Die vorliegende Besprechung greift die beiden ähnlich konzipierten
pädagogischen Lexika von Böhm sowie von Schaub/Zenke heraus,
charakterisiert sie zunächst einzeln um sie im Anschluß daran
vergleichend vorzustellen.[5]
Das von Winfried Böhm[6] herausgegebene und jetzt in 15. Aufl.
erscheinende Wörterbuch der Pädagogik (WdP) erhebt den Anspruch, "alle
Gebiete und Dimensionen der pädagogischen Fachsprache, ihre Grund- und
ihre Randbegriffe" (Vorwort) einzuschließen. Dabei geht es dem
Herausgeber nicht um eine gleichgültige Aneinanderreihung von
Informationen, sondern um "qualitative Auswahl, klare Ordnung und
zuverlässige Orientierung" (ebd.). In rund 2500 Artikeln werden, so
der Klappentext, pädagogische Grundbegriffe, Richtungen und
Disziplinen der Erziehungswissenschaft, Tätigkeitsbereiche und
Aufgabenfelder der Erziehung sowie didaktische und methodische Fragen
der Unterrichtsfächer dargestellt. Weitere Artikel behandeln Leben und
Wirken "pädagogischer Persönlichkeiten" sowie das Bildungswesen der
deutschen Bundesländer und ausgewählter Staaten.
An den lexikalischen Teil schließt sich im Anhang ein
Literaturverzeichnis an. Zwei[7] Vorwörter erklären Konzeption und
Auswahlprinzipien und benennen die jeweiligen Helfer und Mitarbeiter.
Durch Verweispfeile wird auf weiterführende Artikel hingewiesen. Bei
manchen Stichwörtern finden sich Herkunftsangaben: "Paradigma (von
griech. paradeigma = Beispiel)". Das Lexikon hat die herkömmliche
Rechtschreibung beibehalten.
Horst Schaub[8] und Karl G. Zenke[9] legen in der 4. Aufl. das Wörterbuch
Pädagogik (WB) vor, das in der 1. Aufl. 1995 noch unter dem Titel
Wörterbuch zur Pädagogik erschienen war. Das Lexikon soll eine
Orientierungshilfe in der "heute sehr weitläufigen Bildungslandschaft
und deren wissenschaftlicher Bearbeitung" (Vorwort) sein. Dazu will es
in etwa 1800 Artikeln "schnell und gründlich über Fachbegriffe der
Pädagogik, über Erziehungs- und Bildungseinrichtungen vom Kindergarten
bis zu den Hochschulen, über Rechte und Pflichten von Kindern,
Jugendlichen, Eltern und professionellen Pädagogen, über Ziele,
Konzepte und Arbeitsweisen in der pädagogischen Praxis und in
bildungspolitischen Institutionen" (ebd.) informieren.
Länderspezifische Bildungssysteme werden durch Strukturskizzen
vorgestellt. Ein Anhang enthält biographische Notizen zu ausgewählten
Pädagogen. Ein gegliedertes Literaturverzeichnis, pädagogisch
relevante Internet-Adressen sowie ein Anschriftenverzeichnis folgen.
Kursiv gesetzte Verweisungsstichwörter führen zu Synonymen oder zu
ergänzenden Informationen. Neben Herkunftsangaben - "Paradigma
(griech. paradeigma Muster, Vorbild") - wird einer großen Zahl von
Begriffen eine englische Übersetzung beigegeben, beispielsweise:
"Bildungsforschung (engl. research in educational systems and
processes)". Das Lexikon verwendet die reformierte Rechtschreibung.
Beide Lexika sind überarbeitete Neuauflagen. Vergleicht man das WdP
mit der vorangegangenen Auflage, so fällt zunächst die veränderte
Aufmachung auf. War die Vorgängerauflage noch ein Band in der Reihe
von Kröners Taschenausgaben, so erschient die aktuelle Auflage
außerhalb der Reihe[10] und in größerem Format. Neue Begriffe wie bspw.
Anarchie, Konstruktivismus, Schulautonomie u.a. sowie viele neue
Personenartikel, insbesondere Erziehungswissenschaftler aus der
ehemaligen DDR wurden aufgenommen. Auch das WP wurde "wesentlich" (S.
7) erweitert.[11] Es enthält nun rund 300 Begriffe mehr als die 1. Aufl.
von 1995. Das Taschenbuchformat wurde dennoch beibehalten. Somit hält
der Leser eine recht voluminöse, kartonierte Taschenbuchausgabe in
Händen. Lt. Vorwort finden sich neue Artikel in den Bereichen
Schulpädagogik, Kindheitsforschung, Wissenschaftslehre und zum
Internet.
Bei der Auswahl der Artikel fallen unterschiedliche Schwerpunkte auf.
