Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 2
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Lexikon zur deutschen Musik-Kultur


01-2-362
Lexikon zur deutschen Musik-Kultur : Böhmen, Mähren, Sudetenschlesien / Sudetendeutsches Musikinstitut (Hrsg.). [Projektleitung: Widmar Hader]. - München : Langen-Müller. - 25 cm. - ISBN 3-7844-2799-5 : DM 248.00
[6190]
Bd. 1. A - L. - 2000. - 859 S. : Ill.
Bd. 2. M - Z mit Registern zu Orten und Personen. - 2000. - S. 860 - 1830 : Ill.

Wie das Schlesische Musiklexikon (IFB 01-2-363) geht auch das Lexikon zur deutschen Musikkultur[1] auf eine private, hier von Widmar Hader seit den sechziger Jahren zusammengetragene Materialsammlung zurück. Geplant war zunächst ein Ostdeutsches Musiklexikon bzw. ein Lexikon der deutschen Musik im östlichen Europa in vier Teilen: 1. Schlesien; 2. Böhmen, Mähren, Sudetenschlesien; 3. Nordostdeutscher Bereich; 4. Südostdeutscher Bereich, dessen Teile 1, 3 und 4 in die Zuständigkeit des Instituts für Ostdeutsche Musik, später Institut für Deutsche Musik im Östlichen Europa, Teil 2 in die des Sudetendeutschen Musikinstituts fielen. Als die Förderung durch den Bund und das Land Bayern eingestellt wurde, mußte das Gesamtprojekt 1998 aufgegeben werden und das Sudetendeutsche Musikinstitut in Regensburg übernahm allein die Bearbeitung des ursprünglichen zweiten Teils.

Die tschechischen Musikwissenschaftler hatten bereits 1997 das Slovník ceské hudební kultury[2] mit eher 'böhmischem' als 'tschechischem' Inhalt vorgelegt, und "beide Lexika ... verstehen sich in einem übergeordnet 'böhmischen' Sinne als komplementär" (S. 17) und beim vorliegenden Lexikon wurde trotz "einer 'Herausreklamierung des Eigenen', dennoch ... die Selektion der deutschen Phänomene aus dem Inbegriff musikalischer Realien der böhmischen Länder so empfindsam und mit vorbildlicher Rücksicht auf die tschechischen, jüdischen und sogar österreichischen Aspekte der gesamten Problematik durchgeführt, daß mit diesem Werk eine neue kognitive Qualität erreicht wurde" (S. 23).

Das Lexikon widmet sich der Musik der genannten Gebiete ohne zeitliche Begrenzung und bezieht auch Personen ein, wie z.B. Beethoven, bei denen man nicht unbedingt einen Bezug vermutet hätte, sowie dort geborene, aber anderswo wirkende und lebende Personen samt ihren Nachkommen, die praktisch keinen Bezug mehr zu diesen Gebieten haben wie z.B. die Familien Abert und Wünsch.

Die Artikel ähneln nach Art und Aufbau denen des Schlesischen Musiklexikons. Sie sind alle mit den Namen der 137 Autoren (aus Deutschland, Österreich, der Tschechischen Republik, den USA und Israel) gezeichnet und, da sie über einen längeren Zeitraum (1993 - 1999) entstanden, mit dem Ablieferungsjahr an die Redaktion versehen. Am zahlreichsten sind Personenartikel (Komponisten, Musiker, Musiktheoretiker, Instrumentenbauer); mit deutlichem Abstand folgen die Sachartikel, darunter u.a. Ortsartikel zu allen musikalisch bedeutenden Städten und Landschaften, Artikel zu musikalischen Gattungen und Epochen sowie zum Instrumentenbau. Lange Artikel sind sachlich untergliedert (und dann ggf. mit den Namen verschiedener Beiträger gezeichnet) mit einer Übersicht über die Gliederung am Anfang. Die umfangreichen, auf den neuesten Stand gebrachten Literaturangaben gliedern sich in Quellen, Werke, Schriften, Ausgaben, Literatur bei den Personen- bzw. in Quellen und Literatur bei den Sachartikeln und stehen ggf. direkt hinter dem betreffenden Abschnitt. Die Anlage der Werkverzeichnisse war dem jeweiligen Autor überlassen und aufgrund des unterschiedlichen Forschungsstandes schwankt sie zwischen meist systematischer oder auch chronologischer Anlage bzw. pauschalen Hinweisen; Literaturangaben sind chronologisch aufgeführt. Ganz gelegentlich und keineswegs konsequent durchgeführt findet man - wie im Schlesischen Musiklexikon - bei Orts- und Sachartikeln Anhänge mit Namenlisten, so z.B. bei Aussig, Sinfonik, Warnsdorf, Zwanzigstes Jahrhundert, doch sind diese Namen im Gegensatz zum Schlesischen Musiklexikon nicht ins Register aufgenommen. Beim Artikel Kammermusik (mit den Musikeremigranten in Wien) ist übrigens ausnahmsweise eine Auswahl an Tonträgern aufgeführt mit knappsten Angaben (meist Tonträgerfirma und Label). Der Artikel Bohemica gibt einen guten Überblick über die Quellen sudetendeutscher Musik in Archiven und Bibliotheken, nützliche Übersichten bieten außerdem Artikel wie Musikpublizistik I (über Zeitschriften mit musikpubliz. Anteil für das 20. Jh.) Musiktheater/Oper (über Deutschsprachige Opern-Uraufführungen auf böhmischen, mährischen und sudetenschlesischen Bühnen bis 1932), Musikverlage (Verleger und Drucker).

Das Lexikon kommt ohne Verweisungen aus, dafür sind die dreispaltigen Register sehr umfangreich: 1. das Ortsregister (S. 1611 - 1647) enthält neben den Ansetzungsformen "in der vor 1910 bzw. vor 1938 gültigen deutschen Schreibweise" (S. 37 und 1611) der Orte auch die tschechischen Namensformen, von denen im Hauptteil i.d.R. nicht verwiesen wird; 2. das Namenregister verweist auf die Seiten und nennt zusätzlich die Geburts- und Sterbejahre und -orte.

Das Fehlen von Kolumnentiteln erschwert die Benutzung insbesondere bei mehrseitigen Artikeln.

Dem herausgebenden Sudetendeutschen Musikinstitut gebührt unsere Anerkennung dafür, daß es - vergleichbar dem Pendant für Schlesien und aus dessen Rezension zitiert - "dieses Lexikon aus der Konkursmasse der politisch nicht mehr opportunen Förderung der Kultur der Vertriebenen gerettet" hat. Beide Lexika gehören in alle Bibliotheken mit Musikbeständen.

Martina Rommel


[1]
Ob Herausgeber oder Verlag für die unglückliche Titelfassung verantwortlich sind? Warum konnte man das Werk nicht zutreffend mit Lexikon zur deutschen Musik-Kultur in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien betiteln? Oder noch einfacher, wie ursprünglich (s.u.) geplant, Sudetendeutsches Musiklexikon? (zurück)
[2]
Slovník ceské hudební kultury / [red. Jiri Fukac ...]. - 1. vyd. - Praha : Ed. Supraphon, 1997. - 1035 S. - Übers. des Hauptsachtitels: Wörterbuch der tschechischen Musikkultur. - ISBN 80-7058-462-9 : DM 160.00 (Kubon & Sagner, München). (zurück)

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