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Der Einsatz der NJW-Leitsatzkartei auf CD-ROM in ....


94-1-161
Der Einsatz der NJW-Leitsatzkartei [1] auf CD-ROM in öffentlichen Bibliotheken am Beispiel der Stadtbibliothek Bielefeld
von
Silke Tychsen

Die NJW-Leitsatzkartei-CD-ROM, im folgenden als LSK zitiert, erschließt sämtliche Aufsätze und Entscheidungen aus den juristischen Zeitschriften des Beck-Verlages
[1] in Form von Leitsätzen. Hinzu kommt noch die Sichtung von weiteren siebzig juristischen und rechtsgebietsübergreifenden Zeitschriften nach den interessantesten Sachverhalten. Insgesamt handelt es sich um eine Sammlung von über 98.000 Dokumenten. Dabei stehen inhaltlich an erster Stelle Urteile und Entscheidungen der wichtigsten Bundesgerichte sowie der Ober- und Instanzgerichte. Nachweise von Artikeln und Leitsätzen stehen, gemessen an der Gesamtzahl der Datensätze, an zweiter Stelle. Die Bearbeitung, Verschlagwortung und Pflege aller Eintragungen nach "einschlägigen" Kriterien liegt nach Information des Handbuches bei zwei Richtern. Die Berichtszeit der CD-ROM-Ausgabe beginnt mit der NJW 1985, H. 1; sie erscheint viermal pro Jahr mit einem jährlichen Zuwachs von ca. 12.000 Dokumenten (Zahlen lt. Verlagsangabe). Durch die Produktion einer CD-ROM-Ausgabe auf Grundlage der vorhandenen gedruckten NJW-Leitsatzkartei machte der Verlag Beck einen großen Schritt in Richtung Benutzerfreundlichkeit und hohen Bedienungskomfort. Mittels der CD-ROM-Technik hat der Anwender die Möglichkeit, verschiedene Suchbegriffe in einer Recherche durch die Operatoren UND, ODER, OHNE sowie NAHE, NEBEN, >, < und einige andere miteinander zu kombinieren. Er kann dabei die folgenden Suchfelder benutzen: Schlüssel, Gesetz, Paragraph, Schlagwort, Stichwort, Gericht, Aktenzeichen, Datum, Autor, Fundstelle und Dokumentenart. Dabei können Begriffe auch verkürzt, d.h. trunkiert oder maskiert, eingegeben werden, um die Trefferquote im ersten Schritt zu erhöhen. Die Bedienungsfreundlichkeit der LSK erweist sich unter anderem auch dadurch, daß sie jedem Benutzer die Möglichkeit bietet, individuell nach seinen Wünschen und Kenntnissen eine Recherche durchzuführen. So ist es für den Fachmann möglich, die Recherche vom Laien- auf den Expertenmodus umzuschalten und dort genauso mittels einer menügesteuerten Benutzeroberfläche zu recherchieren. Diese bietet zudem noch den Vorteil, Begriffe nicht nur manuell, sondern auch über das Markieren in suchfeldbezogenen Indexlisten ohne weiteren Schreibaufwand zu übernehmen. Diese Indexlisten sind mit dem Schlagwortregister einer gedruckten Bibliographie vergleichbar und versuchen so die Lücke zwischen den vom Verlag nicht veröffentlichten Bearbeitungskriterien und den vom Benutzer eingegebenen Suchbegriffen zu füllen; d.h., der-Benutzer weiß im ersten Augenblick nicht genau, wie Suchbegriffe in der Datenbank abgelegt und welche Begriffe grundsätzlich recherchierbar sind. Von der allgemeinen Anzeige der ermittelten Trefferzahl gelangt man unkompliziert und schnell über eine Funktionstaste zu der Kurzanzeige in Form einer Liste. An dieser Stelle ist es für den Anwender noch einmal möglich, durch einfaches Markieren der interessantesten Fundstellen die Trefferzahl zu reduzieren. Nach diesem Schritt kann er sich den vollen Dokumenteneintrag ansehen, ausdrucken oder für die weitere Verarbeitung abspeichern lassen.