Das WdP enthält, neben den 'klassisch' erziehungswissenschaftlichen
Bereichen auch eigene Artikel zu einzelnen Schulfächern. Stark
vertreten sind Artikel zu Pädagogik und Pädagogen der romanischen
Länder (von der Agazzi-Methode bis zu Henri Wallon). Einen weiteren
Schwerpunkt bilden Beiträge, die Gegenstände pädagogischer Relevanz
aus dem christlichen Bereich thematisieren oder die sich dem
Überschneidungsfeld Kirche - Schule zuordnen lassen (neben einer
Vielzahl von Personenartikeln Artikel wie Bremer Klausel, Christliche
Erziehung, Codex Iuris Canonici, Jesuiten-Orden, Katechetik,
paedagogia perennis, Pietismus, vocatio u.v.a.).
Im Gegensatz zum WdP finden im WP Themen, die im Bereich
Schulpädagogik/Didaktik (bzw. neueren Entwicklungen in diesem Gebiet)
angesiedelt sind stärkere Beachtung. Hier sind zum Beispiel Artikel
wie Freiarbeit, Lernwerkstätten oder Wochenplan enthalten, die im WdP
fehlen. Auch der Berufsbildungsbereich und das berufliche Schulwesen
sind im WP stärker vertreten.
Im WP fallen ferner die ganzseitigen, übersichtlich gestalteten
Strukturskizzen zu den Bildungssystemen der deutschen Bundesländer,
den meisten[12] europäischen und ausgewählten außereuropäischen Staaten
ins Auge. Als Besonderheit enthält das LP im lexikalischen Teil auch
Eintragungen zu einer Vielzahl fachgebietsspezifischer Abkürzungen
(von ABB bis ZVS).
Beide Lexika führen für manche Artikel belegende oder weiterführende
Literatur auf. Im WdP finden sich bei einer Vielzahl von Begriffen
direkt im Anschluß an den Artikel im Kleindruck Literaturangaben.
Diese sind chronologisch geordnet, aktuell[13] (aufgeführt sind
Veröffentlichungen bis 1999) und umfangreich (bei Josef Derbolav bspw.
18 Zeilen Schriften und 7 Zeilen Literatur). Anders die Art der
Literaturangaben im WP. Unter vielen Artikeln wird mittels einer Sigle
auf den entsprechenden Abschnitt des im Anhang beigegebenen
Literaturverzeichnisses verwiesen. Diese Art der Verweisung ist
umständlicher (es muß erst geblättert und der entsprechende Abschnitt
- manchmal mehrere - gefunden werden) und weniger präzise (es wird
immer auf eine ganze Gruppe von Titeln verwiesen) als im WdP. Die
aufgeführten Titel zeichnen sich auch hier durch große Aktualität aus
und enthalten sogar Voranzeigen.[14] Die beigefügten
Literaturverzeichnisse beider Lexika unterscheiden sich grundlegend.
Zusätzlich zu den Literaturangaben unter den Artikeln enthält das WdP
einen Anhang Literatur zum Studium der Pädagogik mit folgender
Gliederung: 1. Bibliographien (einschl. Online-Datenbanken aus dem
Bereich Pädagogik); 2. Lexika, Wörter- und Handbücher; 3.
Zeitschriften und Jahrbücher;[15] 4. Einführungen in die Pädagogik; 5.
Geschichte der Pädagogik (differenziert in: Gesamtdarstellungen,
Darstellungen einzelner Epochen, Quellenreihen); 6. Pädagogische
Hauptwerke (über 80 Titel - von Platons Menon bis L'assoluto
pedagogico[16] von Raffaele Laporta aus dem Jahr 1996.[17] Die Auswahl
reicht bis ins Jahr 2000 und ist durchweg international orientiert
(englische, französische, italienische und spanische Buch- und auch
Zeitschriftentitel) und insbesondere für historisch interessierte
Leserinnen und Leser eine Fundgrube.
Das WP gliedert den Literaturanhang in neun Hauptkapitel: 1.
Nachschlagewerke, Einführungen, Arbeitshilfen, Grundlagen
(einschließlich Bibliographien und Zeitschriftenverzeichnisse); 2.
Allgemeine Pädagogik; 3. Schulpädagogik; 4.
Sonderpädagogik/Integrationspädagogik; 5.
Sozialpädagogik/Sozialarbeit; 6. Berufs- und Wirtschaftspädagogik; 7.
Erwachsenenpädagogik/Altenbildung; 8. Spezielle pädagogische
Aufgabenfelder; 9. Bezugswissenschaften. Diese Hauptkapitel enthalten
jeweils Unterkapitel. Schon diese bloße Auflistung zeigt die anderen
Gewichte im Vergleich zum WdP. So gliedert sich beispielsweise das
Kapitel Schulpädagogik in 15 Rubriken (10 Titel zu Theorien und
Konzepte zur Schulentwicklung,[18] 15 Titel zu Schulkonzepte und
Reformschulen, 24 Titel zur Didaktik ...); Berufs- und
Wirtschaftspädagogik kommen zur Sprache und die aufgeführten
"Spezielle(n) pädagogische(n) Aufgabenfelder" reichen von der
Gesundheitserziehung über die Politische Bildung bis zur
Spielpädagogik. Hilfreich ist das den Literaturangaben vorangestellte
Inhaltsverzeichnis. Die pädagogische Welt außerhalb des deutschen
Sprachraums kommt, von wenigen Ausnahmen abgesehen,[19] kaum zur
Sprache.
