Diesem allgemeinen inhaltlichen und methodischen Ansatz wird die neue
Maler-Müller-Bibliographie gerecht, zumal sie sich auf die
Bibliographie von Friedrich Meyer[2] stützen kann, die neben O. Mallons
Arnim- und Brentano-Bibliographien (1925 bzw. 1926) zu den
Gründungskonstanten der neueren germanistischen Personalbibliographie
zählt. Insofern war es selbstverständlich, daß eine verläßliche und
gut annotierte bibliographische Beschreibung der Erstdrucke im Teil A.
Werke angestrebt wurde, die bis zur Auswertung von Antiquariats- und
Auktionskatalogen geht.
Die neue Bibliographie läßt mit ihren über 1500 bibliographischen
Nachweisen von den Anfängen bis zum Erscheinungsjahr 1999 hinsichtlich
der Erfassung nur wenige Wünsche offen, wie zahlreiche Vergleiche u.a.
mit der Weimarer Internationalen Bibliographie zur deutschen Klassik
ergaben.[3] Viel Wert wird auch im Teil B. Literatur über Maler Müller
auf die analytische Erschließung der Publikationsinhalte gelegt; oft
sind die verzeichneten Veröffentlichungen neben solchen
Inhaltsübersichten mit weiteren, typographisch übersichtlich
abgesetzten sachkundigen Inhaltsannotationen versehen.[4] Die Namen und
Sachtitel sind akribisch korrekt verzeichnet.[5]
Indem Paulus/Faul die Bibliographie von Meyer nach fast einem
Jahrhundert aufarbeiten und weiterführen, müssen sie sich jedoch der
Frage stellen, in welchem Maße sie den methodischen Fortschritten der
neueren germanistischen Personalbibliographie gerecht werden. Und in
dieser Hinsicht sind z.T. erhebliche Bedenken anzumelden. Erneut
erweist sich, daß literaturwissenschaftliche Kompetenz ohne die
Beschäftigung mit bibliographischen Fragen bzw. ohne die Kooperation
mit einem erfahrenen Bibliographen nicht zum erforderlichen Niveau
führt.
Die Probleme beginnen mit der sinnvollen Konzentration auf das
inhaltlich Relevante. Der präsentierte Datenpool enthält viel
Redundantes und Nebensächliches. Ist die minutiöse Verzeichnung der
kleinsten Erwähnungen Müllers und seiner Erstpublikationen bis 1825
aus biographisch-wirkungsgeschichtlicher und editorischer Sicht noch
durchaus akzeptabel, so werden viele Sachgruppen mit bedeutungslosen
Erwähnungen und für die Müller-Forschung unwesentlichen
Veröffentlichungen nach 1825 zugeschüttet, die dem Nutzer wachsenden
Unmut bereiten. Das betrifft extrem die Gruppe B II.2 Darstellungen,
Studien, kleinere Beiträge ... zum Gesamtwerk, S. 135 - 180). Wozu
werden allgemeine Literaturgeschichten des 19. und 20. Jahrhunderts
(Nr. 447, 460, 488, 500, 556, 660, 667, 676, 691, 725, 758, 759 usw.)
oder allgemeine Darstellungen zum Sturm und Drang (480, 588, 614
u.a.), Monographien oder Aufsätze zu anderen zeitgenössischen Autoren
(483, 489, 509, 577, 622, 735, 807, 813 usw.) oder zu einzelnen Themen
(547, 690, 788 u.a.) hier verzeichnet, ohne daß sie einen
nennenswerten zusammenhängenden Part zu Maler Müller enthalten? Die
erforderliche und auch methodisch differenzierte effiziente
Arbeitsteilung zwischen allgemeiner retrospektiver Fachbibliographie,
Epochenbibliographie und Personalbibliographie scheint den Bearbeitern
unbekannt zu sein. Hinzu kommt, daß die Maler-Müller-Bezüge pauschal
mit Seitenzahlen, nicht mit inhaltlichen Hinweisen angegeben werden,
was auch zu falschen Einordnungen führen kann: Nr. 1109 gehört
eigentlich zur Gruppe B III.3.b Faust, denn das angegebene Kapitel
heißt "Der Monolog in Maler Müllers ,Faust'". Ein nur numerischer
Nachweis auf H. 3/1817 von Goethes Zeitschrift Ueber Kunst und
Alterthum (Nr. 404) geht ins Leere, was in diesem Fall besonders zu
bedauern ist, da es hier um Goethes hohe Anerkennung für Müllers
Leonardo-Aufsatz geht, mit der Goethe seine frühere Abneigung
gegenüber Müller revidiert.