Die Handhabung und die vielfältigen Recherchemöglichkeiten werden in einem mitgelieferten Benutzerhandbuch dokumentiert und beschrieben. Geliefert bekommt ein neuer Abonnent mit der ersten CD-ROM-Ausgabe die jeweils letzte gültige Fassung und mit jeder vierteljährlichen Lieferung eventuelle Neuerungen und Verbesserungen. Dies führte bei der diesem Bericht zugrunde liegenden 17. Ausg. der LSK zu dem Problem, daß die im Handbuch aufgeführten, komplett ausgewerteten neun Zeitschriften aus dem Beck-Verlag nicht mehr dem aktuellen Stand der Auswertung entsprechen, wie ein Vergleich mit dem Eintrag in der Ausgabe 1993 des CD-ROM-Führers[2] ergab. Dieses sollte bei einem Handbuch nicht passieren, das über allen gewiß wichtigen Neuerungen in der Retrieval-Software nicht die inhaltlichen Änderungen, wie z.B. die bei den zitierten Quellen, vergessen dürfte.

Einsetzbar ist die LSK in allen Bereichen, die Rechtsinformationen vermitteln bzw. ermitteln. Dazu gehören natürlich in erster Linie die Fachleute, die berufsmäßig mit Recht zu tun haben, wie Anwälte und Richter. Grundsätzlich unterscheidet sich der Anwenderkreis natürlich nicht von dem der oben aufgeführten Rechtszeitschriften bzw. der gedruckten NJW-Leitsatzkartei, aber durch die einfache und gleichzeitig komfortable Recherche in der CD-ROM-Ausgabe weitet sich dieser Kreis aus. Für wissenschaftliche Bibliotheken an Universitäten mit einer Rechtsfakultät ist die Ermittlung von Urteilen und Entscheidungen über die entsprechenden Zeitschriften, unabhängig ob gedruckt oder in elektronischer Form (dazu gehören auch Online-Recherchen), selbstverständlich. Interessant ist aber die Frage nach einem möglichen Einsatz der LSK in öffentlichen Bibliotheken, die hier auf Grundlage der Erfahrungen aus der Praxis einer Bibliothekarin und zuständigen Lektorin für Informationsmittel in einer öffentlichen Bibliothek der Zweiten Stufe beantwortet werden soll.

Die Stadtbibliothek Bielefeld hatte 1992 einen Bestand von 689.200 Medieneinheiten und eine Ausleihe von insgesamt 1.434.993 Medien. Schon seit Jahrzehnten sieht sich die Bibliothek als eine Informationseinrichtung für die Bevölkerung und hat dementsprechend ihre Bestandspolitik auch stark auf die Informations- und Auskunftsmedien ausgerichtet. So existiert im Hause ein eigenes Lektorat für den Bereich "Information" mit eigenem Erwerbungsetat und es wurde auch stets Wert auf den Einsatz neuer Informationstechnologien gelegt. So verfügt die Fernleihe der Stadtbibliothek schon seit etlichen Jahren über einen Datex-P-Anschluß und die Informationsabteilung hat seit 1990 im Rahmen des Projekts "Neue Technologien in öffentlichen Bibliotheken Nordrhein-Westfalens" die Möglichkeit, CD-ROM- und BTX-Recherchen mittels eigener PC's durchzuführen. Die Größenordnung der Informationsabteilung in der Zentrale beträgt ca. 12.000 Medieneinheiten, die Bibliographien und andere Nachschlagewerke aus allen Fachgebieten umfassen. Zusätzlich gibt es im Haus zu jedem Fachlektorat auch noch einzelne Handbibliotheken, wobei in diesem Zusammenhang die gut ausgestattete Handbibliothek Recht mit ca. 90 Loseblattausgaben zu nennen ist. Über den Einzelplatzrechner inklusive CD-ROM-Laufwerk in der Informationsabteilung hat der Benutzer der Stadtbibliothek Zugriff auf mittlerweile 18 Datenbanken. Neben der LSK werden aber davon nur drei weitere CD-ROM-Datenbanken zur Fortsetzung bestellt, so daß die meisten CD-ROM-Produkte schon älteren Datums und damit für aktuelle Auskünfte nur noch bedingt interessant sind. Argumente für den regelmäßigen Bezug der LSK waren natürlich zuerst inhaltlicher und sodann technischer Art. Mit der LSK verfügt man über ein hervorragendes annotiertes Register zu mehr als 70 Rechtszeitschriften. Abgesehen davon, daß man als Bibliothek der Zweiten Stufe einige dieser Fundstellen selbst im Bestand hat, ergibt sich in Bielefeld seit wenigen Wochen auch die Möglichkeit, über einen Verbund mit der Universitätsbibliothek Zeitschriftenaufsätze zu bestellen und das wenn möglich innerhalb von 48 Stunden. Eine Titelüberprüfung ergab, daß dadurch alle in der LSK ausgewerteten Zeitschriften für den Benutzer der Stadtbibliothek zugreifbar sind. Aber auch in jeder anderen öffentlichen Bibliothek existiert der normale Service der Fernleihe, so daß auch damit alle recherchierten Fundstellen zu besorgen wären. Bezogen auf den Anwenderkreis sollte man auch nicht nur an externe Benutzer denken: auch die eigene Stadtverwaltung benötigt ständig Rechtsinformationen. Gerade ein solches Angebot würde für eine öffentliche Bibliothek in den heutigen Sparzeiten mit Sicherheit Imagezuwachs und einen dicken Pluspunkt bei den Entscheidungsträgern bewirken.