Beispiellos im Hinblick auf Anzahl und Umfang sind die Personenartikel
im WdP. Durch rund 500 Artikel (ca. ein Fünftel der Gesamtzahl) werden
"Leben und Denken der bedeutendsten pädagogischen Persönlichkeiten aus
Geschichte und Gegenwart" (Klappentext) präsentiert. In den Artikeln
werden Lebens- und Berufsdaten sowie Arbeitsgebiete genannt. Oft
schließt sich eine Einordnung des Werkes in die pädagogische
Landschaft bzw. eine Einschätzung seiner Relevanz an. Allen
Personenartikeln ist Literatur beigegeben, unterschieden nach
Schriften und Literatur.[20]
Das WP stellt dagegen nur rund 250 Personen in eigenen Artikeln vor.
In einem Anhang finden sich kurze biographische Notizen zu Pädagogen,
die "in der Fachliteratur häufiger genannt werden" (Vorwort). Auf das
Geburts- und gegebenenfalls Sterbejahr folgen pädagogische Funktion
(oder Art des pädagogischen Wirkens), Arbeitsgebiet und in der Regel
aktueller bzw. letzter Wirkungsort. Literatur von den oder über die
Besprochenen fehlt.[21]
Bei der Auswahl der Pädagogen fällt auf, daß das WP im Vergleich zum
WdP[22] im Verhältnis mehr lebende und mehr deutsche Pädagogen
aufgenommen hat. So erhält man beispielsweise im Buchstabenbereich A
- C[23] nur im WP Informationen über Frank Achtenhagen, Rolf Arnold,
Jürgen
Baumert, Johannes Beck, Lothar Beinke, Christa Berg und Hans Bertram,
während das WdP im selben Buchstabenabschnitt exklusiv über Kurt
Aurin, Günther Böhme und Wilhelm Brinkmann informiert. Einen
deutlichen Akzent setzt das WdP dagegen bei Pädagogen des
internationalen, insbesondere romanischen Bereichs sowie bei Personen
der Historie mit pädagogischer Relevanz.[24]
"Ein Nachschlagewerk bewertet man am besten nach seinen Vorzügen und
nach dem, was man nicht in anderen Werken findet oder dort jedenfalls
nicht so schnell findet" (Albert Raffelt).[25] - Nimmt man diese
Kriterien zum Vergleichsmaßstab bei der zusammenfassenden Bewertung
des WdP und des WP, so ist festzustellen: Wer sich für die historische
Dimension und Bedingtheit der Pädagogik interessiert, wird wohl eher
zum WdP greifen; wessen Interessenschwerpunkt im Bereich der
Schulpädagogik und Didaktik liegt, zum WP. Der an den philosophischen
Grundlagen der Pädagogik interessierte Leser wird besser vom WdP
bedient, wer sich über Fragen der berufliche Bildung kundig machen
will, erhält ein breiteres Angebot beim WP. Wer ein international
ausgerichtetes pädagogisches Nachschlagewerk sucht (sowohl inhaltlich
als auch im Bereich der weiterführenden Literatur), muß das WdP zu
Rate ziehen, wer sich schwerpunktmäßig über den deutschen Bereich
informieren will, wird eher zum WP greifen. Ist einem Leser an
ausführlichen Personenartikeln gelegen, so kommt er beim WdP auf seine
Kosten, legt er Wert auf übersichtliche Strukturskizzen zu einzelnen
Bildungssystemen, so ist er mit dem WP bestens bedient. Legt ein Leser
Wert auf präzise weiterführende Literaturangaben zu einzelnen
Artikeln, so ist ihm das WdP anzuraten, sucht er aktuelle
Literaturzusammenstellungen zu Teilgebieten der
Erziehungswissenschaft, so sollte er einen Blick in das gegliederte
Literaturverzeichnis des WP werfen. Hält er gerne ein gebundenes Werk
in Händen, so wird es das WdP sein, will oder muß er auf den
Anschaffungspreis achten, dann wird er zum kartonierten WP greifen.
Sowohl das WdP als auch das WP zeigen deutliche Schwerpunkte - und
dementsprechend schwächer besetzte Felder in anderen Bereichen. Beide
Lexika können daher als gelungene und empfehlenswerte Teil-Bilanzen
pädagogischen Wissens gesehen werden; die lexikalische Quadratur des
Kreises - allen Ansprüchen hinsichtlich Aufmachung, Auswahl und Art
der Darstellung gerecht zu werden - können indes beide nicht leisten.
Rafael Frick
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