Die Sachgruppengliederung der Bibliographie ist insgesamt durchdacht
und dem Autor adäquat bis hin zur Berücksichtigung der Literatur über
Müller als bildenden Künstler. In der Präsentation und Zuordnung der
verzeichneten Publikationen zeigen sich jedoch erhebliche Mängel. Kann
man die an sich rein formale Zweiteilung vieler Gruppen in
Buchveröffentlichungen und Darstellungen, Studien, kleinere Beiträge
... vielleicht noch rechtfertigen, so stört doch, daß der Inhalt
komplexer Publikationen (Textausgaben und -anthologien, Sammelbände
u.ä.) oft auf mehrere Gruppen verteilt wird, ohne daß er an einer
Stelle vollständig nachgewiesen wird. So z.B. bei Nr. 1 (S. 1 - 2 und
22 - 24), 17 (S. 17 und 20), 138 (S. 20 und 56) usw. (Das gelungene
Gegenbeispiel dagegen bei Nr. 331, S. 5 - 8). Der Nutzer wird nolens
volens zum Puzzle-Spieler; die an sich gründliche und zuverlässige
Inhaltsannotierung solcher Veröffentlichungen verliert dabei an Wert.
Und das hierbei angewandte Verweisungssystem verwirrt mehr als es
nützt, weil die an anderer Stelle wiederholten laufenden Nummern den
normalen Numerus currens unterbrechen, den man dadurch oft nur mit
Mühe erkennen kann (extrem: S. 57, 58, 73 u.a. nur mit hüpfenden
Verweisungsnummern; S. 66 sieben hüpfende Nummern bei neun Titeln
usw.). In der Gruppe B II.3 Zeitgenössische Zeugnisse (S. 181 - 198)
wird das Material insofern unnötig zersplittert als beispielsweise die
relevanten Bände der Weimarer Goethe-(Sophien-)Ausgabe oder die des
Wielandschen Briefwechsels einzeln verzeichnet werden, der
Zusammenhang damit zerstört wird (Nr. 879 - 881, 890, 932, 936 u.a.).
Auch im Detail läßt die bibliographische Beschreibung Schwächen
erkennen, die zu den mittleren und größeren bibliographischen
Todsünden zählen: Bei den selbständigen Publikationen werden - im
Gegensatz zu den Aufsätzen aus Sammelbänden oder Periodica - außer bei
der Primärliteratur keine Gesamtseitenzahlen angegeben; auch
Illustrations- und Beigabenvermerke fehlen generell. Sammelbände nicht
unter ihren Sachtitel, sondern den Herausgeber zu stellen, hat sich
leider eingebürgert und wird auch hier praktiziert. Insgesamt
präsentieren sich die verschiedenen Arten der bibliographischen
Beschreibung in einem teilweise skurrilen "Eigenbau", der die
Übersichtlichkeit und Kompatibilität der Aufnahmen erschwert.
Der Registerapparat (Personenregister, Register der Werke Müllers,
Register der exzerpierten Zeitschriften und Zeitungen) ist zuverlässig
gearbeitet und als alternatives Erschließungsmittel angesichts des
teilweise schwer zu überschauenden bibliographischen Hauptteils
besonders wichtig, zumal die in den Inhaltsübersichten und
Annotationen enthaltenen Informationen in die Register einfließen und
dadurch beispielsweise die nachgewiesenen Briefe von und an Müller
über die Korrespondentennamen vorzüglich erschlossen werden.
Insgesamt liegt ein Verzeichnis vor, das für den weiteren Fortschritt
der Müller-Edition und - Forschung unentbehrlich ist. Wie schade, daß
die bibliographisch-methodischen Schwächen und Holprigkeiten den
Gesamteindruck schmälern und die Benutzung stark erschweren. Die
Chance, am Beispiel eines überschaubaren bibliographischen Korpus
etwas Vorbildliches zu schaffen, wurde leider vertan.
Siegfried Seifert
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