wirklich umfassende monographische Dokumentation eines Bauwerks sei genannt: Villers-Cotterets : un chƒteau royal en forˆt de Retz / Christiane Riboulleau. - Paris : Inventaire Général ; Amiens : Association pour la Généralisation de l'Inventaire Régional en Picardie, 1991. - 208 S. : Ill. - (Cahier de l'inventaire ; 24). - ISBN 2-906340-08-1 : FF 385.00, FF 295.00 (br.).
Auf einen vergleichbaren Weg ausgewählter Baudenkmäler-Dokumentation hat sich in Deutschland inzwischen Bayern begeben, das nach der umfassenden Veröffentlichung von Denkmallisten nun in der Reihe Kunstdenkmäler von Bayern : Neue Folge entsprechende Einzeldokumentationen vorlegt. Als Band 1 erschien: Der Dom zu Augsburg / Denis A. Chevalley. Mit Beiträgen von Heide Werner-Clementschitsch und Martin Mannewitz ... - München : Oldenburg, 1995. - XI, 563 S. ; 31 cm. - (Die Kunstdenkmäler von Bayern : N.F. ; 1). - ISBN 3-486-55960-5 [2701]. - Vgl. IFB 95-3-411. (zurück)
[10]
Dictionnaire des poin‡ons de fabricants d'ouvrages d'or et d'argent de Paris et de la Seine : 1798 - 1838 / Catherine Arminjon ; James Beaupuis ; MichŠle Bilimoff. - Paris : Imprimerie Nationale ditions, 1991. - 392 S. : Ill. - (Cahier de l'inventaire ; 25). - ISBN 2-11-081146-3 : FF 800.00. - Dictionnaire des poin‡ons de fabricants d'ouvrages d'or et d'argent de Paris et de la Seine : 1838 - 1875 / Catherine Arminjon ; James Beaupuis ; MichŠle Bilimoff. - Paris : Imprimerie Nationale ditions, 1994. - 440 S. : Ill. - (Cahier de l'inventaire ; 27). - ISBN 2-11-081343-1 : FF 800.00.
In diesen Rahmen gehören auch die weiteren Publikationen zur französischen Gold- und Silberschmiedekunst innerhalb der Cahiers ... wie etwa zur Goldschmiedekunst in Nantes (18) oder in Lyon (31) und schließlich der als Cahiers du patrimoine 39 angekündigte Band OrfŠvres fran‡ais sous l'ancien Régime. (zurück)
[11]
Es sind dies insbesondere die Zeitschriften Monumental, ferner Monuments historiques und Terrain : carnets du patrimoine ethnologique. (zurück)
[12]
Sogar spezielle Reihen für Kinder und Jugendliche werden vorgelegt: L'histoire et la vie d'un monument und L'histoire en s'amusant. (zurück)
[13]
Notre-Dame de Chartres : image de la Jérusalem céleste / Anne Prache. - Paris : CNRS ditions ; Caisse Nationale des Monuments Historiques et des Sites, 1993. - 128 S. : Ill. - (Patrimoine au présent) - ISBN 2-85822-117-0 : FF 130.00. (zurück)
[14]
Allein zum Elsaß liegen bereits knapp 20 Bändchen mit Abbildungen zu Denkmälern einer fast gleich hohen Anzahl von Ortschaften und Kantonen vor. (zurück)
[15]
Vgl. dazu die Festschrift zum 150jährigen Jubiläum der Reihe: L'art du voyage : 150e anniversaire des Guides bleus. - [Paris] : Hachette, 1991. - 126, [12] S. : zahlr. Ill. : 19 x 22 cm. - ISBN 2-01-017128-4. (zurück)
[16]
Paris / ont collaboré … cet ouvrage: Jean-Paul Avice ... - Paris : Hachette, 1990. - 926 S. : Ill. - (Guides bleus).
Picardie : Aisne, Oise, Somme / sous la direction de Ronald Hubscher. - Paris : Hachette, 1993. - 552 S. : Ill. - (Guides bleus). (zurück)
[17] Zur Charakteristik der Reclams Kunstführer vgl. zuletzt IFB 95-3-403, Abschnitt 4 (für Deutschland) und IFB 95-3-413 - 414 (für Italien). (zurück)
[18]
Die folgenden Bände sind erschienen und hier mit Kurzaufnahmen angeführt. Nur die mit ISBN und Preis versehenen waren Mitte 1996 noch lieferbar:
1. Paris mit Versailles / von Christian Beutler. - 2., rev. Aufl. 1979. - 814 S. : Ill. - Die 1. Aufl. erschien 1970.
2. Elsaß : Kunstdenkmäler und Museen / von Florens Deuchler und Jean Wirth. - 1980. - 337 S. : Ill. - ISBN 3-15-010297-9 : DM 42.80.
3. Lothringen, Ardennen, Ostchampagne : Kunstdenkmäler und Museen / von Peter Volkelt und Horst van Hees. - 1983. - 543 S. : Ill. - ISBN 3-15-010319-3 : DM 52.80.
4. Provence, C“te d'Azur, Dauphiné, Rh“ne-Tal / bearb. von Hans Fegers. - 2. Aufl. - 1975. - 905 S. : Ill. - Die 2. Aufl. ist gegenüber der 1. Aufl. 1967 unverändert.
5. Burgund : Kunstdenkmäler und Museen / von Hans Fegers. - 1987. - 591 S. : Ill. - ISBN 3-15-010347-9 : DM 59.80. (zurück)
[19]
Zur Denkmalverzeichnung in Bayern vgl. IFB 95-3-403, Abschnitt 6. (zurück)

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