Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
[ Bestand in K10plus ]
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Menschen in Berlin


01-1-155
Menschen in Berlin : das letzte Telefonbuch der alten Reichshauptstadt 1941 / Hartmut Jäckel. - Stuttgart ; München : Deutsche Verlags-Anstalt, 2000. - 400 S. ; 22 cm. - ISBN 3-421-05421-5 : DM 49.80
[5100]

Der Band enthält zahlreiche biographische Essays oder Skizzen, die Namen sind anhand des Berliner Telephonbuchs von 1941 herausgesucht, in alphabetische Ordnung gebracht, aber von bunter Mischung: Militärs, Diplomaten, Politiker, Journalisten, Literaten, Mediziner, Künstler, Juristen, Theologen, Widerständler, Mitläufer und Vertreter des Regimes und, und ... Die Personen werden jeweils auf ein bis zwei Seiten mit Geburtsdatum, Herkunft, Ausbildung, Tätigkeiten und Kriegs/-Nachkriegsgeschichte bis hin zu den Todesdaten vorgestellt, ohne daß dies nach einem starren Schema geschieht. Vielmehr präsentiert der Autor - ein Bruder des bekannten Historikers der nationalsozialistischen Zeit Eberhard Jäckel und selbst Historiker - die Biographien erzählend, abwägend, einordnend in die Zeitläufte, wobei er sich durchaus einmal Seiten- und Rückblicke gestattet.

Etliche der kleinen biographischen Studien sind vor der Veröffentlichung als Monographie bereits im Feuilleton mehrerer Blätter erschienen, hier sind sie gesammelt und mit einer fast dreißigseitigen Einführung sowie mit Literaturverzeichnis und einem Personenregister veröffentlicht. Natürlich bedingt, wie der Autor im Vorwort ausführt, die Auswahl nach Einträgen im Telephonbuch eine Auslese, die vor allem die Oberschicht erfaßt, da damals viel weniger Telephonanschlüsse bestanden als heute. Deshalb sind hier Personen des Widerstandes des 21. Juni, eben der Widerstand aus dem konservativen Lager, breit behandelt, während Personen aus dem proletarischen Milieu nolens volens nicht berücksichtigt wurden. Aber auch so hat der Autor weiter ausgewählt, Personen, die dem Nationalsozialismus angehören, sind aus gutem Grund unterrepräsentiert, da biographisch bereits breit erschlossen, während - nach dem Eindruck des Rezensenten - Militärs und Widerstand überrepräsentiert sind. Aber es geht ja gar nicht um Repräsentation, um getreue Abbildung der damaligen Gesellschaft, es geht dem Autor vielmehr um Handeln in der damaligen Zeit und auch um den Alltag, es geht ihm ferner um Erzählung und damit um Darstellung von Vielfalt und um Abwägen von Mehrdeutigkeiten. Man kann das Buch als eine Reihe von Erzählungen aus der damaligen Zeit lesen, viele einzelne Fäden, die zusammen ein gewebtes Bild vermitteln, welches dank der Lebensläufe sehr authentisch wirkt. Und man kann es - aufgrund der alphabetischen Ordnung und dank des Personenregisters am Schluß - auch als Nachschlagewerk verwenden. Ein vielseitiges Buch, an dem nur wenig zu kritisieren ist,[1] dem man wünscht, daß es nicht nur im Informations-, sondern auch im Ausleihbestand von wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken einen Platz findet.

Jürgen Plieninger


[1]
Es ist kaum der Rede wert, daß einige Zitate nicht im Literaturverzeichnis nachgewiesen sind. (zurück)

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