Die LSK läßt sich aufgrund ihrer Inhalte hervorragend in den traditionellen Grundbestand der Rechtsliteratur, speziell der Auskunftsbestände einbinden.[3] In der Stadtbibliothek Bielefeld kommt noch die Möglichkeit der BTX- bzw. Datex-J-Recherche hinzu. Als sinnvolle Ergänzung zu der LSK kann man auch den Haufe-Urteilsdienst empfehlen, der eine umfangreiche Auswahl an aktuellen höchstrichterlichen Entscheidungen und Urteilen im Leitsatz enthält.[4]

In dieser Kombination von gedruckten und elektronischen Informationsmitteln hat man eine fast lückenlose Quellenerschließung im Fach Recht. Es ist zudem wohl keine Frage mehr, daß die CD-ROM-Technik für den Benutzer hohe Benutzerfreundlichkeit, hohen Recherchekomfort und den vielschichtigsten Zugriff, der inhaltlich überhaupt möglich ist, bedeutet. Dazu zählen die oben beschriebene menügesteuerte Benutzeroberfläche, die Trunkierungsmöglichkeit, die Indexlisten und die unterschiedlichen Suchkriterien. Tauchen einmal Fragen zur Bedienung oder zu den Inhalten einzelner Suchfelder auf, findet man problemlos über das Handbuch oder die Hilfsfunktionen eine Antwort. Erfahrungen in Bielefeld haben gezeigt, daß nach der Schulung gerade der Umgang mit der Retrieval-Software CD-Answer von Dataware den Benutzern relativ leicht fiel, unabhängig davon, ob diese PC-Erfahrungen hatten oder nicht. Lediglich die benutzten Begriffe wie Index, Felder, Schlagwort, Verknüpfung, Leitsatz und ähnliches aus dem dokumentarischen und juristischen Bereich bereiteten den Anwendern öfters Schwierigkeiten. Aber gerade in diesem Punkt liegt die Funktion einer benutzer- und anwenderorientierten Einführung in die LSK.

Nach den inhaltlichen und technischen Vorteilen war ein weiteres Entscheidungskriterium auch der Anschaffungspreis. CD-ROM-Technik bietet Recherchemöglichkeiten wie eine Online-Datenbank mit dem einzigen Nachteil der nicht so hohen Aktualität, die aber wiederum besser ist als bei vergleichbaren gedruckten Verzeichnissen. Da man für das Abonnement einen jährlichen Preis unabhängig vom Recherchevolumen und den ausgedruckten Dokumenten zahlt, hat man für den verfügbaren Gesamtetat eine immer kalkulierbare Ausgabe. Andererseits liegt der Preis der LSK mit 1.000 DM jährlich im Vergleich zu anderen CD-ROM-Datenbanken an der untersten Grenze und man hat über die LSK auch noch indirekten Zugriff auf die wichtigsten Rechtszeitschriften, die sich in diesem Umfang kaum eine öffentliche Bibliothek leisten kann.

