Für die verzweifelten Opfer des nationalsozialistischen Terrors war
die Stadt daher auch keineswegs bevorzugtes Ausreiseziel, sondern
- nach der Weigerung der westlichen Staaten, ihre Einwanderungsquoten
zu erhöhen - einer der letzten überhaupt möglichen Zufluchtsorte. Das
Gros der Flüchtlinge kam nach der deutschen Besetzung Österreichs und
der Reichspogromnacht 1938/39 nach Shanghai, das seinerzeit einen
internationalen Status besaß und noch ohne Visum erreicht werden
konnte. Shanghai wurde zu Recht immer als "Exil der kleinen Leute"
bezeichnet. Prominente retteten sich kaum dorthin, noch seltener
blieben sie länger vor Ort. Wohl auch aus diesem Grund wurde die
ostchinesische Metropole in der Exilforschung lange nur wenig
beachtet.
Den Grundstock des vorliegenden Sammelbandes bilden Beiträge zu einem
im August 1997 durchgeführten Symposium anläßlich des fünfzigsten
Jahrestages der Rückkehr von 295 Shanghai-Flüchtlingen nach
Deutschland.[2] Die sechzehn deutsch- oder englischsprachigen Aufsätze
informieren über die Beziehungen zwischen den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen und über das kulturelle Leben im Shanghaier Exil
oder geben z.B. näheren Aufschluß über die soziale Zusammensetzung der
insgesamt rund 18.000 jüdischen Flüchtlinge aus Mitteleuropa.
Nachschlagewerkcharakter erhält die Veröffentlichung durch eine
beiliegende CD-ROM mit vier kommentierten historischen Dokumenten,
darunter die Erstveröffentlichung von 14.800 Einträgen der
Ausländerliste der japanischen Fremdenpolizei vom August 1944. Neben
manch instruktivem Aufsatz repräsentieren gerade diese wichtigen Daten
den unbestreitbaren Wert der Publikation für die Familien- und
Exilforschung.
Achim Bonte
- [1]
- Vgl. z.B. Schanghai / Sergej Alymow. - Berlin : Büchergilde
Gutenberg, 1932. - Chicago - Shanghai : Gangster in besonderer
Verwendung / Jack Bilbo. - Berlin : Universitas, 1932.
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- [2]
- Zum gleichen Anlaß vgl. Leben im Wartesaal : Exil in Shanghai 1938
- 1947 ; Ausstellung des Jüdischen Museums im Stadtmuseum ; 4. Juli
bis 24. August 1997 / von Georg Armbrüster ... - Berlin : Stiftung
Stadtmuseum, 1997.
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