Den Beiträgern war kein inhaltliches Schema vorgegeben, einer weicht sogar ganz von der Form des Essays ab und gestaltet seinen Beitrag als Interview. Die Beiträge werden jeweils durch ein Großportrait und einer Bilderkollage eingeleitet, worauf eine kurze chronologische Vita folgt und sodann der Text, durch Bilder ergänzt. Knappe Literaturangaben runden die Beiträge ab.
Alle Beiträge behandeln eingangs den biographischen Hintergund und die Zeit als Politiker vor dem Amt, so daß die politischen Einstellungen des Porträtierten aus dem Lebenslauf heraus nachvollziehbar werden. Der Schwerpunkt jedoch liegt auf der Amtszeit, auf den politischen Entwicklungen, Herausforderungen, Maßnahmen etc. Hier stehen die Beziehungen zu anderen Politikern (Parteigenossen, Koalitionspartnern, Oppositionsvertretern) im Vordergrund, erst in zweiter Linie wird das Handeln in verschiedenen Politikbereichen dargestellt.
Am "rundesten" sind die Essays über die ersten vier Kanzler - Adenauer, Erhardt, Kiesinger, Brandt -, da hier genügend Abstand vorhanden ist und eine gefestigte öffentliche bzw. geschichtliche Wertung vorliegt. Natürlich wird auch versucht, die Personen gegen manche verbreiteten Wertungen in Schutz zu nehmen, so z.B. im Falle Kiesingers in Bezug auf den oft kolportierten Sachverhalt, er habe besser reden als arbeiten können. Prompt wird dann aber dieses Vorurteil im Interview von Helmut Schmidt erneut erwähnt.
Der Erschließung dient ein Personenregister (12 S.), das ausreichend und zuverlässig ist.
Alles in allem bietet der Band eine andere als die sonst gewohnte Sicht auf die Politik der Bundeskanzler. Es ist schwer zu sagen, worin der Unterschied beispielsweise zu wissenschaftlichen Biographien besteht, da die Beiträge durchaus ausgewogen sind. Die Ausgewogenheit erinnert aber in ihrem staatstragenden Duktus an den "Internationalen Frühschoppen". Zum ersten oder gar einzigen Zugang zu einer der hier behandelten Personen sollte das Buch nicht gewählt werden, als wertvolle Ergänzung der Perspektive aber taugt es allemal.
Jürgen Plieninger