Bei aller Euphorie muß man aber auch auf einige Probleme hinweisen, die sich im praktischen Einsatz gezeigt haben. Grundvoraussetzung ist natürlich die Investition eines kompletten PC-Arbeitsplatzes mit Diskettenlaufwerk (möglichst für 3,5- und 5,25-Zoll-Disketten), CD-ROM-Laufwerk und Drucker (möglichst Laserdrucker, da sich der Arbeitsplatz meist im Publikumsbereich befindet). Die nächste wichtige Überlegung gilt dem Standort. Man muß sich über den hohen Betreuungsaufwand bei den Recherchen im klaren sein. Da immer wieder Fragen auftauchen, sollte sich der CD-ROM-Arbeitsplatz in der Nähe von bibliothekarischem Fachpersonal befinden. Dies gilt gerade für öffentliche Bibliotheken, deren Benutzer anders als in wissenschaftlichen Bibliotheken bisher kaum Kontakt mit derartigen elektronischen Informationsmitteln hatten. Auf der anderen Seite ist die Aufstellung einer CD-ROM-Station direkt im Benutzungsbereich wegen der bei den Einführungen und Schulungen entstehenden Unruhe eher von Nachteil. Auch inhaltlich taucht die Frage auf, ob es nicht sinnvoller ist, eine Rechtsdatenbank wie die LSK direkt dem Sachgebiet Recht einer öffentlichen Bibliothek zuzuordnen, mit dem Nachteil einer nicht ständig zur Verfügung stehenden Fachkraft, oder die Recherche in der allgemeinen Informationsabteilung, eventuell sogar in einem separaten Bereich für elektronische Informationsmittel anzubieten. Hier überzeugt das Argument der ständigen Betreuung, während es fachlich zu einer Trennung führt. Diese Entscheidung muß abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten in der Bibliothek getroffen werden. Zu betonen ist, daß die Betreuung - und dazu gehört auch die technische Betreuung wie Installationen, vierteljährliche Updates und ständige Änderungen in der Retrieval-Software - zeitmäßig auf keinen Fall unterschätzt werden sollte. Die Beschaffung der Originalliteratur, die im Leitsatz über die LSK recherchiert wurde, sollte dagegen, betrachtet man die Struktur des deutschen Leihverkehrs, grundsätzlich kein Problem sein.

Aufgrund der praktischen Erfahrungen der Stadtbibliothek Bielefeld ist festzustellen, daß die NJW-Leitsatzkartei als CD-ROM-Datenbank es auch öffentlichen Bibliotheken ermöglicht, in einfacher und benutzerfreundlicher Weise Rechtsquellen nachzuweisen. Ein Bezug der CD-ROM-Datenbank LSK lohnt sich gerade in den Bibliotheken, die schon über einen oder mehrere CD-ROM-Arbeitsplätze verfügen.

Nach der Abfassung dieses Berichts erschien im Dezember 1993 unter geändertem Titel die neueste, in wesentlichen Punkten verbesserte Ausgabe 18, die eine neue Version der Retrieval-Software Answer einsetzt, die folgende zusätzlichen Recherchemöglichkeiten anbietet: Querverweissuche direkt aus dem Text, Markieren von verschiedenen Indexeinträgen und Datensätzen sowie Suchen in mehreren Fenstern. Die Recherche mit der neuen Version erinnert an mittlerweile bekannte WINDOWS-Anwendungen. Mit diesen Neuerungen kommt man schnell zurecht, zumal sie auch zu einem wesentlich verbesserten Suchkomfort führen. Lediglich die Einführung für Benuter wird dadurch komplexer und zeitaufwendiger.

Silke Tychsen


[1]
Mit der 4. Lieferung von Ed. 18 hat sich der Titel wie folgt geändert:
Leitsatz-Kartei des deutschen Rechts : LSK ; CD-ROM / zsgest. von der Redaktion der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW). - München [u.a.] : Beck. - ISSN 0936-5656. [1930]
Ed. 18. 1985/93 (1993). - 1 CD-ROM + Handbuch. - DM 598.00 + DM 998.00 (Abonnement 1994 für 4 Ausg.) (zurück)
[2]
Neue Juristische Wochenschrift (NJW), NJW-Rechtssprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift (DtZ), Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), NVwZ-Rechtssprechungs-Report (NVwZ-RR), Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (NZA), Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Medizinrecht (MedR), Recht der Arbeit (RdA), Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV). (zurück)
[3]
Es handelt sich dabei um die im Verlag Rossipaul erschienene Taschenbuchausgabe des Handbuchs lieferbarer CD-ROMs. - Vgl. IFB 93-1/2-017 - 018. (zurück)
[4]
Zu nennen seien hier insbesondere: Rechtswörterbuch / begr. v. C. Creifelds. - 11. neubearb. Aufl. - München, 1992. - Deutsches Rechtsbuch / H. Reinfried ; R. Langels ; G. Bartsch. - 3. überarb. Aufl. - Regensburg, 1992. - Staatsbürger-Taschenbuch / O. Model ; C. Creifelds ; G. Lichtenberger. - 26. neubearb. Aufl. - München, 1992. - Bundesgesetzblatt. Teil 1 und Teil 2 / Hrsg.: Der Bundesminister der Justiz. - Bonn [u.a.] (zurück)

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